Medien: Nackte Wahrheiten
In der FKK-Komödie „Barfuß bis zum Hals“ auf Sat 1 prallen Ossis und Wessis noch einmal aufeinander
Mehr nackt war im deutschen Fernsehen selten. Der Privatsender Sat1 lässt heute zur besten Sendezeit unbekleidete Menschen gleich in Dutzendstärke über den Bildschirm spazieren. Alt und jung, Männer und Frauen, fast alle im Adamskostüm. Andauernd. „Barfuß bis zum Hals“ ist der Titel einer Sommerkomödie, die die Vorurteile zwischen Ost und West am Beispiel einer ostdeutschen Nudistenkolonie abarbeitet. Und das zu großen Teilen sehr amüsant.
Die Handlung ist schnell erzählt: Der Münchner Textilunternehmer Dieter Lohe (Christoph M. Ohrt) kauft ein Grundstück in der ehemaligen DDR, das er als Jagdrevier nutzen will. Was der Firmenchef, der seine Gewehre auch schon mal auf dem Büro-Schreibtisch zwischenlagert, nicht weiß: Der „Verein zur Freiheit“, der das Gelände bisher gepachtet hat, ist ein alteingesessener Nudistenclub. Dessen Vorsitzender Helmut Steiner (Martin Brambach) befürchtet, dass der „Besserwessi“ das FKK-Camp sofort schließen lässt, wenn er von der freizügigen Gemeinschaft erfährt. Als das bekennende CSU-Mitglied in Begleitung seiner hübschen Tochter Natalie (Diane Willems) zu einer ersten Stippvisite in der brandenburgischen Provinz anrückt, tarnen sich die Camp-Bewohner als gewöhnliches Ferienlager – indem sie sich etwas anziehen. Doch die verordnete Züchtigkeit bringt nicht nur urkomische Situationen hervor. Sie trägt auch Eifersucht und Missgunst in die vorher glückliche Nackt-Gemeinde.
Ganz ohne Klischees kommt Regisseur Hansjörg Thurn bei der Inszenierung seiner „frei-Körper-kultigen Sommerkomödie“ – so der Pressetext – nicht aus. Christoph M. Ohrt muss in seiner Rolle als westdeutscher Unternehmer selbstverständlich Geländewagen fahren, rosa Hemden tragen und den vermeintlich planlosen „Opfer-Ossis“ die Marktwirtschaft erklären. Diese wiederum sehen alles ein wenig lockerer, besseren Sex haben sie ja sowieso. Ansonsten hören sie den ganzen Tag lang die Musik der Puhdys, trinken Rum-Cola und schwelgen unbekleidet in bemitleidenswerter Ostalgie. Thurn gelingt es glücklicherweise, die scharfen Klippen der Plattitüde und des Klamauks zu umschiffen. Die Gags sind maßvoll eingestreut, die Dialoge wirken geschliffen. Wohl weil nackte Tatsachen nonstop zu sehen sind, wird auf Witze über primäre Geschlechtsorgane verzichtet. Zum Glück. Überzeugen kann auch das Ensemble. Martin Brambach („Der Vorleser“) als Platzwart, der die Freiheit liebt, aber Hosen hasst, und der bekannte Seriendarsteller Christoph M. Ohrt („Edel & Starck“) als verklemmter Unternehmer liefern sich ein unterhaltsames Ost-West-Duell, das schließlich in Verständnis und Freundschaft mündet. Auch Nachwuchstalent Constantin von Jascheroff, bekannt aus diversen „Tatort“-Folgen, kann als Steiners Sohn Jakob Akzente setzen. Er ist der Rebell in dem beschwingten Fernsehfilm, der junge Wilde. Weil er, im Gegensatz zu seinen Eltern, gerne was anhat.
„Barfuß bis zum Hals“ gewinnt dabei zunehmend an Tiefe. Die Protagonisten sind weniger häufig nackt, vielleicht ist das dem Umstand geschuldet, dass die Zuschauer sich an blanken Busen und buschigen Schamhaaren schnell sattgesehen haben. Unterhaltend ist im letzten Drittel vor allem ein Seelenstriptease der Hauptfiguren, der manchmal eher tragisch als lustig ist. Vor allem, wenn der Ossi seine Zeit im Stasi-Knast und der Wessi seine gescheiterte Ehe aufarbeitet. „Barfuß bis zum Hals“ zeigt dabei auch, welche Möglichkeiten für Komödien im deutschen Privatfernsehen noch vorhanden sind. Adrian Pickshaus
„Barfuß bis zum Hals“, 20 Uhr 15, Sat 1
Adrian Pickshaus
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