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Medien: Männer sind ein Problem, aber nicht das einzige

Nur wenige Frauen schaffen es in den Sportjournalismus. Und die wenigen haben es besonders schwer

Von Jutta Heess

Es kommt, wie es kommen musste: „Schalke 05“. Die Standardantwort auf die Frage, woran man beim Stichwort „Frauen im Sportjournalismus“ denke. Carmen Thomas’ Versprecher im „Aktuellen Sportstudio“ 1973 hat Langzeitwirkung. Komischerweise erreichten ähnliche Vergehen männlicher Kollegen nicht annähernd diese zweifelhafte Berühmtheit. Oder hat etwa Wolf-Dieter Poschmanns kühne Frage „Und wie sieht’s in Brasilien aus, dem Mutterland des Fußballs?“ wie im Fall Thomas dazu geführt, dass er freiwillig die „Sportstudio“- Moderation niederlegt und Bücher über die heilende Kraft des Urins schreibt? Man muss keine Krümelsucherin sein, um festzustellen: Frauen im Sportjournalismus haben es nicht leicht. Und sind wohl deshalb ein überschaubares Grüppchen.

Nur sieben Prozent der deutschen Sportjournalisten sind weiblich – eine Wahnsinnsquote, wenn man den Stand der Dinge vor knapp vierzig Jahren vor Augen hat: „1966 gab es in Deutschland etwa vier bis fünf Sportjournalistinnen“, erinnert sich Christiane Moravetz, Sportredakteurin bei der „FAZ“. Eine davon war sie. Dabei wollte ihr Vater – der Sportreporter Bruno Moravetz –, dass sie einen „anständigen Beruf“ lernt und Lehrerin wird. Die Tochter ließ sich nicht beirren und wurde zur „Exotin“, wie die 55-Jährige sagt. Tatsächlich gibt es auch heute weitaus mehr Lehrerinnen als Sportjournalistinnen. „Sport hat bei Frauen eben nicht den Stellenwert“, sagt Ulrike Spitz von der „Frankfurter Rundschau“. „Die meisten Frauen interessiert es einfach nicht, wer Trainer von Bayern München ist.“

Ist das schwache Geschlecht selbst schuld an der sportmedialen Unterlegenheit? Michael Gernandt, Sportchef der „Süddeutschen Zeitung“, vermutet, dass das Interesse der Frauen nicht groß ist. Weibliche Bewerberinnen für die Sportredaktion gebe es selten. „Vor drei Jahren wollte ich eine Frau einstellen, kurz vor Vertragsunterzeichnung hat sie aber abgesagt.“ Aus Angst vor der eigenen Courage, vermutet er. Sie wäre immerhin die erste fest angestellte Sportredakteurin in der Geschichte der „Süddeutschen Zeitung“ gewesen. Der Titel ist noch immer zu holen.

Neben dem weiblich- sportlichen Interessenkonflikt hält offensichtlich die Furcht vor Athleten und Kollegen Frauen vom Sportjournalismus ab. „Es ist nicht einfach, sich in der Männerdomäne Sport zu behaupten“, gibt Ulrike Spitz zu.

Seit über 20 Jahren ist die ehemalige Leistungssportlerin im Geschäft und kann einige Anekdoten erzählen. Zum Beispiel, dass ein Trainer ein Gespräch mit den Worten ablehnte: „Wenn eine Frau kommt, dann sage ich nichts.“ Oder dass sie allein in der Redaktion saß und ein Autor sagte: „Ach, ist ja gar niemand da.“ Christiane Moravetz und ihre einzige Kollegin in der „FAZ“- Sportredaktion werden heute noch manchmal für Sekretärinnen gehalten. „Man muss sich eben durchsetzen“, sagt Moravetz. „Außerdem haben viele Frauen eine falsche Vorstellung von dem Beruf und denken, sie müssten in den Umkleidekabinen nackte Fußballer interviewen.“ Zu diesem Bild trägt ein aktueller Fall einiges an Schärfe bei: Lisa Olson, amerikanische Sportreporterin, verklagte gerade eine komplette Footballmannschaft wegen sexueller Belästigung.

Im Gegenzug bekommen Frauen jedoch gerade wegen ihres Geschlechts bisweilen die Chance zum Aufstieg im Sportressort. Alibi-Damen, möchte man meinen. Oder Zuschauerfängerinnen. Hier sorgen zum Beispiel die Ex-Athletinnen Kristin Otto und Franziska Schenk für eine ansehnliche Frauensportquote der Öffentlich-Rechtlichen. Nicht zu übersehen ist auch die junge und sehr talentierte Reporterin Jana Thiel.

Monica Lierhaus macht bei ihrer Moderation der Bundesligasendung auf Premiere eine ganz gute Figur. Und darauf kommt es an. Erfahrungen zeigen, dass sich die jungen Repräsentierdamen schon mal drauf einstellen können, dass erste Falten zur Auswechslung führen werden. Magdalena Müller oder Sissy de Mas etwa mussten diese bittere Pille schlucken. Ex-„Sportstudio“-Moderatorin Doris Papperitz lebt heute im Alter von 53 Jahren im Vorruhestand in Marbella. Den Absprung ins frauenfreundlichere und über längere Sicht wohl karrierestabilere Politikressort haben indes Anne Will und Maybrit Illner geschafft – beide haben ihre Laufbahn als Sportjournalistinnen begonnen.

Apropos lange Sicht: „Sportjournalismus ist nicht familienfreundlich“, sagt Astrid Rawohl, einzige Frau in der Sportredaktion des Deutschlandfunks. Sportveranstaltungen finden hauptsächlich am Wochenende oder am Abend statt. Distanzieren sich deshalb viele Frauen von der aktuellen Berichterstattung und beschäftigen sich mehr mit Hintergrundstorys und bunten Geschichten? „Ja, aber nicht nur freiwillig. Sie werden in diese Nischen gedrängt.“ Fußball sei immer noch die „heilige Kuh“ der Männer, aber auch in der Formel 1 oder in der Leichtathletik hätten Frauen Schwierigkeiten sich zu etablieren.

Was wiederum dafür sorgt, dass Frauen oft engagierter an ihre Aufgaben herangehen als Männer. „Gerade weil sie wissen, dass sie es schwer haben“, sagt Ulrike Spitz. Christiane Moravetz bestätigt: „Weil man Frauen im Sportjournalismus weniger zutraut, strengen sie sich umso mehr an.“ Was doch bedeuten würde, dass die wenigen Damen die besseren Sportjournalisten sind?

Berühmt werden sie damit jedenfalls kaum: Die Internet-Suchmaschine Google kennt 19 „bekannte Sportjournalisten“, aber nur eine „bekannte Sportjournalistin“, die WDR-Reporterin Sabine Hartelt.

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