Porträt Tom Kummer: Neues vom Fälscher
Seine Interviews waren legendär, aber frei erfunden. Jetzt wirbt Tom Kummer für sein Buch „Blow Up“
Tom Kummer ist vorsichtig. Erst versichert er sich, ob man sich auch für seinen „Fall“ wirklich interessiere und nicht nur für sein gerade veröffentlichtes Buch „Blow Up“. Dabei kann das eine das andere gar nicht ausschließen. Dann holt er aus einer weißen Plastiktüte seine gesammelten Werke für das „SZ-Magazin“ und zeigt einem ein Heft mit Ivana Trump auf dem Cover. Über dem kleinen Foto von Trump steht groß „Der Mensch und das Sein“ und darunter: „Eine Einführung in die Philosophie von Ivana Trump“.
Kummer sagt, dies sei sein letztes Stück für die „SZ“ gewesen, vom 9. April 1999. Doch hätte man da erst mal in München gemurrt. „,Das finden wir jetzt nicht so gut’, hat Moritz von Uslar gesagt, ,kannst du uns nicht mehr Stoff liefern?’ Die haben mich nie gefragt, ob ein Interview stattgefunden hat oder nicht. Ich habe mal mit Ivana Trumps Sekretärin geredet. Ein Interview aber gab es nicht.“
Abgesehen davon, dass die damals Mitbeteiligten das vermutlich anders sehen, ist Tom Kummer aber dieser Tage nicht in Deutschland und der Schweiz mit der Absicht unterwegs, schmutzige Wäsche zu waschen. Er promotet vielmehr sein Buch. Das ist zum einen eine Art Autobiografie, mit Passagen aus Kummers Kindheit und Jugend und der Schilderung seiner journalistischen Anfänge in den achtziger Jahren. Zum anderen beschreibt es die Entwicklung, wie aus Tom Kummer, dem Hollywood-Starreporter, im Jahr 2000 der „Fall Kummer“ und einer der größten journalistischen Skandale der jüngeren Zeit wurde: Kummer hatte nämlich den Großteil seiner im „SZ–Magazin“, dem Schweizer „Tagesanzeiger“ und anderen angesehenen Medien abgedruckten Starinterviews gefälscht.
Kummers Buch ist eine Mischung aus Selbstanklage, Selbstbefragung und dem – eher dezenten, keineswegs marktschreierisch andere Personen anklagenden – Versuch, nicht als Alleinschuldiger dazustehen. Vor allem aber scheint das Buch therapeutische Wirkung gehabt zu haben. „Ich wollte mich distanzieren, den Fall aus meinem Kopf bekommen. Das ist jetzt das Leben being Tom Kummer. Und ein Image korrigieren, nein, das machen Hollywoodstars mit Spin Doctors, dafür ist es für mich zu spät.“
Solche Sätze klingen entschlossen, ultimativ, sie verkennen auch die Sachlage etwas. Als ob Kummer sein Image noch korrigieren könnte. Doch wenn man ihm in seinem kalifornisch eingefärbten Schweizer Deutsch zuhört und ihn sich so anschaut, wie er einem braungebrannt in einem Café in Kreuzberg gegenübersitzt, dann verhält er sich genauso selbstbewusst wie verunsichert-defensiv. Er sagt, er wisse, dass er an der Geschichte ganz allein schuld sei, fügt aber im selben Satz an, es unfair zu finden, alleinverantwortlich zu sein: „Ja, ich weiß, ich habe das Wahrheitsmonopol durchlöchert mit unehrlichen Mitteln, und alle anderen wollten das gaaaanz ehrlich machen. Ich war doch nicht der Einzige, der Journalismus als ein großes Experimentierfeld verstand.“ Und er spricht sich wohl mehr Mut zu, als dass er wirklich dran glaubt, wenn er auf die Frage, wie es denn ist, nach so vielen Jahren zurückzukehren, von einem „wundervollen Gefühl“ spricht und dass das alles eigentlich ganz amüsant sei.
