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Neue ''taz''-Chefin: "Links ist nicht Linkspartei"

Die neue ''taz''-Chefredakteurin Ines Pohl über scharfe Profile, verlässlichen Ärger und die Nähe der ''taz'' zur ''Bild''

Sie wechseln an die Spitze einer Zeitung, die als nicht einfach zu führen gilt, verdienen aber um die Hälfte weniger als zuvor. Warum tun Sie sich das an?



Es ist ein Gutteil meines früheren Gehalts, auf den ich verzichte. Aber das ist es mir wert, denn die „taz“ fasziniert mich, seitdem ich Zeitung lese. Sie hat mich journalistisch geprägt.

Vor zwei Jahren hatten Sie die Möglichkeit, zur „taz“ als Ressortleiterin Politik zu wechseln, haben aber angeblich aufgrund des zu niedrigen Gehalts abgelehnt und sind bei der „HNA“ geblieben.

Das Gehalt war nur ein Argument von vielen. Mich hat damals auch das Angebot, Hauptstadtkorrespondentin zu sein für einen Pool mit 1,1 Millionen Auflage täglich, journalistisch gereizt. Jetzt freue ich mich auf die Möglichkeiten, unabhängig gestalten zu können und wieder eng in einem Team zu arbeiten.

Sie werden das Team leiten. Was für eine Chefin wollen Sie sein?

Durchregieren von oben nach unten ist hier nicht, aber wenn ich das wollte, wäre ich auch nicht zur „taz“ gegangen. Führung in der „taz“ ist anders zu verstehen als in vielen traditionellen Häusern. Das habe ich sehr schnell erfahren. Die Kollegen hier sind außergewöhnlich engagiert, die Kehrseite ist, dass alle mitreden wollen, weil sie eben auch mitreden können.

Bascha Mika war elf Jahre Chefredakteurin. So lange blieb niemand zuvor an der „taz“-Spitze. Kann nur eine Frau diese Zeitung führen?

Auch als Feministin würde ich sagen, dass es natürlich auch Männer gibt, die über die geforderte Kommunikationsfähigkeit und das notwendige Einfühlungsvermögen verfügen. Ich glaube nicht, dass das Geschlecht maßgeblich ist, um dieses Amt auszuüben. Aber es ist nach wie vor noch traurige Realität, dass die „taz“ die einzige überregionale Zeitung mit einer Chefredakteurin ist.

Sie sind die erste Chefredakteurin, die nicht in den hauseigenen Grabenkämpfen der „taz“ gestählt wurde. Können Sie als Externe überhaupt „tazlerin“ werden?

Es gab mit Arno Luik schon einmal einen Chefredakteur, der von außen kam, aber der hat sich nur 13 Monate gehalten. Das nehme ich natürlich nicht zum Vorbild. Trotzdem glaube ich, dass es eine Chance, ist wenn jemand von außen kommt. Der Blick ist unbelasteter, sowohl auf das Produkt als auch die Strukturen. Das tut der „taz“ wie auch jedem anderen Haus gut. Und mit meinem Stellvertreter Reiner Metzger bleibt Kontinuität bewahrt.

Sie wollen das linke Profil der „taz“ schärfen, derweil warnt Ihre Vorgängerin Bascha Mika davor, die „taz“ in die „linksalternative Nische“ abrutschen zu lassen.

Bascha Mika warnt davor, dass die „taz“ zurückfällt in eine Zeit der Grabenkämpfe und zurückkehrt in ideologische Ecken von vorgestern. Das wird der „taz“ auch mit mir in der Chefredaktion nicht passieren.

Was meinen Sie dann, wenn Sie sagen, das linke Profil der „taz“ schärfen zu wollen?

Links ist sicher nicht gleichzusetzen mit der Linkspartei. Die „taz“ war, ist und wird nie Propagandablättchen sein für diese Partei. Links zu sein heißt ebenso wie feministisch zu sein für mich, die Gesellschaft aus einer ganz bestimmten Perspektive zu beleuchten, zu analysieren und einzuordnen. Es geht für mich primär darum, sich auf die Seite derjenigen zu stellen, die erst mal nicht die Gewinner, sondern eher auf der Seite der Verlierer sind. Links zu sein heißt für mich auch, kritisch und aufständisch sein, Attribute, die für die „taz“ ja passen.

