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Micky Beisenherz schreibt die Moderationen für den RTL-Dschungel, die mal feinsinnig, mal mit dem Vorschlaghammer kommen.
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Dschungelcamp: Micky Beisenherz - Der Herr über die Gürtellinie

Zwischen ADAC und Zietlow. Micky Beisenherz schreibt die Moderationen für den RTL-Dschungel, die mal feinsinnig, mal mit dem Vorschlaghammer kommen. Dafür gab es 2013 eine Nominierung für den Grimme-Preis. Wer ist der Mann hinter den Gags? Ein Portrait.

Kurz vor seinem Abflug bekam er noch eine SMS. „Denk an die Worte deiner Mutter. Nicht so viel Fäkalsprache oder unter die Gürtellinie“, stand da, „viel Spaß und gutes Gelingen im Dschungel.“ Er schaute auf das Display, Mudder, dann stieg er in den Flieger Richtung Australien. Seit einer Woche nun arbeitet Micky Beisenherz wieder im RTL-Dschungel, "Ich bin ein Star holt mich hier raus", und es ist ihm in Anbetracht dessen, was bisher im Camp geschah, der Steilvorlagen der unterzuckerten Kandidaten, erstaunlich gut gelungen, die Worte der Mudder zu beherzigen. An einem Ort, an dem Fäkal Amtssprache ist und niemand genau sagen kann, wo die Gürtellinie eigentlich verläuft: mal spannt sie über Silikon, mal hängt sie labbrig in den Kniekehlen, ist Beisenherz der Mann hinter den Gags, hinter den Moderationen.

Und muss deshalb jeden Tag neu entscheiden, was geht und was nicht. Jetzt sitzt er in seinem Hotelzimmer, kurzes Telefongespräch vor einer erneut langen Nachtschicht und sagt: „Eine Schamgrenze gibt es natürlich. Härte nur um der Härte willen ist mir zu schwach, das finde ich unattraktiv.“ Er überlegt kurz, wichtig ist ja immer das Timing, legt dann nach: „Eine Pointe muss ja immer auf etwas fußen, sonst ist es bloß albern.“

Geht es um das Wesen der Pointe, darum, zu erklären, wie es um den Humor in diesem Land bestellt ist, gibt es derzeit kaum einen besseren Gesprächspartner als Micky Beisenherz. Er kennt sich da aus, gilt, seit einigen Jahren schon, als einer der fähigsten Gagautoren im deutschen Fernsehen. Sprücheklopfer, böse Zunge. Ein Handelsreisender des Stehaufwitzes. Dieter Nuhr, Atze Schröder, Gaby Köster, die Heute Show, Leute Leute: Wer es sich leisten kann, engagiert ihn als eine Art Versicherung gegen das Lachen im Halse. Er beherrscht den garantierten Schenkelklopfer.

Aber: Wie wird man eigentlich richtig lustig?

Bei Micky Beisenherz, 36 Jahre alt, geboren in Recklinghausen, Abitur in Castrop-Rauxel, liegt die Antwort vor der Haustür, liegt der Humordruck, dieses ständige Gefühl, noch einen raushauen zu müssen, in der Familie. Beisenherz kommt aus einem Mehrgenerationenhaushalt. „Wir haben da gelebt wie die Waltons“, erzählt er, „bei uns ging es immer sehr lustig zu.“ Nicht selten saßen die Familienmitglieder nach dem Abendessen noch lange zusammen. Im Wohnzimmer. Große, schwere Sessel. Große Zeit für Sprüche. „Das war eine Runde wie bei 3nach9, alle erzählten sich Geschichten und verplätteten sich gegenseitig einen.“ Gute Schule. Lernen, wie man einsteckt. Wissen, wie man austeilt. „Da wurde ich schon von meiner mittlerweile 88-jährigen Omma verbal abgeduscht“, erinnert sich Beisenherz. Und wie er das sagt, Omma, legt sich natürlich gleich wieder, wie Kohlestaub, das Ruhrgebiet auf die Silben. Dieser, jahööma, Singsang des Pott. Recklinghausen, Castrop-Rauxel. Hier wird man entweder Fußballer oder Comedian. BVB oder RTL. Vor allem aber sind die Buden, die Imbisse, zwei halbe Hahn, und die Vereinsheime, nichts anderes als Brutkästen der Schlagfertigkeit. „Im Ruhrgebiet“, sagt Beisenherz, „bleiben sich die Leute verbal nichts schuldig. Das ist die Heimat des verbalen Fingerhakelns. Da kommst du ja gar nicht drum herum, dich ständig mit anderen Leuten zu messen.“ Der Fußball, er ist hier Religion, die Pointe aber Nationalsport.

