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Die abgewetzte Jacke gehörte zu Götz Georges Schimanski wie der Schnurrbart.
© WDR/Uwe Stratmann

Götz George 2013 im Interview: „Macht euren Scheiß alleine“

Götz George ist tot. 2013 führten wir mit dem Schauspieler ein Gespräch über Stunts mit 75, Ärger mit der ARD, Tod und letzte Worte.

Zum 46. Mal seit 1981 kämpfte Horst Schimanski 2013 in Duisburg gegen das Verbrechen. In der Folge „Loverboy“ suchte er nach einem verschwundenen Mädchen, das sich in einen Zuhälter verliebt hatte. Vor der Erstausstrahlung sprachen wir mit dem Schauspieler. Anlässlich seines Todes veröffentlichen wir das Interview erneut.

Herr George, Schimanski hat in „Loverboy“ eine Rauferei mit zwei kräftigen Jungs. Am Ende krachen Sie rücklings auf eine Tischplatte. Man hat da als Zuschauer ein bisschen Sorge um Sie.
In dem Fall ist es blöd gelaufen, weil der Tisch nicht richtig präpariert war.

Sie haben sich verletzt?
Es hat wehgetan. Dann merkt man, dass man älter wird, aber man will es natürlich nicht zugeben.

Wie oft mussten Sie diese Szenen drehen?
Die ganze Szene mit den verschiedenen Einstellungen zog sich über einen dreiviertel Tag, da braucht man schon gute Kondition.

Macht Ihnen das noch Spaß?
Wenn ich in zwei Jahren nach anderen Filmen mal einen „Schimanski“ drehe, kann ich wieder so einen Haudrauf spielen, weil man dabei auch sein Alter reflektiert. Kann ich das überhaupt noch? Glaubt man dem noch, dass der zwei so Knalltüten umhaut? Vielleicht kommt er nicht mehr ungestraft davon. Das ist ja viel spannender, als wenn er permanent als strahlender Held ohne Blessuren herumläuft.

1981 lief der erste „Schimanski-Tatort“. Was bedeutet es, heute einen „Schimanski“ zu drehen?
Pure Freude! Wenn man älter wird, freut man sich über alles, was einem im Leben noch Gutes widerfährt. Auch wenn man diese Figur immer wieder auf die Bühne bringt, verliert sie nicht den Reiz des Neuen. Man fängt jedes Mal von vorne an, sie neu auszuloten. Ich freue mich jedes Mal auf Duisburg, und die am „Schimanski“ Beteiligten geben mir immer wieder ein wohliges Gefühl. Grundsätzlich ist es immer die Liebe zum Beruf, die Anerkennung, der Spaß. Denn es ist ja doch alles ziemlich gnadenlos geworden, ziemlich egoistisch, alle sind mit sich selbst beschäftigt. Wir leben in einer unkünstlerischen, menschenverachtenden Zeit. Dass ich vor 30 Jahren nach Sardinien gegangen bin, war mein Glück. Dort zu leben, hat mich wieder eingepegelt. Ich bin eben introvertiert. Nicht auf allen Hochzeiten zu tanzen, hat sich in meinem Beruf als sehr positiv herausgestellt.

Aber das bleibt doch nicht aus, wenn man erfolgreiche Filme dreht.
Eben nicht. Haben Sie mich schon einmal auf dem roten Teppich gesehen? Beim Deutschen Fernsehpreis war ich der Erste, der weg war. Ich kriege einen Preis für eine Leistung, die ich erbracht habe. Danke schön, das war's. Wem bin ich denn verpflichtet?

Haben Sie sich schon mal mit der Frage beschäftigt, wie diese Reihe einmal enden könnte, wie sich Schimanski verabschiedet?
Nein, der Schimanski verabschiedet sich nicht. Warum sollte er? Das ist wie im Leben, man geht einfach.

Sie sind in diesem Jahr 75 geworden, im Fernsehen lief „George“, ein Dokudrama, in dem Sie Ihren Vater Heinrich George spielten. War das ein besonderes Jahr für Sie?
Nein. Aber die „George“-Produktion war für mich ein großes Erlebnis. Die Vorarbeiten zogen sich über Jahre, dann hat es Gestalt angenommen, und wir hatten von der Produktionsfirma Teamworx sehr gute Bedingungen. Für eine solche Zusammenarbeit lohnt sich der Beruf, deswegen war das ein wirklich guter Lebensabschnitt.