Der finanzielle Spielraum ist bei der „taz“ allerdings eingeschränkt. Sie stand schon kurz vorm Ruin, auch jetzt ist die wirtschaftliche Situation nicht blendend.

Die „taz“ ist vergleichsweise unbehelligt von der Wirtschaftskrise, weil sie noch nie sehr abhängig war von Anzeigen. Das Genossenschaftsmodell erfährt deshalb in diesen Tagen eine ganz andere Relevanz, insofern gucke ich optimistisch in die Zukunft. Die „taz“ konnte die verkaufte Auflage im zweiten Quartal 2009 sogar um sieben Prozent auf 59 000 verkaufte Exemplare steigern. Es gibt also keinen Grund zur Panik – aber auch keinen Grund, sich in die Hängematte zu legen. Die Situation ist prekär, und das wird bei der „taz“ immer so sein. Sie wird sich sicher immer mit einem gewissen Mangel arrangieren müssen.

Warum sind sie sich so sicher, dass die Leute eine linke Zeitung haben wollen?

Es ist sicherlich schwierig, die Kategorie links kurz und knackig in einem Interview zu definieren, und trotzdem gibt es ein linkes Grundverständnis. Das Bedürfnis danach wird wachsen, weil die gesellschaftlichen Brüche noch deutlicher werden, die Frage nach sozialer Gerechtigkeit, wer von welcher Reform etwas hat, noch viel wichtiger sein wird, als in den relativ gemütlichen, vergangenen Jahren.

Sie sehen die Krise als das große Glück der „taz“?

Das klingt mir etwas zu zynisch, aber die gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich abzeichnen, machen die „taz“ noch wichtiger.

Welche konkreten Projekte haben Sie abgesehen vom Linksrutsch ins Auge gefasst?

Das Wort Linksrutsch kommt von Ihnen. Ich habe kein Zehn-Punkte-Paket im Gepäck, sondern trete zunächst mit großen Ohren und Augen an und werde mich vertraut machen mit der „taz“.

Mehr Mainstream würde vielleicht mehr Leser bringen.

Wenn die „taz“ zu mainstreamig wird, gefährdet sie ihre Daseinsberechtigung. Trotzdem hoffe ich, dass durch die veränderten gesellschaftlichen Umstände das Bedürfnis nach einer „taz“ größer wird. Mein Ziel ist es, die Auflage weiter zu steigern.

Muss die „taz“ noch mehr knallen, um aufzufallen?

Es kann nicht darum gehen, zu provozieren um des Provozierens willen. Immer mehr Zeitungen versuchen durch Sex and Crime und immer größere Tabubrüche, bei denen jegliche journalistische Grundethik verlassen wird, ihre Auflage zu steigern. Das wird die „taz“ sicher nie machen. Sie wird aber ein verlässliches Ärgernis bleiben

Werden Sie weiterhin die gute Nachbarschaft zum Axel-Springer-Verlag und der „Bild“-Zeitung pflegen?

Gibt’s da eine gute Nachbarschaft? Ich finde, was dort in manchen Blätter passiert, nicht nur ärgerlich, sondern richtig abscheulich, und da bin ich ziemlich strikt und wenn Sie so wollen humorlos, was meine Grundhaltung angeht.

Das Gespräch führte Sonja Pohlmann.

Ines Pohl, geboren 1967 in Mutlangen, Magister-Studium der Skandinavistik und Germanistik in Göttingen. Frauenbeauftragte der Universität Göttingen. Nach ihrer Arbeit beim Radio und Regionalzeitungen wechselte sie zur „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“ (HNA) und wurde dort Ressortleiterin Politik. Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism in Harvard. Seit 2008 Hauptstadtkorrespondentin für die Mediengruppe Ippen. Am Montag löst sie bei der „taz“ Bascha Mika als Chefredakteurin ab.

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