Chaos im Kiez: Männer, die auf Fliesen starren
„Wir machen durch bis morgen früh“ ist ein saukomischer ZDF-Film. Männer, Frauen, Fliesen, darum geht es. Und um Baby Bobby, das der junge Vater Ali aus den Augen verliert
Ali kommt nicht von der Fliese. Er ist nur angeheiratet. „Das ist das Problem“, sagt Kiezgröße Rocky Harkensen (Armin Rohde), in dessen Etablissement sowohl Kampfhunde als auch Bürgermeister gefährlich ins Rutschen geraten. In dem einst für solide Handwerksarbeit bekannten Familienunternehmen Struttmann hat Ali (Fahri Yardim), der Ehemann der Unternehmertochter Melanie (Heike Makatsch), das Ruder übernommen. Die Qualität der Struttmann’schen Ware lässt seitdem zu wünschen übrig, aber Harkensens nachdrücklich vorgetragener Wunsch nach Fliesen-Neu-Verlegung kommt gerade ungelegen: Denn Ali muss am Wochenende allein auf Baby Bobby aufpassen, weil sich Melanie ein Wellness-Wochenende mit zwei Freundinnen gönnen will.
Die abgepumpte Muttermilch steht ordentlich portioniert im Kühlschrank, die Fläschchen sind mit Merkzettel-Anweisungen zur genauen Verabreichung versehen – alles ist bestens vorbereitet für Alis familiäre Reifeprüfung. Aber der hat nicht nur den humorlosen Harkensen an den Hacken, sondern auch noch seine Kumpel. Was eine mindestens ebenso große Gefahr für ein solides Wochenende darstellt. „Nur auf ein Bier“ will sich Ali einlassen. Klar, was dann passiert: Nach allen Regeln der Komödienkunst wird sein Zuhause zerlegt, gerät seine Bewährungsprobe als junger Vater zu einem fürs Publikum amüsanten Albtraum. Samt Entführung, einer unverhofften Strip-Nummer und einem gefliesten Happy End. Was für eine saukomische Reise durch die Hamburger Nacht.
Autor und Regisseur Lars Becker („Nachtschicht“) hat wieder ganze Arbeit geleistet. Obwohl nicht alles perfekt ist: Wenn es das Drehbuch verlangt, liegt auch mal ein herrenloses Fahrrad im Gebüsch bereit. Und die weiblichen Rollen fallen ab, sind deutlich blasser. Die drei Freundinnen bleiben dann doch in Hamburg, weil ihr Flug nach Ibzia gestrichen wird, und beschließen, die Nacht bis zum nächsten Flieger durchzumachen. Ohne natürlich ihren Männern Bescheid zu sagen. Das Abenteuer hält sich in vergleichsweise artigen Grenzen: Schnaps, Karaoke, falsche Perücken und ein bisschen weibliche Eitelkeit.
Die Jungs geben hier den besseren Katastrophenstoff her. Genüsslich, aber ohne jede Häme spielt Becker mit den Klischees männlicher Unzulänglichkeiten, wobei sich der Humor weniger durch krachende Pointen, sondern aus den Figuren selbst heraus entwickelt. Alis Freunde sind Mike (Matthias Koeberlin) und Hakan (Tristan Seith), die zugleich auch die Gatten von Melanies Freundinnen sind. Hakan ist angeblich ein ehemaliger Spitzenkoch, dem nun eine Dose Chili con Carne genügt, um Klamotten und Küche zu ruinieren. Mike ist in der Solarbranche, fährt grundsätzlich nur 40 Stundenkilometer schnell und gibt auch gegenüber seiner Frau gerne klein bei. Umso entschlossener präsentiert er sich als Kerl, der weiß, wo’s im Beziehungsalltag langgeht: „Du brauchst deine Ecke, die musst du verteidigen bis aufs Blut.“
Auf die Spitze treibt Becker seine maskuline Horrorshow mit dem dauerbekifften Georgie Wummer (Maximilian Simonischek), der Nummer vier im Freundesquartett. Wummer ist ein verurteilter Drogenhändler auf Freigang, der dank seiner Fußfessel überall Geheimdienste am Werk vermutet. Vor allem aber ist er ein tollpatschiger Kindskopf, der eine Schneise der Zerstörung hinterlässt. Nur manchmal scheint der unentwegt fantasierende Wummer klarzusehen – leider dann, wenn die anderen gerade nicht hingucken. Die Zubereitung seiner einzigartigen „Uganda-Mische“ macht ihn jedenfalls als Fernseh-Drogenkoch unsterblich.
Es sind die vielen skurrilen Details, die sympathischen Absonderlichkeiten der Figuren und die komödiantische Spielfreude des Ensembles, die diesen Film über die eine oder andere klamaukähnliche Untiefe tragen. Lars Becker hat ein außergewöhnliches Auge für Typen und komische Situationen. Das zahlt sich gerade in den funkelnden Nebenrollen aus: Catrin Striebeck ist die neugierige Nachbarin „Uta, das Auge“, Tedros Teclebrhan ein eigenwilliger Taxifahrer und Nicholas Ofczarek der herrlich verrückte Anwalt, der Melanie schöne Augen macht, um ihr ein Übernahmeangebot schmackhaft zu machen. Da klingt sogar das Wort „Synergieeffekte“ wie der Gipfel erotischer Erfüllung.
„Wir machen durch bis morgen früh“, ZDF, Montag, 20 Uhr 15
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