Ist es Ihnen gelungen, das Bild von Heinrich George, das ja auch durch die Beteiligung an Nazi-Durchhaltefilmen geprägt ist, in der Öffentlichkeit zu verändern?
Das kann ich nicht beantworten. Das Einzige, was ich wollte, war eine bessere Sendezeit. Dass der Film nicht an meinem Geburtstag in der Urlaubszeit im Sommer versendet wird, sondern am 9. Oktober, am Geburtstag meines Vaters. Doch die Großkopferten der ARD haben entschieden: „Nein, das bleibt so“. Am Ende haben den Film im Ersten 1,9 Millionen Zuschauer gesehen – toll! So ist das, deswegen muss man sich ausklinken, nach Sardinien gehen und sagen: Macht euren Scheiß alleine.

Niedrige Quoten sind dann doch ärgerlich?
Ich habe mich vor allem für Regisseur Joachim A. Lang geärgert. Der hatte lange an dem Stoff gearbeitet, hatte mich dann endlich überzeugt, meinen Vater zu spielen – aber diese Anerkennung für seine Arbeit haben sie ihm versagt.

In einer Verhör-Szene in „George“ sagt der sowjetische Offizier zu Ihrem Vater: „Hier geht es nicht um Theater, hier geht es um die Wahrheit.“ Und Heinrich George antwortet: „In der Kunst liegt die Wahrheit.“ Stimmen Sie dem zu?
Ja, die Kunst hat uns immer beflügelt, hat sich Jahrtausende gehalten. Warum? Weil die Kunst der ausgleichendste, wahrhaftigste Moment ist. Die Kunst, ob das nun Bücher sind, Bilder oder auch Filme und Theater, war immer das Bindeglied zwischen den Menschen. Und das droht uns durch unseren Egoismus immer mehr zu entgleiten.

Sie sind nicht abgeklärter, sondern zorniger geworden, oder?
Zum Zorn gehört Kondition. Die habe ich gar nicht mehr. Zorn bedeutet auch Lebensverschleiß. Nein, du wirst traurig. Man könnte fair sein und sagen: Jede Zeit hat ihre Schönheit in der Kunst. Aber dazu bin ich nicht bereit, die Erinnerung ist eben stärker als das, was ich heute geboten bekomme.

Gibt es noch etwas Unerledigtes? Noch eine Rolle, die Sie spielen wollen?
Nein. Viel leben, das ist noch nicht ganz erledigt. Aber ich bin da Fatalist, wenn's passiert, passiert's. Ich wollte immer gut sein, aber ich war nie ehrgeizig. Dieser Ehrgeiz fehlt mir jetzt auch zum Abschluss, wo ich die Ziellinie sehe. Da kann ich doch drüberspazieren, da muss ich nicht laufen. Stell dir vor, du fährst mit Ehrgeiz in die Grube, das wäre fürchterlich.

Sie sind als Schauspieler schon viele Tode gestorben. Erleichtert das die Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit?
Nein, man macht sich lustig darüber. Wenn's dir ganz schlecht geht, werde ich wahrscheinlich der Einzige sein, der sagt: „Entschuldigt bitte, ich muss ein bisschen die Luft anhalten. Aber seid nicht böse, wenn ich dann nicht mehr anfange zu atmen.“ Das wird wahrscheinlich mein letzter Satz sein (lachend). Ich denke ganz wertneutral an den Tod. Nur in Sardinien sage ich: Es ist schade, das irgendwann nicht mehr zu haben, diese Einsamkeit, diesen Horizont. Das sind die Momente, in denen sich der Tod einschleicht. Aber dann denke ich: Dieser Felsen da, den gibt es schon seit Tausenden von Jahren, der bleibt. Nur ich bin weg.

Wollen Sie auf Sardinien begraben werden?
Nein. (Pause) Das ist natürlich pervers, wir reden hier die ganze Zeit über Tod...

Nicht die ganze Zeit!
Kein Problem, ich kann damit umgehen.

GÖTZ GEORGE wurde in Berlin geboren und feierte am 23. Juli 2013 seinen 75. Geburtstag. An diesem Tag zeigte das Erste den Film „George“, in dem Götz George seinen Vater, den Schauspieler Heinrich George, spielt. Götz George erhielt dafür den Deutschen Fernsehpreis 2013 – nur eine von seinen zahlreichen Auszeichnungen. Für sein Lebenswerk wurde er bereits mehrfach geehrt, 2013 mit dem Deutschen Schauspielerpreis. Den Ermittler Horst Schimanski spielte er 1981 zum ersten Mal, 1991 war der letzte „Tatort“ mit Schimanski zu sehen, 1997 wurde die Figur reanimiert. Seither läuft „Schimanski“ unregelmäßig.

Thomas Gehringer

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