Brandenburg: Lokal-TV verklagt Medienanstalt - wegen Sexismus-Rüge
Die Medienanstalt rügte einen Lokal-TV-Sender in Brandenburg - wegen eines sexistischen Beitrags. Nun klagt der Sender und findet: Ein Facebook-Film ist kein Rundfunk.
Erst ein sexistischer Beitrag über die Mitarbeiterin eines Landtagsabgeordneten, dann eine Rüge des Medienrats der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) – und nun geht der private lokale Fernsehsender SKB TV aus Brandenburg/Havel dagegen vor. Vor dem Verwaltungsgericht Berlin hat der Sender, gegründet von Klaus-Peter Tiemann, dem Gatten der früheren Oberbürgermeisterin und CDU-Bundestagsabgeordneten Dietlind Tiemann, Klage eingereicht.
Demnach soll das Gericht die Rüge des Medienrates aufheben. Zudem soll der Medienrat auch die entsprechende Pressemitteilung zur Rüge zurückziehen. Der Sender wirft dem Medienrat vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben und wie eine „Geschmackspolizei“ vorzugehen. Im Kern geht es um die Frage, ob die Medienanstalt journalistische Standards nicht nur im Rundfunk, sondern auch in Beitragen überwachen darf, die von Sendern nun auf ihren eigenen Internetseiten oder bei sozialen Medien verbreiten.
Kameraschwenk auf Gesäß und Dekolleté
Der Medienrat hatte im März in seiner Rüge festgestellt, dass der Beitrag „über die jüngste Mitarbeiterin im Brandenburger Landtag“ eine sexualisierte Darstellung der jungen Frau enthalten habe. Konkret ging es um "Kameraschwenks auf und Nahaufnahmen von Gesäß und Dekolleté" der Mitarbeiterin. Zudem entspreche die "weitgehend undifferenzierte Darstellung von – männlichen wie weiblichen – Geschlechterklischees und Rollenbildern", nicht den üblichen journalistischen Standards.
Zugleich hatte der Medienrat den Lokalsender aufgefordert, künftig eine formal wie inhaltlich angemessene und diskriminierungsfreie Berichterstattung sicherzustellen. Die MABB ist die gemeinsame Medienanstalt der Länder Berlin und Brandenburg. Sie lizensiert die privaten Rundfunk- und TV-Sender in der Hauptstadtregion und überwacht die Einhaltung der Programmgrundsätze.
Der Sender selbst bezweifelt, dass der Medienrat der MABB überhaupt zuständig ist für den Fall. Denn der sexistische Beitrag war nicht über das Kabelfernsehen, sondern nur auf Facebook sowie über die Mediathek des Senders verbreitet worden. Nach dem Rundfunkstaatsvertrag habe der Medienrat gar nicht die rechtliche Kompetenz, dem Sender wegen des Beitrags eine Rüge zu erteilen, finden die Anwälte des Senders.
Dennoch nehme sich der Medienrat das Recht heraus, einen Verstoß gegen journalistische Standards feststellen. Der MABB stehe nach dem Gesetz auch gar keine inhaltliche Beanstandung zu. Es entstehe der Eindruck, als wolle die Medienanstalt "Geschmacksfragen" zu Gesetzesverstößen erheben. Bei Facebook handle es sich nicht um Rundfunk. Und der Beitrag enthalte keine Gesetzesverstöße.
Regelungslücken im Internet
Zudem, so lautet der Vorwurf des TV-Senders, versuchten der Medienrat der mabb wie auch andere Landesmedienanstalten, ihren Einfluss auszuweiten. Sie arbeiteten daran, im Bereich der Regulierung von Internetveröffentlichungen ihre Kompetenzen zu erweitern. Und sie hätten bereits Bußgelder gegen Blogger und Influencer etwa bei Youtube wegen angeblicher Verstöße gegen die Werberegeln des Rundfunkstaatsvertrags erhoben.
Die Medienanstalt habe bereits selbst beklagt, dass „die Einhaltung der journalistischen Grundsätze bei journalistische-redaktionell gestalteten Onlineangeboten derzeit nicht überwacht“ werde. Und sie hätten gefordert, Regelungslücken im Rundfunkstaatsvertrag bei der medienrechtlichen Prüfung journalistisch-redaktioneller Angebote in Telemedien zu schließen. Die Medienanstalt habe erst jüngst gefordert, der Rundfunkbegriff müsse überarbeitet und an die heutige Lage angepasst werden.
