Dating-App "Minder": Männlich, Single, Sunnit sucht
Kennenlernen in einer Bar ist schwierig, die Flirt-App "Tinder" zu oberflächlich: Jetzt soll "Minder" Muslimen bei der Partnersuche helfen.
Kerim ist 29, ledig, gut in Form und wohnt bei seinen Eltern. Er macht gern Sport und interessiert sich für Autos, im Fernsehen sind ihm Dokus lieber als Actionkracher. Er hat studiert und ist fest angestellt. Was man eben so schreibt auf einem Online-Dating-Portal, um der virtuellen Damenwelt zu imponieren. Kerim gibt aber außerdem an: Konfession Sunnit, Gebet: fünfmal täglich, Alkohol verboten. Pilgerfahrt: demnächst – so Gott will.
Kerim nutzt die Dating-Seite „Muslimlife“, die es bereits seit mehreren Jahren gibt und speziell auf Muslime zugeschnitten ist. Abgesehen von den üblichen Angaben zu Äußerlichkeiten, Beruf und Hobbys spielen hier religiöse Werte eine besonders große Rolle. Der Nutzer kann angeben, ob er fastet, regelmäßig Suren im Koran studiert oder darauf achtet, dass seine Lebensmittel „halal“, also vom Islam erlaubt sind. Doch „Muslimlife“ könnte schon bald mobile Konkurrenz bekommen: von „Minder“, einer neuen Dating-App für Muslime. Flirt-Apps wie „Tinder“ und „Grindr“ haben bei Namensgebung und Konzeption geholfen. Die Zielgruppen aber sind völlig verschieden. Während „Tinder“ weltweit mehr als 600 Millionen überwiegend heterosexuelle Nutzer hat, ist „Grindr“ bei Homosexuellen beliebt. Natürlich gibt es auch Muslime, die „Tinder“ nutzen, aber sie fühlen sich dort oft nicht wohl: Die App ist ihnen zu oberflächlich. „Minder“ dagegen soll ein seriöser, digitaler Ort werden „where awesome muslims meet“.
Gegründet hat „Minder“ Haroon Mokhtarzada, ein 35-jähriger Harvard-Absolvent, Sohn afghanischer Einwanderer. Er tat sich selbst schwer, die richtige Partnerin zu finden, denn unverbindliche Flirts bei ein paar Gläsern an der Bar fallen für viele gläubige Muslime schon einmal weg. Mokhtarzada wollte deshalb einen Webdienst konzipieren, der Single-Muslime zusammenbringt. Allerdings auf ernsthafter Basis: Bei „Minder“ soll es nicht nur darum gehen, einen Partner für nur einen Tag, einen Monat oder ein Jahr zu finden. Bei „Minder“, so zumindest Plan und Werbestrategie, sollen zukünftige Ehepaare anbandeln.
Abgeguckt hat Mokhtarzada unter anderem bei „Tinder“, von wo er das „Wisch-Prinzip“ übernommen hat: Man sieht zunächst lediglich das Bild eines potenziellen Partners. Mit einem Wisch auf dem Display nach links verschwindet das Gegenüber in der digitalen Versenkung – ohne die Abfuhr überhaupt zu bemerken. Fühlt man sich dagegen angesprochen, wischt man nach rechts. Wischen beide nach rechts, kommt es zum „Match“: Jetzt kann kommuniziert werden.
So funktioniert prinzipiell auch „Minder“. Dort wird das Bild aber noch durch einen persönlichen Satz ergänzt – ein Gimmick, das Mokhtarzada von „Ishqr“, einer weiteren muslimischen Dating-Plattform, übernommen hat. Außerdem soll bereits vor einem potenziellen „Match“ angezeigt werden, welche Ethnie und welche religiöse Ausrichtung das virtuelle Gegenüber genau hat – also beispielsweise, ob er oder sie Sunnit oder Schiit ist. Ein „Religiositäts-Barometer“ stellt dar, wie ernst es der andere mit dem Glauben nimmt: sehr konservativ oder eher westlich orientierter Kulturmuslim? Was ausgespart wurde, ist die Angabe, ob man sich eine Frau mit Niqab, also Schleier, oder Kopftuch wünscht. Oder der Mann einen Bart haben soll, was unter streng gläubigen Muslimen als religiöse Pflicht gelten kann. Auf der Website „Muslimlife“ kann bisher beides angegeben werden.
Rund 8400 Nutzer, die für die Betaphase „eingeladen“ wurden, kommen sich derzeit mit „Minder“ näher. Bald soll die App auch öffentlich zugänglich sein und in den Stores zum Download bereitstehen; zunächst in den USA und Großbritannien, dann auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Kerim kann seine Traumfrau – die im Übrigen „gerne mal auf den Tisch hauen darf“ – also vielleicht schon bald mit einem Wisch finden. Wäre „Minder“ „Muslimlife“, würde Kerim ankreuzen: So Gott will. Tatjana Kerschbaumer
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