zum Hauptinhalt
Marina Weisband behauptet, der Spiegel habe sie falsch zitiert.
© dpa

Weisband vs. "Spiegel": Piratin Weisband und der Streit um die Comeback-Aussagen

Erwägt Marina Weisband, die ehemalige Geschäftsführerin der Piraten, für den Bundestag zu kandidieren? Im aktuellen "Spiegel" legt Journalistin Merlind Theile das nahe. Doch die Piratin fühlt sich falsch zitiert. Journalistin Theile will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen.

Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" steht gemeinhin für tiefgründige Recherche und journalistisch sauberes Arbeiten. Genau das will aber Marina Weisband, die ehemalige Geschäftsführerin der Piraten, dem Magazin nun absprechen – zumindest was einen Artikel betrifft, den die Autorin Merlind Theile über Weisband verfasst hat.

Unter der Überschrift "Die gute Fee" schrieb die Journalistin, dass Weisband darüber nachdenke, für den Bundestag zu kandidieren. „ Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was gerade passiert“, entgegnet die Piratin auf ihrem Blog. Sie habe gerade privat sehr viele „Baustellen“ und könne keinen Druck aus der Öffentlichkeit gebrauchen. Deswegen habe sie zunächst gar nicht mit Merlind Theile sprechen wollen. Als sie sich schließlich doch mit der Autorin in einem Café traf, habe diese ihr noch nicht einmal sagen können, für welchen Artikel das Gespräch überhaupt verwendet werden soll. Die Antworten, die Weisband der Journalistin gab, hätten sich zudem stark von denen unterschieden, die in Theiles Text später abgedruckt wurden.

So habe Theile Weisband unter anderem gefragt, ob die Rufe nach ihr zunähmen. Weisband will darauf gesagt haben: "Es sind hauptsächlich Mentions auf Twitter, in letzter Zeit schon mehr". Gedruckt wurde schließlich: "Die Rufe nach mir nehmen zu." Ähnlich verfremdet habe Theile auch Weisbands Antwort auf die Frage, ob es nicht das Beste für die Piraten wäre, wenn sie für den Bundestag kandidieren würde. "Für die Piraten mag es vielleicht das Beste sein, aber für mich? Ich weiß nicht, ob ich für den Politikbetrieb gemacht bin", hat Weisband laut eigener Aussage entgegnet. Im Artikel wurde das Zitat dann so wiedergegeben: „Für die Piraten ist es wohl das Beste, wenn ich kandidiere.“

Zwar habe ihr Theile vor der Veröffentlichung des Artikels ihre Zitate zur Ansicht zugeschickt, eine Möglichkeit der Einflussnahme habe sie aber nicht gehabt, schreibt Weisband. "Frau Theile hat keine Praxis, Zitate autorisieren zu lassen." Zudem habe es sich bei den Textpassagen, die ihr die Journalistin zugeschickt habe, gar nicht um die letztendlich erschienenen Zitate gehandelt. "Aus den mir zugeschickten Zitaten wurden teilweise die relevanten Satzteile rausgenommen, neu zusammengesetzt und nach Belieben in neuen Kontext gesetzt, bis ich keines davon wieder erkannte."

Soweit Weisbands Version der Geschehnisse. Doch die angegriffene Journalistin reagierte schnell auf die Vorwürfe und veröffentlichte auf dem "Spiegelblog" unter der Überschrift "Von wegen nicht autorisiert" ihre Sicht der Dinge. Der Tenor des Statements: Weisband lügt.

Nicht nur habe sie die Politikerin telefonisch über den Tenor des geplanten Artikels unterrichtet, nämlich dass sich viele in der Piraten-Partei Weisbands Rückkehr wünschen. Sie habe Weisband auch die fraglichen Zitate per Mail zugeschickt - und kurz darauf soll Weisband wiederum telefonisch ihr Einverständnis gegeben haben. "Die Behauptung, ich hätte die autorisierten Zitate im Nachhinein verfremdet, ist falsch. Die abgedruckten Zitate entsprechen Frau Weisbands Autorisierung", schreibt Theile.

Nun steht an dieser Stelle Aussage gegen Aussage. Zwar entspricht es durchaus der vielerorts üblichen journalistischen Praxis, Gesagtes druckreif zu formulieren und dabei manchmal auch zuzuspitzen. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob Theile der Piratin ihre Zitate zur Autorisierung zugesandt hat - und zwar genau in dem Wortlaut, in dem sie später im Artikel erschienen sind - und ob Weisband tatsächlich mit den Textpassagen einverstanden war.

Der "Spiegel" hat sich erst vor kurzem öffentlich für die Praxis des Autorisierens ausgesprochen. So schrieb Wirtschaftsressortleiter Thomas Tuma, das Autorisieren sei eine Win-Win-Situation: "Der Gesprächspartner hat die beruhigende Sicherheit, auch zu wissen, was von ihm in wörtlicher Rede überliefert wird. Der Journalist muss nicht fürchten, Ärger zu kriegen in der Das-hab-ich-so-nie-gesagt-Kategorie." Deshalb habe das Nachrichtenmagazin die Praxis des Autorisierens seit den 1950er Jahren so konsequent kultiviert, dass es in Deutschland zumindest bei Interviews heute Branchenstandard sei.

Zur Startseite