"Maybrit Illner" zu "Leben mit Gewalt und Terror": Mit Jeansjacke - ohne Berliner Schnauze
Die Dinge beim Namen nennen: "Maybrit Illner" kehrte mit dem Thema "Deutschland 2016: Leben mit Gewalt und Terror?“ aus der Winterpause zurück. Und mit ungewöhnlichem Outfit.
„Hart aber fair", der erste Talk nach den Ereignissen am Kölner Hauptbahnhof, Sandra Maischberger auf dem neuen Sendeplatz am Mittwoch, das Comeback von Anne Will am Sonntag – da war doch noch was? Richtig, Maybrit Illner talkt auch noch. So richtigen Erkenntnisgewinn zum Thema der Stunde brachte ihre neue Sendung auf ihrem angestammten Platz am späten Donnerstagabend im ZDF aber eher nicht.
Die Ausgangslage: Lag auf der Hand. Hunderte sexuelle Übergriffe auf Frauen in Köln, zehn getötete deutsche Urlauber in Istanbul – 2016 beginnt mit Gewalt und Terror in erschreckendem Ausmaß. Die Verunsicherung ist groß, die Angst wächst. Müssen wir uns vom guten Gefühl verabschieden, als Deutsche grundsätzlich in Sicherheit leben zu können? Müssen wir unser Leben ändern? Welche Konsequenzen sollen aus Köln und Istanbul gezogen werden? Mehr Bundeswehr in Syrien, mehr Polizei im Inneren oder doch weniger Zuwanderer in Deutschland? Das ist ziemlich viel, das ist mächtig, Maybrit Illner hätte es thematisch auch eine Nummer kleiner haben können. .
Die Gäste: Politiker, Journalisten, Experten, Betroffene. Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Grünen-Chef Cem Özdemir, Seyran Ates, Anwältin und Menschenrechtlerin türkisch-kurdischer Herkunft, Sebastian Fiedler, vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, Guido Steinberg, Terrorismusexperte und Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“. Das hatte man so oder so ähnlich schon öfters beisammen.
Die Erwartungshaltung: Schon am Nachmittag postete ein User an den ZDF-Talk. „Sehr geehrte Frau Illner, fühlen sie heute bitte den Minister auf den Zahn, wie es zu erklären ist, dass an den deutschen Flufhäfen die Personenkontrollen pingelicher nicht sein können und gleichzeitig nach den derzeitigen Angaben gut 300000 Einwanderer unregistriert und vermutlich auch ohne personelle Identitätsfeststellung einfach so einreisen und untertauchen (..) Wovon leben diese Leute ? (..) Jeder Deutsche Staatsbürger hat eine lebenslange Steuernummer - diese ist die eindeutige Identität(..).“
Die Positionen: Scheinbar hatten weder Maybrit Illner noch die Diskutanten diese Zuschauer-Post gelesen. Es brauchte ein paar Minuten zu den aktuellen Themen Anschlag in Istanbul, Terror-Gefahr für Deutsche, Terror-Gefahr in Deutschland mit dem Engagement in Syrien, die Rolle von Erdogans Regierung, dann ging es um die Sylvesternacht in Köln, die polizeilichen Protokolle und die politische Verantwortung.
Viel Neues hörte man nicht. Polizei und Justiz müssten gestärkt (de Maizière), das Sexualstrafrecht geändert werden (Özdemir), von Neuankömmlingen sei Anstand und Respekt zu verlangen, wir müssen aber aufpassen, bei der ganzen Diskussion nach Köln nicht den Rechten in die Karten zu spielen (Ates). Man solle sich nach den Ereignissen von Köln bloß nicht den Karneval verderben lassen, es brauche allerdings ein politisches Bekenntnis zur Kriminalpolizei, zur Ausgestaltung des Rechtsstaates (Fiedler).
Spannend wurde es wiederum bei der Frage, ob und wie die Herkunft der Täter in Köln benannt werden sollte. Das waren überwiegend Männer aus Algerien, Marokko, Nordafrika; wir dürfen keine Angst haben, diese Dinge auszusprechen, sagt Ates. Kippt damit die Stimmung gegen Flüchtlinge? Es gebe Tausende von Männern aus Nordafrika, die hier keine Perspektive haben und dann Betrugskriminelle werden, sagt Ulrich. Eine realistische Flüchtlingspolitik müsse sich auch darauf einstellen. Darauf wäre mehr einzugehen gewesen.
Die Moderatorin: Das tat Maybrit Illner nicht. Sie hakte die (zu) vielen Aspekte und Themen der Sendung ab. Deutschland 2016? Kam zu kurz. Von Maybrit Illner heißt es ja, dass sie die gefürchtete "Berliner Schnauze" in sozial akzeptabler Form im deutschen Fernsehen verankert hat. Das kann man mögen oder nicht, hebt sich zumindest schon mal ab von Maischberger oder Anne Will. Kostproben davon konnte Illner am Donnerstagabend leider nicht liefern. Höchstens in ihrem Outfit. Die Moderatorin kam in Jeansjacke aus der Winterpause zurück.
Satz des Abends: Kam vom Innenminister. „Es muss jeder erst mal selbst entscheiden, wohin er reist.“
Hingucker des Abends: Das Wort „Angst!“ - überlebensgroß hinter dem Talktisch an der Bühnenwand. Hallo ZDF, geht’s noch?
Am Sonntag kehrt Anne Will zurück. Noch eine Talkshow zu dem Thema braucht es jetzt eigentlich nicht mehr.