Zuletzt wurde bekannt, dass die Landesmedienanstalten sogar prüfen, ob die Video-Angebote von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Rundfunk eingestuft werden müssen. Jedenfalls befasst inzwischen auch die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) mit dem Podcast „Die Kanzlerin direkt“ und mit dem Format „Live aus dem Kanzleramt“. Auch gegen gegen Streaming-Anbieter ohne Rundfunklizenz geht die MABB vor. Im Mai hatte sie die „Bild“-Zeitung aufgefordert, für drei Livestreams eine Rundfunklizenz zu beantragen. Dagegen wehrt sich die „Bild“ vor dem Verwaltungsgericht.
Der Beitrag des TV-Lokalsenders jedenfalls hatte zumindest in der Brandenburger Landespolitik für Aufsehen gesorgt. „Wenn jemand wissen will, was Sexismus in Reinkultur in Politik und Medien ist, der wird hier fündig“, hatte etwa die Linke-Landtagsabgeordnete Andrea Johlige erklärt. Die Chefredakteurin der Tagesspiegel-Schwesterzeitung Potsdamer Neuesten Nachrichten, Sabine Schicketanz, sprach von einer Offenbarung sexistischer Denkmuster.
Der Sender beklagt sich nun aber, dass die Rüge und die Mitteilung der MABB darüber nicht nur von regionalen Medien, sondern sogar von überregionalen Medien aufgegriffen worden war. Aus Sicht des Senders habe sich der Beitrag doch nur mit einer 19 Jahre alten Mitarbeiterin eines CDU-Landtagsabgeordneten, ihrem Tagesablauf und ihren Aufgaben befasst. Es sei eine Frau porträtiert worden, die mit viel Engagement den Politikbetrieb kennenlerne. Dabei werde auch thematisiert, dass jungen Menschen häufig Politikverdrossenheit vorgeworfen werde, sie auch auf Vorurteile bei etablierten Politikern stießen
Tatsächlich war in dem rund acht Minuten langen Beitrag eine 19 Jahre alte Mitarbeiterin des CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Gliese vorgestellt worden. Die 19-Jährige war von den Machern des Beitrags als „diese attraktive Lady“ vorgestellt worden, dazu der Titel des Stücks: „Politik als Beruf: Karriere im Landtag“. Dabei wurde auch ihr Gesäß eingeblendet. In anderen Szenen blickte ein Politiker ihr in den Ausschnitt. Der Co-Autor des Beitrags war nach Aussagen mehrerer Beteiligter mit der 19-Jährigen an den Drehtagen sogar verbandelt.
Und im Hintergrund schallte es "sexy"
In einer Szene lobte Sozialministerin Diane Golze (Linke) das Interesse der 19-Jährigen für die Landespolitik – dann der Schnitt auf den Ausschnitt der 19-Jährigen mit Brandenburg-Adler am Revers, die Hintergrundmusik schallte: „Sexy.“ Dann wurde Christian Görke (Linke) gezeigt, dazu die Stimme aus dem Off: „Auch unser Finanzminister hat mittlerweile ein Auge auf die attraktive Brandenburgerin geworfen.“ Görke ließ sich mit den Worten zitieren: „Er geht nicht um jung und hübsch. Es ist entscheidend, ob man offen ist.“ Und der CDU-Landtagsabgeordnete Gliese lobte seine Mitarbeiterin, die mit Bestnoten Abitur gemacht habe und Lehramt studiere: „Sie sorgt für ein positives Betriebsklima. Und die Intelligenz ist wirklich nicht von der Hand zu weisen.“
Der Sender selbst hatte bereits Ende März erklärt, es habe mehrere schriftliche Beschwerden von Frauen gegen den Beitrag gegeben. Zudem habe die 19-Jährige, die in dem Stück porträtiert worden war, selbst darum gebeten, dass der Beitrag bei Facebook wieder gelöscht werde. Das sei dann kurz darauf geschehen. Die ursprünglich geplante Ausstrahlung im Kabelsender sei abgesagt worden.
Erst im Dezember 2017 hatte der Landtag Brandenburg entschieden, Lokale TV-Sender stärker fördern zu wollen. "Es besteht ein hohes Interesse an einem qualitativ hochwertigen lokalen und regionalen Informationsangebot im Fernsehen", hieß es zur Begründung. Die Brandenburger Lokal-TV-Anbieter "tragen zur Ausprägung von lokaler und regionaler Identität bei". Die Rede war bei dem Beschluss auch von einem vielseitigen und qualitativ hochwertigem Lokaljournalismus.
Alexander Fröhlich