Beisenherz hat kurz versucht, sich dem zu entziehen. Studium der Sozialwissenschaften in Bochum. An der Universität mit der höchsten Selbstmordrate, sagt Beisenherz. Zuerst aber drohte der Humor zu sterben. Er hat dann gemerkt: Das nützt nichts. Da ist etwas, das will raus. Er ging zum Radio. Erst, klein, in Herne. Dann, groß, Radio NRW. „Da stellte sich dann schnell heraus, dass die pointiert humoristische Verarbeitung von Tagesgeschehen mein Steckenpferd ist.“ So kam er, zwangsläufig, zum Fernsehen. Und landete schließlich im Dschungel.

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Dort macht Beisenherz im Grunde nichts anderes als früher beim Radio: Gemeinsam mit seinem Partner Jens Oliver Haas, ehemaliger BILD-Reporter und Ehemann der Moderatorin Sonja Zietlow, verarbeitet er Tagesgeschehen zu Pointen. Und man kann sagen: bisher ist ihm das ganz gut gelungen.

Seit zehn Jahren gibt es das Format, und doch hat sich die Wahrnehmung der Show in den vergangenen drei Jahren noch einmal grundlegend verändert. Ging es anfänglich noch einzig um den Ekel - Maden, Spinnen, Costa Cordalis – und die Lust daran, Menschen beim Kotzfruchtschlucken zuzusehen, rückten mit einem mal die Moderationen in den Vordergrund. Das sauber aufeinander abgestimmte Hin- und Her zwischen Sonja Zietlow und dem mittlerweile verstorbenen Dirk Bach damals, sowie dessen Nachfolger Daniel Hartwich heute. Dieses Wechselspiel aus hämischem Vorschlaghammer und ganz fein gesetztem Seziermesser. Titten und Kinski. Ochsenpimmel und Merkel. Das war in seinen besten Momenten plötzlich Late Night, nur dass im Hintergrund nicht die Skyline Kölns leuchtete, sondern australische Sümpfe dampften. Das Feuilleton schreckte auf. 2013 wurde die Show für den Grimme-Preis nominiert. Und es war nicht ganz klar, ob Haas und Beisenherz nun das Privatfernsehen unterwandert hatten, grenzintellektuelle Guerilla, oder ob es ihnen einfach nur gelungen war, einen dampfenden Haufen Urwaldmüll mit ein wenig bildungsbürgerlichem Zuckerguss so zu kaschieren, dass er auch für die Kritiker verdaulich wurde. Mund auf, Augen zu.

Beisenherz jedenfalls sagt: „Mir wäre es unrecht, wenn der Zuschauer am Ende einer solchen Sendung dümmer nach Hause geht, als er zuvor gekommen ist.“ Das ist der Anspruch, den er an sich selbst stellt. Wobei das im Spannungsfeld einer solchen Sendung, Trash und Pop, Boulevard-Massenware und Kabarett-Delikatesse, natürlich immer auch ein Balanceakt ist. Die Gürtellinie ist hier ein schmaler Grat. Die Quote beginnt meist dahinter.

