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Kurt Tucholsky wird im Arte-Film über die wilden Zwanziger von Bruno Cathomas dargestellt.
© Arte

Arte-Film über die wilden Zwanziger: Mit Kurt Tucholsky durch Berlin

Der Kultursender Arte lässt die wilden Zwanziger wieder aufleben. Den Beginn der dreiteiligen Reihe macht der Film „Berlin und Tucholsky“.

„Berlin wird nicht von Engeln bewohnt, aber es gibt nur diese Stadt, in der man leben möchte.“ Als Kurt Tucholsky dies schrieb, konnte er nicht ahnen, wie sich Berlin in den legendären wilden Zwanzigern entwickeln oder dass er diese Stadt einmal verlassen würde, zuerst nach Paris, später nach Schweden. Davon ahnt der Mann mit Hausjacke und Pfeife noch nichts, der auf seine Schreibmaschine eintippt, das Blatt herausreißt, um den Text noch einmal zu lesen.

Der Kurt Tucholsky, den Arte zum Auftakt der dreiteiligen Reihe „Die wilden Zwanziger“ sieht, ist ein Schauspieler mit Namen Bruno Cathomas. „Berlin und Tucholsky“ heißt der Film von Christoph Weinert. In der kommenden Woche werden die wilden Jahre in Paris behandelt, dieses Mal erzählt aus Sicht des Schriftstellers und Dichters Louis Aragon und von Ernest Hemingway. Beendet wird die Reihe in Wien, das in jenen Jahren zwischen intellektuellem Pessimismus und sozialen Revolutionen pendelt. Protagonisten sind der Musiker Arnold Schönberg, die Fotografin Trude Fleischmann und Journalistenlegende Karl Kraus.

Der Film gleicht einer Achterbahnfahrt

Der Auftaktfilm um Berlin und Tucholsky gerät zu einer wilden Achterbahnfahrt, in der der Blick mal nach links auf das rastlose Berliner Nachtleben und Tucholskys amouröse Eskapaden gerichtet wird, um dann übergangslos in die andere Richtung zu schwenken, zu Not und Elend des Zille-Berlins und der gesellschaftskritischen Seite des Journalisten. Nachkolorierte Aufnahmen von Varietés und Nachtclubs wechseln mit SchwarzWeiß-Fahrten mit der Berliner Hochbahn oder durch den trubeligen Straßenverkehr, mitunter vermischt mit den aktuellen Stadtansichten. Die handelnden Personen wie Tucholsky, seine große Liebe Mary Gerold, Claire Waldoff mit ihren sozialkritischen Chansons werden durch Schauspieler dargestellt. Immerhin sind die Aufnahmen von Josephine Bakers Tanzkünsten authentisch.

Der Film spannt einen weiten Bogen. Nachkriegsjahre, Goldene Zwanziger, Kinos, Nachtclubs, Cabaret, die „Weltbühne“, 140 Tageszeitungen, Dadaismus, Schwulen- und Lesben-Lokale, Schwarzer Freitag, Massenarbeitslosigkeit, Judenhass, Aufstände, Max Liebermann, George Grosz, Carl von Ossietzky, Lotte Jacobi, Anita Berber, dazwischen ein Kurt Tucholsky aus großbürgerlichen Verhältnissen als Lebemann mit wenig Hang zur Treue, der später mit seinem Zitat „Soldaten sind Mörder“ eine Kontroverse auslöst, die noch nicht beendet ist. Es ist schon schwer, das Leben eines Mannes wie Tucholsky zu einem Film von 52 Minuten zu verdichten. Dieses aber noch mit einer Zeitreise durch die wilden Zwanziger zu vermischen, ist ein zu gewagtes Unterfangen. Kurt Sagatz

„Die wilden Zwanziger: Berlin und Tucholsky“, Arte, Mittwoch, 21 Uhr 45

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