Dschungelcamp (7): Methusalem auf Ecstasy und die grausame Wirklichkeit
Im australischen Busch werden die großen Probleme Deutschlands einem Realitätscheck unterzogen. Mindestlohn? Hier doch nicht! Demografischer Wandel? Nicht mit Walter. Und bei der Frauenquote kommt es knüppeldick. Tag 7 in der Nachlese.
Fast Halbzeit im Dschungelcamp. Bis jetzt entspanntes Dolcefarniente. Die süße Kunst des Müßiggangs. Nur unterbrochen durch ein paar kleine, unbedeutende Einschränkungen. Eigentlich vernachlässigbar. Das Dasein im australischen Busch, ein nie endender Zeitstrom aus Plaudern und Schlafen. Nur Maren kann sich zu etwas Flatulenz aufraffen. Walter hat's ganz genau gerochen. Aber endlich endlich, die triste und graue Deutsche Realität erhebt ihr müdes Haupt und verdunkelt das Shangri-La Down Under.
Erster Einbruch der grausamen Wirklichkeit: wie viel Kohle, Zaster, Knete, Piepen, Schotter oder Pulver bekommt hier jeder für seine Anwesenheit? Mindestlohn? Hier doch nicht. Angelina würde unter 10.000 nicht mal einen Finger rühren. Sara hat in der Zeitung gelesen, das sie entweder 30.000 oder 40.000 bekommt. Und Patricia kippt völlig aus den Latschen. Sie erfährt, wie groß die Besoldungsunterschiede sind. Naiv, verhandlungsunfähig und ohne Manager. Sie hat RTL blind vertraut. Ganz großer Fehler.
Aurelio, der italienische Tattoo-Hengst mit dem Stutengemüt bringt es auf den Punkt: „Wir lesen in irgendwelchen Zeitungen, welche Gage wir bekommen. Du liest Zahlen und denkst dir, für die Gage würde man sich nicht mal bemühen, darüber nachzudenken, ob man hier her kommt.“ So funktioniert er, der böse TV-Raubtier-Kapitalismus. Schade das Gagen nicht nach Aktivitäten im Camp berechnet werden. Angelina, äußerlich unschuldige blonde Prinzessin, zeigt ihre wahre, marktwirtschaftlich geschulte Fratze. Sie will wissen, wie lange sie mindestens im Dschungel bleiben muss, damit ihre Vergütung nicht gekürzt wird. Pragmatismus schlägt Idealismus.
Realitätscheck für die Frauenquote
Zweiter Realitätseinbruch - Deutschland wird immer älter. Kaum junge, aber viel zu viele alte Menschen. Trotz abschlagsfreier Rente mit 63 für wenige müssen die anderen länger arbeiten. Walter würde für einen Job alles tut. Böse Mächte, bestochene Photographen, RTL, Harry Wijnvoord, die Bundesregierung, die NATO und sicher auch die UNO haben das verhindert. Dabei will Walter ja nicht viel. Höchstens „Wer wird Millionär“ oder das reanimierte „Wetten, dass...?“ moderieren. Im Rampenlicht stehen, Aufmerksamkeit bekommen. Dafür würde er alles opfern, sogar seinen Buckel.
Immerhin, eins hat er kapiert. In unserer jugendsüchtigen Gesellschaft dürfen alte Leute alles sein, nur nicht alt. Deshalb springt er vor der Dschungelprüfung, hyperaktiv wie ein hoch-motivierter Methusalem auf Ecstasy herum. Während der Prüfung quatscht er ununterbrochen wie ein junger Radiomoderator vor sich hin. Quantitativer Rededurchfall. Und dann, das Scheitern. Der alte Mann soll altes Gammelfleisch auf eine Waage laden. Walter hat keine Kraft und die vier Operationen der vier Venen sind wohl doch ein zu großes Handicap. Walter erschlurft sich einem Stern und die Gewissheit, das Arbeiten bis ins hohe Alter wohl doch keine so gute Idee ist.
Auch die Frauenquote wird im Camp einem Realitätscheck unterworfen. Oberzicke Angelina, die nur sitzt, liegt, schläft und heult, verlangt von Benjamin, das er ihr ihre Schuhe reichen soll. Weil er das nicht macht, kommt's knüppeldick. Benjamin hätte zwei linke Hände, wäre faul und nicht mal Kavalier genug, um die Tür aufzuhalten. Wer bis jetzt geglaubt hat, RTL würde mit seinem Dschungelcamp nur einen großen Eskapismus-Kindergarten veranstalten, dem wurden am Tag Sieben brutal die Augen geöffnet. Die großen Probleme Deutschlands, im verregneten Australien werden sie tabulos ausgesprochen.