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Zum Verwechseln. David Rott spielt im ARD-Zweiteiler Udo Jürgens. Diese Ähnlichkeit ist nicht zufällig, sie ist gewollt.
© ARD Degeto/Toni Muhr

Der Film zur Biografie: Mit zu viel Sahne

Die ARD feiert Udo Jürgens mit dem opulenten Zweiteiler „Der Mann mit dem Fagott“. Dass er auch selbst auftritt, ist nicht die beste Idee.

Die ersten Töne, die der kleine Udo dem Klavier entlockt, sind nicht sehr schön. Die Finger hämmern auf die Tasten, die im Herbst 1944 häufiger vorbeifliegenden Bomberstaffeln nachahmend. Es ist Nacht, Udo trägt noch keinen Bademantel, das tun nur die Eltern. „Das klingt ja genau wie die Bomber“, sagt die erstaunte Mutter. So begann also die Musikerkarriere von Jürgen Udo Bockelmann, der sich später in Udo Jürgens umbenannte, damals auf dem Schloss Ottmanach in Kärnten.

Jedenfalls ist es eine schöne Anekdote. So ergeht es einem oft in diesem zweiteiligen Familienabenteuer „Der Mann mit dem Fagott“, das auf dem autobiografischen Roman von Udo Jürgens und Michaela Moritz beruht. Was ist wahr und was nicht? Wie viel Verklärung verbirgt sich hinter Jürgens' Erzählung über das Leben seiner Vorfahren und über seinen eigenen Aufstieg?

Man könnte fleißig herumrätseln, aber solche Fragen sind in einer melodramatischen Fernsehfiktion doch eher Nebensache. Da geht es weniger um bare Münze als um große Scheine, und so beeindruckt der Film vor allem durch Opulenz: das üppige Szenenbild und die Ausstattung, vom Restaurant im Moskau des zaristischen Russlands bis zum Tonstudio in den fünfziger Jahren; die formidable Maske, die zum Beispiel den Schauspieler Christian Berkel buchstäblich in einen alten Mann verwandelt; die satten Farben; die kräftigen Spiele mit Licht und Schatten. Offenbar durften sich die Produzenten – Regina Ziegler aus Berlin und Klaus Graf aus Klagenfurt – in diesem elf Millionen Euro teuren ARD/ORF-Gemeinschaftswerk einen schönen Songtitel von Udo Jürgens zu Herzen nehmen: „Aber bitte mit Sahne“.

Das Fernsehen legt sich ins Zeug, was durchaus angemessen erscheint für einen populären Star wie Udo Jürgens. Die Lieder des Österreichers haben sich eingebrannt ins kollektive Gedächtnis. Er sammelte Gold und Platin in Hülle und Fülle und spielt noch heute vor vollen Konzertsälen, mit nun stolzen 77 Jahren. Am morgigen Freitag, wenn der zweite Teil ausgestrahlt wird, feiert Udo Jürgens seinen Geburtstag. Es gibt eine schöne Filmszene, als der junge Austauschstudent Udo (David Rott) in einem Jazzschuppen in New York gebeten wird, doch auch mal ein Liedchen zu klimpern. Natürlich begeistert er das Publikum, eine hübsche junge Frau steht wortlos auf und küsst ihn auf den Mund. „Wenn mir das Leben so entgegenkommt, was soll ich machen?“, sagt Udo zu einem Bekannten, der ihn an seine Freundin Gitta (Valerie Niehaus) daheim erinnert. Damit ist alles erzählt, mehr Details von seinem späteren, sagen wir, lebenslustigen Dasein will man gar nicht wissen.

Das ist aber auch die einzige Zurückhaltung, die man „Heimat“- und „Buddenbrooks“-Kameramann Gernot Roll, Miguel Alexandre (Regie und Buch) und Harald Göckeritz (Buch) nachsagen kann. Sie tauchen den Film in eine zum Teil unwirkliche Atmosphäre, mit Bildern, die wie ein Gemälde aussehen.

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Oder auch mal wie eine Kitschpostkarte - mit schönem Gruß vom Bremer Weihnachtsmarkt im Winter 1891: Hier sitzt Heinrich Bockelmann, Udo Jürgens' Großvater, und lauscht einem Fagottspieler. Und weil ihm die russische Weise so sanft in die Seele weht (Schauspieler Berkel gibt sein Bestes), entschließt er sich nach Moskau auszuwandern. 20 Jahre später ist er, man erfährt nicht wie, Bankdirektor geworden, ein entschlusskräftiger Mann, der notfalls mit seinen Kindern mitten durch ein Wasserbecken stapft, wenn er den letzten freien Tisch im Restaurant erobern will. Als der Erste Weltkrieg beginnt, setzt Bockelmann seine Familie in einen Zug nach Schweden, er selbst landet im Gefängnis in Sibirien.

Auch sein Sohn Rudi (Ulrich Noethen) wird mal eingesperrt – von der Gestapo. Rudi ist Parteimitglied und Bürgermeister, er zweifelt erst spät an der Nazi-Ideologie, aber er zweifelt. Außerdem ist er freundlich zu den sowjetischen Zwangsarbeitern auf seinem Hof in Kärnten und vertraut einem von ihnen am Kriegsende sogar etwas ganz Besonderes an: die Statue, die einen Fagottspieler darstellt und die ihm sein Vater anvertraut hatte.

Udo Jürgens holt sie Jahrzehnte später in Moskau wieder ab, wobei sich der einstige Zwangsarbeiter, dargestellt vom 89-jährigen Otto Tausig, vor Rührung gar nicht mehr einkriegt. Udo Jürgens spielt sich hier selbst, was der eher peinlichen Szene vielleicht eine Art Echtheitszertifikat verleihen sollte. Aber so wirkt alles falsch: die Sentimentalität ebenso wie das halb Dokumentarische.

Udo Jürgens wäre besser im Hintergrund geblieben, auch so trägt dieser Film ja seine Handschrift: Von ihm stammt nicht nur die Romanvorlage, er arbeitete am Drehbuch mit, schrieb die Filmmusik und spielte sie mit dem Filmorchester Babelsberg ein. Er sprach sich auch für David Rott als Darsteller aus, der den aufstrebenden Udo Jürgens in den fünfziger und sechziger Jahren spielt. Rott trifft den Ton des unbekümmerten, lebenslustigen Mannes, für den die Musik an erster Stelle steht. Nur wenn er singt, wird es seltsam, denn dann hört man plötzlich die vollere Originalstimme von Udo Jürgens. Ein wenig mehr Mut zu einer eigenen Interpretation hätte sicher auch nicht geschadet. Bei so viel Sahne drumherum.

„Der Mann mit dem Fagott“; ARD, 29. und 30. September, jeweils 20 Uhr 15;

„Beckmann: Udo Jürgens - 77. Geburtstag“; ARD, 29. September, 22 Uhr 55

„Making of: ,Der Mann mit dem Fagott’“; ARD, 29. September, 0 Uhr 10

„Udo Jürgens live 2006“; ARD, 30. September, 22 Uhr

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