Das Gagschreiben, wie es Beisenherz beschreibt, ist einem Boxkampf über die volle Distanz nicht unähnlich. Das gibt gerne brachial auf die Zwölf, dann aber wird gleich wieder an den Seilen getänzelt. Humor auf Strecke, nennt er das: „Mein Lieblingsbeispiel dafür sind die Simpsons. Da klatscht der Feuilletonist begeistert in die Hände, weil er im Hintergrund eine wunderbare Hommage an Fritz Langs Metropolis entdeckt hat. Dann bekommt Homer einen Football in die Eier. Und im nächsten Moment gibt es wieder eine Anspielung auf den Fänger im Roggen.“

Viel Zeit für Kunst gibt es im Camp, jeden Tag eine Live-Show, trotzdem nicht. Comedy-Autoren, selbst solche wie Beisenherz, machen im Normalfall eben eher Volksmusik als Jazz. Sie produzieren Witze. „Wir sind vor allem gute Handwerker“, sagt er dann auch, „denn bei einer solchen Schlagzahl von Sendungen sollte man tatsächlich einfach wissen, welche Schublade man in welcher Situation aufziehen muss und was dann da drin liegt.“

Natürlich besteht bei diesem Griff in die Schublade, den Nachtschichten am Humorfließband, auch immer die Gefahr der Nivellierung. Beisenherz ist einer, der gerne mit den großen Themen spielt, sie herunterbricht, um sie anschließend mit dem Geschehen im Dschungel zu verweben. Oftmals ist das virtuos, wunderbar leichtfüßig. Wenn etwa plötzlich der ADAC wie selbstverständlich im Kontext der Dschungelprüfungen einen punktgenauen Seitenhieb erhält. Das sind die großen Momente dieser Show. Ein andermal aber, die Gürtellinie ein schmaler Grat, funktioniert genau das nicht. Dann wird die Burka-Debatte, zusammen mit einem Schlagerhoden, einfach mit einer Kelle Kakerlakensuppe hinunter gespült. Nur: wenn alles gleich witzig ist, ist eben auch alles gleich wichtig.

„Wenn wir jedes Thema auf sein Tragikpotenzial abklopfen, dann brauchen wir tatsächlich länger als fünf Stunden, um eine Sendung zu schreiben“, erklärt Beisenherz, fügt aber auch gleich hinzu: „Wir haben allerdings nicht vor, den Menschen ein falsches Weltbild einzuimpfen. Viel eher geht es darum, einem Thema humoristisch beizukommen.“ Wichtig ist ihm, trotz Trash, trotz Zeitdruck, vor allem die Haltung: „Wir sagen eben auch: kommt uns doch nicht mit so einem Mist wie Sozialtourismus. Da kann man die Leute in unserer Sendung doch auch wunderbar sensibilisieren.“ Die Botschaft, sie schwimmt im Brackwasser der Pointe. So, bitteschön, soll es ja auch sein. Schließlich ist das, was er da macht, eben zuvorderst Unterhaltung. Dem ist er sich, Privatfernsehmann Beisenherz, natürlich bewusst. „Nur zynisch dürfen wir nicht werden“, sagt er schließlich, „Zynismus ist Kapitulation.“ Dann beendet er das Gespräch. Micky Beisenherz, Herr über die Gürtellinie. Muss zurück in den Container. Muss, Grüße an die Mudder, schauen, wo die Schamgrenze in dieser Nacht verläuft.

 

Steckbrief Micky Beisenherz

Micky, eigentlich Michael, Beisenherz wurde am 28. Juni 1977 in Recklinghausen geboren. Nach dem Abitur am Adalbert-Stifter-Gymnasium in Castrop-Rauxel ging er zum Radio. Beisenherz, der bereits für diverse Comedians gearbeitet hat, u.a. Atze Schröder und Dieter Nuhr, ist heute Autor für das RTL-Dschungelcamp,  die Heute-Show und Leute, Leute! Neben seiner Tätigkeit als Gagschreiber steht Beisenherz auch immer wieder selbst vor der Kamera. So moderierte er u.a. Formate auf RTL II oder im ZDF. Zudem ist Beisenherz jede Woche gemeinsam mit der Kollegin Steffie Werner in der Youtube-Show „Halt die Klappe zu sehen.“

Hier finden Sie den Link zur Show.

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