Gerade während der Leipziger Buchmesse, wo er sein Buch vorstellt, spürt man seine Nervosität. Verspannt sitzt er auf seinem Stuhl, mit leicht zittrigen Händen, als er zunächst sein Pamela-Anderson-„Interview“ im Rollenspiel mit einer Verlagsmitarbeiterin vorträgt, um dann aus „Blow Up“ vorzulesen. Die Reaktionen sind verhalten bis teilnahmslos. Freundlich wird wie überall auf der Messe Beifall geklatscht, und ein Kollege sagt: „Kaum zu glauben, dass es damals so einen Skandal gab, so routiniert geht das hier über die Bühne.“ Auf der Buchmesse gibt es viele andere Lautsprecher, an denen das Publikum sich reiben kann, da ist überall was los, und da wird etwa bei Kummers Lesung eine „Junge Freiheit“-Ausgabe mit einem Henscheid-Text über Martin Walser und seiner Beziehung zu den Frauen herumgereicht – Tom Kummer fällt hier auch mit seiner Lockenpracht und einem ockerfarbenen, dreiteiligen Anzug nicht groß auf.
Durchmischter sind dagegen die Reaktionen in den Printmedien. Ein „Blow Up“-Verriss in der „FAS“ macht den Anfang, von Feuilletonchef Claudius Seidl, der einst ein Nachwort für eines von Kummers Büchern schrieb. Auch auf „Spiegel Online“ geht man unsanft mit dem Buch um. Andere sind freundlicher, einfach nur interessiert, wie Kummer seinen Fall aufarbeitet. Gerade auch in der Schweiz, wo es, wie Kummer erzählt, eine Diskussionsrunde mit ihm, einem Tagesschausprecher und dem Chef der „Weltwoche“ geben soll.
Wieder andere bilden den normalen tagesjournalistischen Irrsinn ab, denken sich Scoops aus. Wie die Schweizer Umsonstzeitung „20 Minuten“, die Kummer sich selbst interviewen lassen will. Oder wie „BZ“–Chefredakteur Walter Mayer, der während des Gesprächs in Kreuzberg dem Blumenbar- und „Blow Up“-Verleger Wolfgang Farkas die grandiose Idee unterbreitet, Kummer und den damaligen „SZ Magazin“-Leiter und jetzigen „Vanity Fair“-Chefredakteur Ulf Poschardt, der im Zuge der Affäre seinerzeit seinen Job verlor, öffentlich an einen Tisch zu setzen, moderiert von ihm, Walter Mayer.
Kummer sagt zwar, er würde gern nochmal mit den Leuten reden, „für die ich ein rotes Tuch bin: Was ist euer Problem genau?“. Doch weiß er selbst, dass das Problem vor ihm auf dem Tisch liegt, das Trump-Stück zum Beispiel. Selbst wenn es darin keinen Hinweis gibt, dass es je eine Begegnung mit Trump gegeben hat: „14 Denkstücke“ verspricht das Inhaltsverzeichnis, „von Tom Kummer“, und auch im Heftinnern wirkt das editorische Anhängsel wie ein einziger großer Klamauk: „Der Text wurde im Rahmen eines philosophischen Diskurses protokolliert von Tom Kummer.“
Was damals so ging, wundert man sich heute, und hat dabei durchaus Spaß. Fehlt leider nur der entscheidende Hinweis auf den Fake. Auch der damalige Protokollführer findet, dass sich das heute noch gut lese, das sei halt „Konzeptjournalismus“ gewesen. Und ihm ist bewusst, dass das vorbei ist: „Ich habe eine Karriere als Journalist gehabt. Jetzt spiele ich auf einem kleinen Feld in Santa Monica Tennis, habe eine Frau, zwei Kinder und ein schönes kleines Privatleben.“
So könnte „Blow Up“ tatsächlich einen Schlussstrich ziehen, zumal das Buch sowieso dem üblichen saisonalen Vergessen anheimfällt. Tom Kummer sieht das naturgemäß etwas anders. Er befinde sich, und bei diesen Worten blickt er einen ganz streng und durchdringend an, „in L. A. in einer guten Position, um Material zu sammeln. Ich bin ein Autor, der die Wirklichkeit braucht, um ins Surreale, ins Fiktive zu reisen. Die Frage ist, ob ich dafür meine Person brauche oder von ihr eines Tages auch mal wegkomme.“ Ob die Perspektive aber einzig auf dem Tennisplatz liegt oder weitere Kummer-Bücher folgen: Ausgekummert hat es sich dann so oder so.
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