Kuba und die Medien: Parteiblatt „Granma“ will sich reformieren
Neuer Chefredakteur, neue Einsichten: Kubas Parteiblatt „Granma“ will sich reformieren. Von Meinungsfreiheit auf der Insel kann aber weiter keine Rede sein.
In Kuba gilt man schon als Reformer, wenn man ein Facebook-Profil und ein Twitter-Konto hat. Jüngst wurde bekannt, dass Pelayo Terry neuer Chefredakteur der „Granma“ wird, Organ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas. Auch wegen Terrys Internetaktivitäten wurden mit ihm sofort Hoffnungen auf eine Erneuerung des Propagandablatts verbunden. Dabei ist Terrys letzter Twitter-Eintrag schon vier Monate alt und verweist auf seinen letzten Blog-Eintrag. In dem macht sich der 47-Jährige Gedanken über die Möglichkeiten der Interaktion zwischen Journalisten und Lesern im Netz. Terrys Facebook-Seite ist etwas aktueller. Dort gibt er bekannt, dass er seinen Job bei „Juventud Rebelde“ aufgegeben habe, der Zeitung der Kommunistischen Jugend Kubas, die er als Chefredakteur führte.
Tatsächlich weht dort heute ein frischerer Wind als beim Parteischlachtschiff „Granma“. Dessen Chef war zuletzt der Hardliner Lázaro Barredo Medina, der in den Ruhestand geschickt wird.
Ein Blick in die „Granma“ (hie r die deutsche Version) ist wie der Blick in eine andere Epoche. Die Zeitung wurde 1965 gegründet und nach der Jacht benannt, mit der Fidel Castro und seine Guerilleros neun Jahre zuvor auf Kuba gelandet waren, um das Batista-Regime zu stürzen. Die „Granma“ hat acht Seiten (an Samstagen 16) und erscheint in einem kleinen, tabloidähnlichen Format. Mit einer täglichen Auflage von 500 000 Exemplaren ist sie die größte Zeitung Kubas, gedruckt wird auf faserigem Papier, auf dem die Tinte leicht verschmiert. Die schlechte Qualität und Verfügbarkeit von Zellstoffen hat sich seit der „Sonderperiode“ in den neunziger Jahren nicht mehr verbessert. Damals, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, wurden viele Produkte auf der Insel rationalisiert, die seit 1960 unter US-Embargo steht. In der Folge nahm das relativ große Angebot an Zeitungen und Büchern stark ab.
Der Qualität des Papiers entspricht die Ausstattung von Kubas Redaktionen: alte Computer, fehlende Software, langsames Internet, schlechte Kameras. Doch Geld für Investitionen fehlt. Ein Exemplar der „Granma“ kostet 20 Centavos, umgerechnet 0,0066 Euro, weniger als ein Cent. Eine komplett verkaufte Auflage erbringt demnach 3300 Euro. Weil aktueller Lesestoff in Kuba rar ist, wird das Blatt nicht selten unter der Hand zu höheren Preisen weiterverkauft.
Die einzige Farbe in der „Granma“ ist das Rot der Überschrift. Neben dem Schriftzug erscheint stets ein Foto des jungen Fidel Castro mit in die Luft gestrecktem Karabiner sowie ein variierendes Motto, etwa: „Wo die Pflicht beginnt, endet die Freundschaft!“
Inhaltlich ist die Zeitung in den sechziger Jahren stehengeblieben. Man beschränkt sich auf offizielle Berichterstattung von Parteiveranstaltungen und Staatsbesuchen, Abschriften der Reden sozialistischer Führer, einigen internationalen Nachrichten, ein bisschen Kultur und Sport sowie positive Geschichten aus kubanischen Betrieben. Hinzu kommen die altersweisen Reflexionen Fidel Castros. Weder in der „Granma“ noch in den staatlichen Lokalzeitungen werden die Probleme Kubas beim Namen genannt, der Ton ist triumphierend, die Fortentwicklung auch linker Diskurse ignoriert man ausdauernd. Die Überschriften sprechen für sich: „Information an die Bevölkerung“, „Brief des Innenministers“, „Erklärung des Staatsrats“. Die „Granma“ bewegt sich in einem selbstreferenziellen Universum, sie ist die „Prawda“ Kubas. Und so wie diese in Sowjetzeiten strahlt sie ideologisch auf die anderen Medien aus.
Internet-Version für die Genossen im Ausland
Nun gibt es neben der Printausgabe noch eine die Internetversion der „Granma“. Sie richtet sich vor allem an die Genossen im Ausland, erscheint auf Spanisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Portugiesisch. Doch auch sie kommt nicht ansprechender daher. Der Aufmacher vom Mittwoch: „Rechenschaftslegung in mehreren Provinzen des Landes begonnen.“
Wird sich das alles unter dem neuen Chefredakteur Pelayo Terry ändern? Die Parteiführung scheint erkannt zu haben, dass Kuba sich nicht dauerhaft den Einflüssen des Internets entziehen kann. Trotz aller Restriktionen ist das staatliche Medienmonopol porös geworden – vor allem dank E-Mails und Blogs. Vizepräsident Miguel Díaz-Canel sprach das Thema im Juli offen an: Man müsse die Geheimniskrämerei beenden. Er folgte damit Präsident Raúl Castro. Dieser hatte schon 2012 angemahnt, dass die Medien die Probleme auf Kuba „verantwortungsbewusst“ benennen – dabei allerdings nicht in Sensationsgier und Lügen verfallen sollten, das sei der Stil der bürgerlichen Medien.
Der neue „Granma“-Chef, einst Kriegsreporter in Äthiopien, lobt in seinem Blog „Cibereditor“ die Kommentarfunktion der Internetausgabe seines Ex-Blatts „Juventude Rebelde“. Diese wird von den Lesern durchaus kritisch genutzt. Terry schreibt verquast: „Immer erscheint etwas Neues, das die Wege offenbart, auf denen unerwartete menschliche Handlungsweisen sichtbar werden.“
Lässt das auf Reformen bei der „Granma“ schließen? Bert Hoffmann, Leiter des Hamburger Giga Instituts für Lateinamerika-Studien, sagte dem Tagesspiegel, dass es ein wiederkehrendes Ritual sei, dass Fidel oder Raúl Castro die Medien kritisierten, ohne dass sich etwas verändere. „Insofern ist auch Díaz-Canels Kritik an den Staatsmedien mit Vorsicht zu genießen.“
In der Tat gibt es bisher keinen Hinweis für tatsächliche Meinungsfreiheit in Kuba. Diejenigen, die wirkliche Kritik am System üben, werden weiterhin verfolgt. Allein in der vergangenen Woche wurden fünf Journalisten von kleinen, unabhängigen Agenturen und Online-Medien festgenommen. Zwar sind sie wieder auf freiem Fuß, aber die Warnung war erfolgt. Mindestens zwei weitere Journalisten befinden sich seit Monaten im Gefängnis. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ kommentiert: „Es ist nicht möglich, zu debattieren und reformieren, wenn gleichzeitig Zensur, Brutalität und Willkür herrschen.“
Philipp Lichterbeck