Kommentierung aus der Ferne: Olympisches Homeoffice
Nie zuvor gab es mehr parallele Übertragungen – mit so wenigen Sendermitarbeitern vor Ort. So arbeiten ARD, ZDF und Eurosport.
Bei diesen Olympischen Spielen ist alles anders: Wenn am Freitagmittag deutscher Zeit (ZDF, 12 Uhr 10, mit Béla Réthy) die Spiele von Tokio mit einem Jahr Verspätung und ohne Publikum in den Stadien und Hallen unter strengen Corona-Bedingungen eröffnet werden, dann wird der Großteil der Berichterstattung und Kommentierung nicht aus dem fernen Japan, sondern aus den heimischen Studios von ARD, ZDF und Eurosport erfolgen. Olympia aus dem Homeoffice quasi.
Eigentlich eine seit über einem Jahr eingeübte Selbstverständlichkeit und doch ein Novum in der Sport-TV-Geschichte. Zumal es sonst beim Olympischen Live-Berichterstattungs-Motto des immer-höher-schneller-weiter geblieben ist. Denn in so vielen parallelen Streams und mit solch hohem technischen Aufwand wurden noch keine Olympischen Spiele zuvor von der anderen Seite des Globus übertragen.
Die ARD, die übrigens bereits am Donnerstag ab 9 Uhr 05 mit den Übertragungen von einigen Vorrunden-Wettbewerbern beginnt, wird am Ende der bis zum 8. August dauernden Spiele 140 Stunden TV-Bilder ausgestrahlt, 1500 Stunden Live-Bilder in zehn parallelen und webexklusiven Streams übertragen und 16 000 Sendeplätze im Hörfunk gefüllt haben.
Der Großteil der Olympia-Crew für Das Erste sitzt dabei nicht vor Ort, sondern in einem Sendezentrum in Mainz, im sogenannten National Broadcasting Center (NBC), dem Dreh- und Angelpunkt der Übertragungen. Wie schon in Rio 2016 werden Frank Busemann und Julius Brink als ARD-Experten vor Ort sein und nicht nur Hintergründe und Expertisen zu ihren Sportarten Leichtathletik und Beachvolleyball liefern, sondern auch als ehemalige Olympia-Teilnehmer ihre Einschätzungen zu anderen Disziplinen einbringen. Moderiert werden die Olympia-Sendungen der ARD von Jessy Wellmer und Alexander Bommes. Zudem sorgte ein Experiment der ARD-Dopingredaktion kurz vor Start der Spiele bereits für einiges Aufsehen.
ARD und ZDF mit zehn Streamingkanälen
Das ZDF überträgt inklusive der Eröffnungsfeier insgesamt 135 Stunden Programm. Dazu kommen rund 1000 Stunden Livestream auf bis zu zehn Kanälen. Das ZDF steuert seine Olympia-Berichterstattung ebenfalls weitgehend vom Sendezentrum auf dem Mainzer Lerchenberg aus, wo sich das gemeinsame National Broadcast Center von ARD und ZDF befindet. Auch das Zweite kommentiert den Großteil der Wettbewerbe aus Deutschland, nur ein kleines ZDF-Team ist in Tokio vor Ort im Glasstudio an der Tokyo Bay, das damit zum „Fenster zu Olympia“ wird. Auf dieser Präsentationsfläche mit Blick auf die Rainbow Bridge und das Olympische Dorf werden die ZDF-Moderatoren Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne im Wechsel durch die Olympia-Tage führen, mit Experten und Expertinnen sprechen und Gäste aus der Welt des Sports begrüßen.
Eine Herausforderung für die Sender, aber auch die Zuschauer ist die Zeitverschiebung von sieben Stunden. Dadurch laufen die Live-Übertragungen zumeist zwischen Mitternacht bis zum Nachmittag. Die Sender behelfen sich dabei unter anderem mit Videoübersichten in den Morgenstunden, um die versäumten Wettbewerbe nach dem Aufstehen ins Bild zu rücken.
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Eine ganz besondere Bedeutung haben die Spiele für Eurosport, hat doch das Mutterunternehmen Discovery die Rechte für die Sommer- und Winterspiele von 2018 bis 2024 für geschätzt 1,3 Milliarden Euro erworben. Entsprechend umfangreich – mit 4000 Stunden Live-Programm – wird nun aus Tokio berichtet. Die Devise lautet: Olympia im 24-Stunden-Rundum-Modus. Nicht nur bei Eurosport, sondern auch beim Videostreamingdienst Joyn, den Eurosport zusammen mit ProSiebenSat1 betreibt. Acht weitere Streams laufen dort im kostenfreien Bereich, bis zu 27 parallele Streams im Pay-Bereich Joyn+. Eine weitere Besonderheit bei Eurosport ist die Konferenzschaltung „Medal Zone“. Wie bei der Bundesliga-Konferenz will der Sportsender damit „überall dorthin gehen, wo eine Medaille vergeben wird“, verspricht Eurosport-Chef Gernot Bauer.
Wie bei den Öffentlich-Rechtlichen findet der Großteil der Kommentierung und Einordnung in Deutschland – am Senderstandort von Eurosport in Unterföhring – statt. „Nähe ist keine Frage der Entfernung“, lautet die Eurosport-Devise. Mit erweiterter virtueller Realität und Motion Graphics aus dem Cube Studio will Eurosport dabei den Zuschauern „spektakuläre visuelle Effekte und Einblicke in den Sport“ bieten.