Elke Heidenreich: "Mir fehlt nichts"
Schule fürs Leben: Wie sich Elke Heidenreich mit "Lesen!" im Internet schlägt.
So ganz fertig ist Elke Heidenreich mit ihrem Rausschmiss beim ZDF noch nicht. Den Eindruck jedenfalls macht die dritte „Lesen!“-Ausgabe für das Internetportal litcolony.de, in der der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust zu Gast ist. Beim Gespräch mit ihm über seine Demission flicht Heidenreich immer wieder ihren eigenen Fall ein, „ich war nicht immer nett“, zieht Parallelen zu Aust, betont „mir fehlt nichts“ (was Aust schön kontert mit dem Satz: „Ach, lügen Sie doch nicht!“) und verabschiedet die Zuschauer mit einem „schönen Gruß ans ZDF“.
Das wirkt, als habe hier ein Fernsehstar den Wechsel von einem Medium, dem vermeintlich publikumsträchtigeren, ins andere, dem immer noch fremden, undurchschaubaren, nicht ganz verdaut – was auch die Zahlen für die Internetausgaben von „Lesen!“ nahelegen könnten. Gab es für die erste mit Campino als Gast inzwischen 172.000 Abrufe, reduzierte sich diese Zahl für die zweite (zu Gast: Richard David Precht) auf 75.000 und für die aktuelle auf 80.000. Im Vergleich dazu hatte Heidenreich zuletzt im ZDF eine Einschaltquote von einer Million Zuschauern. Viel ärger und spürbarer dürfte der Einflussverlust auf den Buchmarkt sein – die Buchbestellungen, für die litcolony.de den Buchgroßhändler libri hat gewinnen können, halten sich in überschaubaren Grenzen.
Für litcolony.de-Geschäftsführer und Marketingchef Werner Köhler aber stellen sich diese Zahlen sowieso dar, „als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen: Was glauben Sie, wer da von den Fernsehzuschauern einfach nur vergessen hat, das Gerät auszuschalten? Heidenreich im Internet ist kein Flop, die Klickzahlen sind erstaunlich gut“. Zudem sei die Seite, die primär dafür konzipiert war, das Kölner Literaturfestival litcologne zu flankieren, sowieso noch im Aufbau begriffen und erst seit dem 8. Dezember online. Wegen „Lesen!“ sei man viel schneller als geplant gestartet. Insgesamt sind eine halbe Million Euro für litcolony investiert worden, und für die Finanzierung der Heidenreich-Sendungen gehe man, so Köhler, in Vorlage und versuche sie über Werbung gerade von Verlagen zu refinanzieren – und mit Kooperationen wie aktuell mit dem „Stern“ und dessen Internetportal. Für „stern.de“ schreibt Heidenreich eine Kolumne und freut sich: „Und nach mir keine Kochsendung. Tolles Gefühl.“
Schaut man sich die neuen Sendungen an, unterscheiden sie sich nicht groß von denen im Fernsehen. Produziert wird in Heidenreichs Stammkneipe „Backes“ aus der Kölner Südstadt, aber nicht weniger professionell mit gleich mehreren Kameras. Dass die Qualität wieder reduziert werden muss, damit die Sendungen auch in die Netzleitungen gespeist werden können, steht auf einem anderen Blatt.
Heidenreich preist wie eh und je neue Bücher, setzt sich jetzt aber länger mit ihren Gästen auseinander, was „Lesen!“ nur zugute kommt. Stefan Aust begleitet sie fast von Beginn an und weist dabei schön auf eine Schwäche Heidenreichs hin. „Sind sie ein guter Interviewer“, fragt sie ihn, was er knapp mit „Ja“ beantwortet. Elke Heidenreich jedoch zeigt sich nicht als solche. Sie fällt Aust zu oft ins Wort, allzusehr gewohnt, eine Soloperformance hinzulegen. Aber daran kann sie ja arbeiten, von nun an zehn statt wie bisher sechs Mal im Jahr. Denn eine Schule fürs Leben ist das Internet allemal.
http://litcolony.de/littv
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