Wirbel um TV-Auftritt: Lust an der Provokation – wer ist Elke Heidenreich?
Elke Heidenreich hat bei „Markus Lanz“ für Aufregung gesorgt. Um ihren Auftritt besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick in ihre Vergangenheit.
Rückblende aus gegebenem Anlass, vor rund 40 Jahren. Elke Heidenreich im Fernsehen als Else Stratmann über die Hochzeit von Fürst Rainier und Grace Kelly 1956 in Monaco: In der Kirche waren da auffällige Ägypter und Araber, „die haben sich ja nie vertragen in Arabien“.
Ja, und später Rainiers Schwiegersohn, der hätte dann ja auch sofort etwas gehabt mit einer Brasilianerin, „einem Halbblut oder so was“. Überhaupt, diese Grimaldis. Rainier hätte sich nach Grace Kellys Tod beinahe mal zeitweise eine „Dunkle“ zugelegt, damit er nicht so schmerzlich einsam ist.
Stereotype, Klischees, Vorurteile, Verkürzungen, Else Stratmann – vielleicht muss man sich diese Sätze der erfolgreichen Kunstfigur, der schnoddrigen Metzgersgattin aus Wanne-Eickel aus den 1970ern und 80ern, in Erinnerung rufen, um Heidenreich und die Aufregung wegen ihrer Äußerungen bei Markus Lanz am Dienstagabend besser zu verstehen.
Die 78-Jährige hatte sich bei Lanz zu den Geschehnissen um die Grünen-Politikerin Sarah-Lee Heinrich geäußert und sich auf die Seite der Kritiker der 20-Jährigen geschlagen.
Heinrich war am Samstag zur Bundessprecherin der Grünen Jugend gewählt worden – und erlebt nun einen Shitstorm. Es geht auch um Tweets, die sie im Alter von 13, 14 Jahren geschrieben hat und die als rassistisch und sexistisch empfunden werden. Sie hat sich für diese Einlassungen entschuldigt und sich von ihnen distanziert – und sich für Tage aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, nachdem sie Morddrohungen erhalten hatte.
[Lesen Sie hier ein Porträt über Sarah-Lee Heinrich: „Ich war schon immer streitlustig“ (T+)]
Heidenreich sagte nun bei Lanz über Heinrich, „sie hat überhaupt keine Sprache (...). Das sind wieder Kinder, die nicht lesen, das ist diese Generation, von der ich immer wieder merke, wie sprachlos sie ist, wie unfähig mit Worten umzugehen.“ Heidenreich habe „das Gefühl, dass das ein Mädchen ist, das nicht genug nachdenkt“.
In der Zeit wurde Heidenreich zu einer einflussreichen Literaturkritikerin
Es mache sie skeptisch, so Heidenreich mit Blick auf die Wahl Heinrichs ins Spitzenamt der Grünen Jugend, „dass man erst mal sagt, Hauptsache divers, Hauptsache Migrationshintergrund, Hauptsache Quote“.
Dem Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der darauf hinwies, dass „diese Menschen“ in bestimmten Positionen die permanente Frage nach der Herkunft als „Ausgrenzen und diskriminierend“ empfänden, entgegnete sie, das sei aus ihrer Sicht „völlig unsinnig“.
„Wenn einer aussieht wie sie, frage ich natürlich, wo kommst du her oder wo kommen Sie her – und zwar nicht, um sie zu diskriminieren.“ Sondern, „weil ich sofort sehe, die kommt nicht aus Wanne-Eickel oder Wuppertal, sondern die hat Eltern, die von woanders kommen.“ Und die Frage „Wo kommst du eigentlich her?“ gegenüber einem „netten dunkelhäutigen Taxifahrer“, der perfekt Köln spricht, das empfinde sie nicht als diskriminierend.
Nun, der Taxifahrer vielleicht schon, so auch der kritische Tenor bei Social Media. Dass das Ganze auf einem Panel von fünf weißen Menschen stattfand, die über eine Schwarze Frau sprechen, wird ebenfalls als problematisch empfunden. Der Social-Media-Storm nimmt seitdem kein Ende. Heidenreich unter Rassismusverdacht.
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Wo kommt das her? Wie tief ist das drin? Wem und wie vielen spricht sie aus dem Herzen? Starke Irritationen, um es vorsichtig auszudrücken. Bleibt der Verweis auf die schwadronierende Else Stratmann, mithin ein Blick auf Heidenreichs Vita: Studium der Germanistik, Publizistik, Theatergeschichte und Religionswissenschaft, die Erfindung der kleinbürgerlich-schnoddrigen Kunstfigur, Schriftstellerin mit Büchern über Musik, den Rhein, Erfundenes und Autobiografisches, Moderatorin zahlreicher TV- und Hörfunksendungen mit der ZDF-Sendung „Lesen!“ von 2003 bis 2008 als Höhepunkt, Grimme-Preis-gekrönt.
In dieser Zeit wurde Heidenreich zu einer einflussreichen Literaturkritikerin. Wenn Heidenreich dann mal wieder in Talkshows eingeladen wurde, merkte man: Die will gehört werden, da ist Dampf im Kessel, mit Lust an der Provokation, auch rechthaberisch – was nun wieder von der Social-Media-Bubble dankbar aufgenommen wird.
Nun, zumindest das hat Elke Heidenreich erreicht: Ihre Einlassungen bei „Markus Lanz“ wurden tausendfach geteilt und kommentiert.
In einer ersten Fassung des Textes wurde behauptet, Heinrichs Tweet von einer „eklig weißen Mehrheitsgesellschaft“ sei im Alter von 13, 14 Jahren geschrieben worden. Dies trifft nicht zu. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.