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„Nothing but the truth“, nichts als die Wahreit ist der Slogan des neuen Nachrichtenportals Ahval.
© Tsp

Opposition zu Erdogan: Online ist frei

Türkische Journalisten gründen im Land und im Exil regierungskritische Medien. Jüngstes Beispiel: Nachrichtenportal Ahval.

Die Ansage ist typisch Yavuz Baydar: kämpferisch und prinzipientreu bis zur Sturheit. Eine „kleine Gruppe abgehärteter, mutiger und engagierter Kollegen“ habe sich zusammengefunden, so gab der 60-jährige türkische Journalist bekannt. Was sie gemeinsam aufgebaut haben, nennt Baydar eine „Drehscheibe für tiefgehende Berichte, Nachrichtenanalysen und vielfältige Meinung über die Türkei", das Land in der Faust von Recep Tayyip Erdogan. „Wir werden nicht weich“, verspricht Baydar. Nur „Wahrheit und Ehrlichkeit entscheiden in diesen Zeiten der Verrücktheit“, so kündigt er das neue Nachrichtenportal Ahval (https://ahvalnews.com) an.

Der Begriff „Ahval“ stammt noch aus dem Osmanischen und ist eher weit gefasst. Als „Situation“, „Umstand“ oder „Position“ kann man ihn übersetzen. Baydars Ahval erscheint auf Türkisch, Englisch und Arabisch – ähnlich wie die 2012 gegründete regionale Nachrichtenplattform Al-Monitor – und soll der Propagandamaschine des autoritär regierenden Staats- und Parteichefs Erdogan Paroli bieten. Ein halbes Dutzend solcher Nachrichtenportale hat sich seit Putsch und Verhängung des Ausnahmezustands mittlerweile etabliert. Manche im Ausland wie Ahval oder – seit dem Frühjahr dieses Jahres – Arti Gercek (https://www.artigercek.com) und Arti TV (http://arti.tv); andere innerhalb der Türkei wie Gazete Duvar (https://www.gazeteduvar.com.tr), die linksliberale „Zeitungsmauer“ des Militärdienstverweigerers Vedat Zencir.

Schwierige Finanzierung

Ihr Publikum ist der aufgeklärte, kritisch denkende Teil der türkischen Gesellschaft, aber ebenso die internationale Öffentlichkeit. Die Finanzierung ist oft schwierig, die politische Ausrichtung bisweilen verdeckt. Neue englischsprachige Nachrichtenseiten wie Turkishminute (https://www.turkishminute.com) oder Turkeypurge (https://turkeypurge.com) zum Beispiel lassen die Handschrift der Gülenisten erkennen, den ins Ausland geflüchteten oder schon vor dem Putsch dort lebenden Anhängern des türkischen Predigers Fethullah Gülen. Ihn macht die Führung in Ankara für den Staatsstreich vom 15. Juli 2016 verantwortlich.

Yavuz Baydar, Chefredakteur von Ahval, schließt solche Verbindungen für sich aus. „Ich verspreche keine Zugehörigkeit zu irgendeiner Aktivisten- oder Interessengruppe. Keine. Jene, die mich kennen, wissen, dass ich kein solches Projekt leiten oder in irgendeiner Weise daran teilhaben würde“, heißt es in der Ankündigung der neuen Internetzeitung. Ahvalnews wird von einem bisher nicht genannten Verleger in London finanziert. Zu Baydars Mitarbeitern zählt Ilhan Tanir, ein langjähriger USA-Korrespondent türkischer Zeitungen, die ihn nach und nach fallen ließen, weil sich die Regierung in Ankara über seine Berichte ärgerte. Tanir startete Anfang 2017 auch die Online-Nachrichtenseite „washingtonhatti“ (https://washingtonhatti.com), die sich auf die US-türkischen Beziehungen konzentriert. Er ist zudem einer der Angeklagten im Prozess gegen 17 Mitarbeiter der Tageszeitung „Cumhuriyet“.

Flucht nach Frankreich, Exil in Berlin

Baydar hat sich nach dem Putsch nach Frankreich abgesetzt. Andere gingen nach Berlin wie Can Dündar, der ehemalige, bereits zu einer Haftstrafe verurteilte „Cumhuriyet“-Chefredakteur – er startete das Exilmagazin „Özgürüz“ (https://ozguruz.org/de).

Dabei genügt ein Anruf aus dem Präsidentenpalast, damit die staatliche Rundfunkaufsichtsbehörde RTÜK oder das Ministerium für Transport und Kommunikation den Zugang zu einer Webseite blockieren. Der Internet-Enzyklopädie Wikipedia ergeht das in der Türkei so bereits seit sieben Monaten. Die neuen Post-Putsch-Medien aber lässt Ankara noch weitgehend gewähren. Die Justiz greift sich lieber einzelne Journalisten heraus. Markus Bernath/Ankara

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