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Herr Lessing und Kira Dorn, so heißen die Fahnder, wenn Christian Ulmen und Nora Tschirner dem Bösen in Weimar auf der Spur sind.
© dapd

"FC Tatort": MDR setzt auf Ulmen und Tschirner als Ermittler

Am zweiten Weihnachtsfeiertag sollen die Jung-Stars Nora Tschirner und Christian Ulmen im Weimarer "Tatort" ermitteln. Eine Mischung aus Krimi und Komödie ist angekündigt. Doch der 26. Dezember ist bei der ARD als Sendetermin gefürchtet - denn es gibt jede Menge Blockbuster-Konkurrenz auf den Privatsendern.

So ein „Tatort“ in Weimar dreht sich doch wie von alleine, oder? Herr Schiller erschlägt Herrn Goethe mit seinen gesammelten Werken. Das Motiv, so findet Herr Lessing heraus, ist eindeutig – Konkurrenzneid unter den Klassikern. An dieser Fiktion stimmt nur ein Faktum, und das ist Herr Lessing. Der ist ein bibliophil gebildeter Kommissar aus Hamburg und kann sich endlich in das Welthauptdorf der deutschen Klassik versetzen lassen. Ein Mord ist geschehen. Über die Leiche beugt sich auch Kira Dorn, Weimarerin von Geburt und neue Kollegin von Herrn Lessing.

Nora Tschirner spielt Kira Dorn, Christian Ulmen spielt Herrn Lessing (der bekommt auch einen Vornamen, aber welchen, darum ringen Ulmen, die Produzenten und die Redaktion des Mitteldeutschen Rundfunks noch). Das Duo ist erst mal kein Duo, „da funkt’s permanent“, sagte Nora Tschirner beim Pressegespräch am Mittwoch in Berlin. „Auch hinter der Kamera“, ergänzte Ulmen. Frau/Mann, Erde/Mond, Alt-Weimarerin/Neu-Weimarer, eine sehr lebhafte und sehr lebendige Beziehung kündigt sich da an. Aber, und das ist den Verantwortlichen des MDR sehr wichtig, der „Tatort“-Zuschauer soll keine Zweiertherapie mit offenem Ausgang miterleben, hinter dessen Rücken Menschen mehr oder weniger sinnfrei gemeuchelt werden; der Krimi in Weimar soll genauso gut durch den Fall und die Fahndung überzeugen. Bipolare Spannung eben. Tschirner sagt, sie sei „Weimar-Fan“, Ulmen war erst einmal dort, als nämlich „alle Irland-Szenen“ für die Verfilmung des Houellebecq-Romans „Elementarteilchen“ in Stadt und Umgebung gedreht wurden.

Wer Tschirner und Ulmen für die höchst erfolgreiche Krimireihe der ARD engagiert, der verfolgt handfeste Interessen. Die 31-jährige Berlinerin, Schauspielerin und Musikerin, und der 37-Jährige aus Neuwied, Schauspieler, Moderator und Produzent, sind über gemeinsame Filme („FC Venus – Frauen am Ball“, „Alice im Niemandsland“) und die MTV-Sendung „Ulmens Auftrag“ zusammengewachsen, mehr als populär, ja Stars in Deutschland geworden.

Wiedemann & Berg Television, verantwortlich für den „Oscar“-Erfolg „Das Leben der anderen“, hat sich deren gemeinsame Strahlkraft zunutze gemacht. Damals, als der MDR den geplanten Thüringen-„Tatort“ öffentlich ausgeschrieben hatte. Die Münchner Produktionsfirma gewann zwar nicht den Auftrag für den Krimi in Erfurt, gleichwohl wollte MDR-Fernsehchef Wolf-Dieter Jacobi nicht länger „schlaflose Nächte“ durchleiden, wenn sich die Dreiländeranstalt das Konzept für einen „Tatort“ aus Weimar inklusive Tschirner/Ulmen entgehen ließe.

Nun war das Krimi-Soll des MDR bereits erschöpft. Zwei „Tatorte“ aus Leipzig, dazu die Novitäten, nämlich ein „Tatort“ aus Erfurt und ein „Polizeiruf 110“ aus Magdeburg, hatten die Etats und die zustehenden Sendeplätze am Sonntag um 20 Uhr 15 im Ersten ausgelastet. Also fand Jacobi bei Christine Strobl, Chefin der ARD-Einkaufsorganisation Degeto, einen Großteil der Produktionsmittel zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Euro und gemeinsam mit ARD-Programmdirektor Volker Herres einen Sendeplatz: 26. Dezember 2013.

Am zweiten Weihnachtstag sendete das Erste meistens „Tatort“-Wiederholungen und nur einmal mit dem HR-Krimi in der Besetzung Nina Kunzendorf/Joachim Król eine Premiere. Der zweite Weihnachtstag ist gefürchtet in ARD-Kreisen, kein gelernter „Tatort“-Termin, meistens kein Sonntag, und dann auch noch in Konkurrenz mit dem „Traumschiff“ des ZDF und den Blockbustern der Privaten. Aber der selbstbewusste MDR traut sich zu, mit einem „Tatort“ aus Weimar dagegenhalten zu können. Fernsehspielchefin Jana Brandt fürchtet auch die Inflation der „Tatort“-Teams nicht. Kira Dorn und Herr Lessing sind Nummer 21. Brandt sieht darin vielmehr die Kraft zur Innovation, zur kontinuierlichen Veränderung, „für neue Farben, neue starke Gesichter“.

Tschirner und Ulmen sollen dafür einstehen. Miteinander und gegeneinander in der Fahndung, verfangen in für das Publikum möglichst unterhaltsamer Kabbelei. Aber nicht mit der Humorspielart, wie sie durch das gewollt Provinzielle im Münster’schen Krimi gepflegt wird, sondern mit dem klassischen Weimar als Hintergrund. Es geht Richtung angeschrägter, angesägter Krimikomödie, Murmel Clausen („Schuh des Manitu“) und Jörg Tensing („Bloch“) sitzen über dem Drehbuch. Weihnachten spielt keine Rolle.

Ob dem „Tatort“ Ende 2013 ein weiterer oder weitere folgen, das wird nicht nach der erzielten Quote am 26. Dezember, sondern weit vorher entschieden. Wenn alle Beteiligten wissen, ob sie dem Publikum einen starken Film bescheren.

Joachim Huber

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