Neue Politserie auf Arte: Nach "Borgen" nun "Secret State"
In der britischen Serie „Secret State“ darf Gabriel Byrne als Premierminister nicht verzweifeln. Es geht um eine große Geschichte mit einer großen Botschaft.
Demokratie-Nihilisten werden die Serie mit glänzenden Augen verfolgen. Alles nur Fassade, selbst im britischen Parlament, dem „Motherboard“ aller Herrschaft durch das Volk. Regieren nicht auch dort Banken und Multis, steuern sie nicht mit ihrem Geld und ihrer Macht die Parteipolitiker in die von ihnen gewünschte Richtung?
Der Titel der britischen Miniserie „Secret State“ insinuiert, dass es einen gut camouflierten Staat im Staat gibt. Hier ist es der US-Ölmulti PetroFex, der die Regierung Ihrer Majestät vor sich hertreibt. Die Explosion in einer Niederlassung in Nordengland hat eine ganze Siedlung verwüstet, viele Todesopfer und Verletzte gefordert. Und das, als Premierminister Charles Flyte (Tobias Menzies) mit dem Unternehmen in den USA gerade neue Verträge abschloss. Im Angesicht der Katastrophe in Teesside eilt er nach England zurück, währenddessen sein Stellvertreter Tom Dawkins (Gabriel Byrne) sich dem Volk stellen muss. Das Flugzeug mit dem Premier stürzt in den Atlantik, Dawkins rückt, nicht eben mit Begeisterung, an die Spitze der Regierung.
Damit bekommen das Regierungshandeln und die Serie eine neue Statik. Es sortieren sich Gut und Böse. Dawkins will eine angemessene Entschädigung von PetroFex für die Opfer, er will den mysteriösen Absturz geklärt sehen, er will eine Politik, die sich am Gemeinwohl orientiert und nicht zum Wohl derer, die man nicht sieht.
Der durchaus idealistische, gleichwohl nicht blauäugige Dawkins hat mächtige Feinde gegen sich, auch unter seinen Parteifreunden, auf seiner Seite stehen der ehemalige Geheimagent Anthony Fosset (Douglas Hodge) und mehr und mehr die Journalistin Ellis Kane (Gina McKee). Asymmetrisch geht der Kampf. Als wäre die Gegenwart nicht schon komplex und kompliziert genug, schleppt Dawkins auch noch eine gut verschleierte Vergangenheit mit sich herum: Damals, als Captain der UN-Friedenstruppen in Bosnien, hatte er eine unerlaubte und schließlich missglückte Befreiungsaktion einer Übersetzerin initiiert. Kurz: Der Premierminister Tom Dawkins steht 24 Stunden (und vier Folgen lang) unter gewaltigem Druck, seine Widersacher belagern ihn in konzentrischer Kreisformation. Und dann droht auch eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Iran.
Die Serie ist eine Abfolge von Katastrophe und Katharsis
Drehbuchautor Robert Jones lädt die Handlung nach der Romanvorlage von Chris Mullin gewaltig auf, die Serie ist eine Abfolge von Katastrophe und Katharsis, spannend, hyperventilierend, auch in der Regie Ed Fraimans filmisch so fein verästelt, dass es den Zuschauer des Öfteren nach einem Kompass verlangt. Eine große Geschichte mit einer großen Botschaft: Es tut sich nichts Gutes, außer man will es.
Gabriel Byrne spielt den skrupulösen Premier. Ein Melancholiker der Macht, der aus der Mördergrube eines Spitzenpolitikers ein Herz machen kann. Tom Dawkins steht dermaßen für das Moralische in der egomanisch getunten Politik ein, dass ihm der Zuschauer bald die Daumen drückt. Und da gerät „Secret State“ in Schieflage: Sollte jemals die Mechanik der Macht offenbart werden, dass auch im demokratischen System die Individualinteressen die Interessen der Allgemeinheit zu dominieren suchen, verliert sich diese Absicht im Zwang, ein Machtspiel in nuce zu entfalten, einen Zweikampf vorzuführen. Dawkins oder nicht Dawkins, das wird die Grundfrage. Spannend im aufgeregten Hin und Her und entsprechend unterhaltend. Schon düster, schon bedrückend, aber zum Fürchten real? Nur für Nihilisten. Joachim Huber
„Secret State“, Arte, Donnerstag, 20 Uhr 15
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