Eklat beim Fernsehpreis: Marcel Reich-Ranicki schlägt Ehrung aus
Der 88-jährige Literaturkritiker sollte in Köln für sein Lebenswerk geehrt werden. "Ich habe nicht gewusst, was mich hier erwartet“, sagte Reich-Ranicki und lehnte die Annahme des Preises ab. Für ZDF-Intendant Markus Schächter, einen der Stifter des Preises, "eine Sternstunde des Fernsehens".
Da war Moderator Thomas Gottschalk ganz kurz sprachlos: Marcel Reich-Reinicki, der am Samstagabend in Köln bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2008 den Ehrenpreis für das Lebenswerk erhalten sollte, schlug diese Ehrung rundweg aus. „Ganz offen gesagt, ich nehme den Preis nicht an. Ich gehöre nicht in diese Reihe“, erklärte der Literaturkritiker bei der Aufzeichung der Preisverleihung, die am Sonntagabend im ZDF ausgestrahlt wird. Der 88-Jährige räumte ein, dass er seine Entscheidung hätte früher bekannt geben sollen, aber „ich habe nicht gewusst, was mich hier erwartet“, sagte Reich-Ranicki.
Die Serien und Shows, die für den Fernsehpreis der großen Senderfamilien ARD, ZDF, Sat1 und RTL nominiert wurden, bezeichnete der seit ehedem streitbare Literaturkritiker schlicht als „Blödsinn“. Thomas Gottschalk, der neben seiner Moderation des Fernsehpreises auch die Laudatio auf den Literaturkritiker gehalten hat, hatte Reich-Ranicki kurz zuvor als faszinierenden Mensch gewürdigt, der Großes für das Fernsehen geleistet und Großes gesagt habe.
Für das Publikum wirkte Reich-Ranickis Entschluss anfangs wie ein Scherz. Nach Gottschalks Laudatio war minutenlanger Beifall gefolgt, bis er dann sagte: „Es ist schlimm, dass ich das erleben musste.“ Er habe viele schöne Fernsehabende, zum Beispiel bei Arte, verbracht, „aber nicht diesen Blödsinn“.
Dass Marcel Reich-Ranicki den Ehrenpreis erhalten soll, war bereits seit Dienstag bekannt. Über ein Jahrzehnt sei „Das literarische Quartett“ der Pflichttermin für Literaturbegeisterte gewesen, hatte der Vorsitzende der Stifter, ZDF-Intendant Markus Schächter die Entscheidung begründet. Reich-Ranicki sei es gelungen, Literatur mit dem Publikum zu vereinen. Stifter des Preises sind neben dem ZDF-Intendanten der Sat-1-Geschäftsführer Matthias Alberti, RTL-Chefin Anke Schäferkordt und WDR-Intendantin Monika Piel. Vor Reich-Ranicki waren schon Kurt Masur, Peter Scholl-Latour, Rudi Carrell und Friedrich Nowottny mit dem Ehrenpreis bedacht worden.
Für die Rettung des Abends können sich die Ausrichter des Preises bei Thomas Gottschalk bedanken, der Marcel Reich-Ranicki gleich mehrere goldene Brücken baute. Zuerst bot sich Gottschalk an, die Trophäe aus Plexiglas an Reich-Ranickis Stelle zu übernehmen, „damit wir nicht mit leeren Händen nach Hause gehen“. Reich-Ranicki nahm das Angebot an: „Ich akzeptiere das. Mal sehen, was daraus wird“, sagte Reich-Ranicki. Schließlich nahm TV-Produzentin Katharina Trebitsch, die Reich-Ranickis Biografie derzeit für die ARD verfilmt, den Preis in die Hand. Danach ließ sich Reich-Ranicki gleich nach Hause fahren. Den Preis hatte ihm Trebitsch aber wieder zugeschoben. Als Gegenleistung dafür, dass Reich-Ranicki den Preis dann doch annehmen sollte, bot ihm Gottschalk an, eine „gemeinsame Sendung mit ihm und einigen TV-Verantwortlichen zu machen“. Zum Konzept wusste allerdings noch niemand etwas zu sagen.
Die Reaktionen auf die Verschmähung des Fernsehpreises fielen nach der Aufzeichnung gemischt aus: ZDF-Intendant Markus Schächter nannte den Auftritt Reich-Ranickis eine „Sternstunde“ des Fernsehens, der ehemalige RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma bezeichnete das Geschehen als hingegen als „pure Comedy“. Sicher ist: Die Einschaltquote bei der Ausstrahlung der Preisverleihung am Sonntagabend um 20 Uhr 15 im ZDF wird eine Traumquote erleben. (mit dpa/ddp).
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