Fast 30 Jahre nach "Tatort: Reifezeugnis": Mala Emde ist die neue Sina
Der ZDF-Thriller „Todeswunsch“ erinnert an den „Tatort“-Klassiker von 1977. Wieder ist es eine "Sina", die eine Beziehung mit ihrem Lehrer eingeht.
Da hat sich offenbar ein Team gefunden: Regisseur Thomas Berger und Autor Mathias Klaschka ist schon mit dem kürzlich ausgestrahlten Zweiteiler „Solo für Weiss“ ein sehenswerter ZDF-Thriller gelungen. „Todeswunsch“, der dritte Film aus der Reihe „Neben der Spur“, ist allerdings schon vorher entstanden.
Das Qualitätsniveau der Filme ist jedoch identisch; außerdem knüpfen Berger und Klaschka nahtlos an die beiden früheren Episoden der Reihe („Adrenalin“, „Amnesie“) an, die vom Kinoduo Cyril Boss und Philipp Stennert geschrieben und inszeniert worden sind. Berger hat zwar Kameramann Frank Küpper mitgebracht, mit dem er seit einigen Jahren regelmäßig zusammenarbeitet, aber für Kontinuität sorgt neben dem Cutter Lucas Seeberger vor allem Christoph Zirngibl, dessen Musik großen Anteil daran hat, dass auch die dritte Verfilmung eines Romans von Michael Robotham ein ungeheuer spannender Krimi ist.
Thriller pur
Die Geschichte über eine Schülerin, die in ihren Lehrer verliebt ist, erinnert von Ferne an Wolfgang Petersens „Tatort“-Klassiker „Reifezeugnis“ (1977), zumal die Mädchen in beiden Fällen Sina heißen. Diesmal ist die Handlung aber deutlich komplexer. Der Auftakt ist Thriller pur: Eine junge Frau hetzt in Panik durch den Wald. Die Hauptfigur, der Hamburger Psychiater Jo Jessen (Ulrich Noethen), wird mit einem Gerichtstermin eingeführt: Ein junger Mann, der wegen der brutalen Vergewaltigung einer 16-Jährigen im Maßregelvollzug einsitzt, ist nach Ansicht seiner Therapeutin (Christina Hacke) geheilt. Jessen hat Zweifel und treibt den Mann mit seinen Fragen in die Enge; entlassen wird er trotzdem.
Mit dem eigentlichen Plot hat die Anhörung scheinbar nichts zu tun, aber selbstredend taucht der unheimliche Zeitgenosse später wieder auf und sorgt dafür, dass Jessens Familie nicht bloß mit dem Schrecken davonkommt. Auch der Psychiater wird beinahe Opfer eines Mordversuchs.
Im Anschluss an das Gespräch holt Jessen seine Tochter Charlotte (Lilly Liefers) und ihre beste Freundin Sina (Mala Emde) von der Theater-AG ihrer Schule ab. Später nimmt der Film die Eingangssequenz wieder auf und erzeugt mit einer immer schnelleren Schnittfrequenz eine enorme Spannung, die darin mündet, dass Sina blutbeschmiert vor der Tür der Jessens steht, um jedoch gleich wieder in Panik davonzulaufen. Daheim liegt derweil ihr Vater, ein Ermittler aus dem Drogendezernat, erstochen in ihrem Zimmer.
Weit mehr als übliche Krimihandlung
Für Kommissar Vincent Ruiz (Juergen Maurer) ist der Fall klar, erst recht, als sich rausstellt, dass der Mann offenbar jahrelang seine beiden Töchter missbraucht hat: Das Mädchen, das sich an nichts erinnern kann, hat den Kollegen mutmaßlich in Notwehr getötet. Jessen glaubt das nicht, und seine Skepsis bekommt zusätzliche Nahrung, als er Sinas Lehrer Gregor Engels (Fritz Karl) kennenlernt und rausfindet, dass die gegenseitige Zuneigung der beiden über die übliche Beziehung zwischen Lehrer und Schülerin hinausging. Obwohl Jessen den ebenso charismatischen wie manipulativen Pädagogen durchschaut, fällt er auf seine Provokationen rein.
Das mag nach üblicher Krimihandlung klingen, aber „Todeswunsch“ ist weit mehr als das. Schon allein die Umsetzung durch Berger, der unter anderem die Reihe „Kommissarin Lucas“ maßgeblich geprägt hat, ist auch dank des Zusammenspiels von Kamera, Schnitt und Musik bestes Thriller-Handwerk.
Die darstellerischen Leistungen stehen dem in nichts nach. Gerade das Gespann Noethen/Maurer erweist sich erneut als großartige Kombination. Nicht minder famos ist Mala Emde, die sich seit ihrer Titelrolle in „Meine Tochter Anne Frank“ (2015) mehr und mehr zum kommenden Star entwickelt, was sie auch zuletzt in einem „Tatort“ aus Kiel („Tatort: Borowski und das verlorene Mädchen“) nachdrücklich bestätigt hat.
Da sich Ruiz zudem bemüht, wieder einen besseren Draht zu seiner Tochter zu bekommen, gibt es noch eine dritte Vater/Tochter-Ebene. Annika Schrumpf hat bereits in einigen ZDF-Filmen gezeigt, was sie kann („Katie Fforde: Mein Wunschkind“, „Tod eines Mädchens“) und hinterlässt in ihren wenigen Szenen so viel Eindruck, dass Ruiz schon allein deshalb unbedingt mehr Zeit mit Nina verbringen sollte.
„Todeswunsch“, Montag, ZDF , 20.15 Uhr