Reaktionen auf Thadeusz-Talk mit Akif Pirincci bei Radio Eins: Kritik und Wut. Aber auch Lob
Geht das? Jörg Thadeusz hat Akif Pirincci als Gesprächsgast. Pirincci schmäht Homosexuelle, Politiker und Moslems. Und das im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, im Rahmen der ARD-Themenwoche "Toleranz".
Herr Thadeusz, am Mittwoch hatten Sie in Ihrer Radio-Eins-Gesprächsreihe „Wie tolerant sind wir?“ Akif Pirincci zu Gast. Er hat das Buch „Deutschland von Sinnen“ geschrieben. War die Einladung an den Autor als Mutprobe für den Moderator gedacht oder als Ausweis jener Toleranz, wie sie in öffentlich-rechtlichen Funkhäusern geübt wird?
Wir interviewen in dieser Woche Personen, die unsere Toleranz strapazieren. Oder, wie Herr Pirincci, sogar zur Intoleranz auffordern. Aber auch eine Schriftstellerin und Philosophin wie Hilal Sezgin, die vegan lebt und der Meinung ist, dass kein einziges Tier mehr getötet werden darf. Inwiefern es für diese Interviews besonderen Mut brauchen soll, kann ich mir nicht erklären. Ich mache das beruflich.
Akif Pirincci hat seine wüsten Thesen über die ungerechtfertigte Privilegierung unter anderem von Homosexuellen ausbreiten dürfen, er hat Politiker als „Parasiten“ geschmäht, den Intelligenzquotienten von Moslems als sehr, sehr niedrig bezeichnet. Sie haben vehement und eloquent dagegen gehalten. Aber Akif Pirincci hatte, was er wollte: seine Bühne. Trotzdem zufrieden?
Sehr zufrieden. Denn die Hörerinnen und Hörer haben leidenschaftlich auf diese Sendung reagiert. Mit Kritik und Wut. Aber auch mit Lob. Akif Pirincci hatte keine Bühne, auf der er aufführen konnte, was er wollte. Stattdessen sind seine schlecht genieteten Argumente leck geschlagen. Wenn es jemanden gibt, der ab sofort bestimmt, wer aus Geschmacksgründen nicht mehr befragt werden darf, suche ich mir einen anderen Beruf. Die Antisemitin Inge Höger von der Linkspartei hat übrigens den Bundestag als Bühne.
Das Gespräch war aufgezeichnet. Was wurde rausgeschnitten?
Beinahe nichts. Womöglich ein paar Haspler und Huster. Alles andere wäre unfair gegenüber dem Interviewpartner.
Es bleibt immer dieser Zwiespalt: Liberale und damit tolerante Journalisten und Medien wollen nicht als intolerant gelten. Also wird auch das Mediengespräch mit einem Jörg Haider, einem Thilo Sarrazin und einem Akif Pirincci gesucht. Im Ergebnis bleibt der Intolerante intolerant und der Tolerante ärgert sich, dass er sich darauf eingelassen hat. Teilen Sie diesen Eindruck?
Auch wenn heute manche wegen ihres schönen Haars Fragen im Fernsehen stellen dürfen: Insgesamt pflegt der öffentlich-rechtliche Rundfunk das konfrontative Interview als journalistische Stilform seit Jahrzehnten. Claus-Hinrich Casdorff, Friedrich Nowottny, Gisela Marx und Juliane Bartel. Die Reihe großer Interviewer des ARD-Hörfunks und Fernsehens ließe sich fortsetzen. Dahinter steht die Überzeugung, dass Pluralität nicht Kuscheln unter mehreren Gleichgesinnten bedeutet. Dementsprechend ärgere ich mich nicht im Geringsten über das Gespräch mit Akif Pirincci. Es hat manchen im Stau so richtig schön durchgerappelt, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. Wie wunderbar.
Am Dienstag haben Sie mit der Tierschützerin Hilal Sezgin diskutiert, am heutigen Donnerstag wird die überzeugte wie engagierte Mutter von vier Kindern, Birgit Kelle einvernommen. Alles im Rahmen der ARD-Themenwoche zur Toleranz. Was, Herr Thadeusz, kann da erreicht werden, was aber auch nicht?“
Nach der Sendung mit Hilal Sezgin schrieb ein Hörer, dass er eine halbe Stunde lang zwischen den Argumenten hin und her geworfen wurde. Und sich danach auch noch aufregend unterhalten fühlte. Besser geht es nicht.
Würde es diese Gespräche auch ohne die Themenwoche bei Radio Eins geben?
Ich habe bei RadioEins schon mit Experten gesprochen, die "Beamen" für möglich halten. Sobald man den Menschen auf 1500 Grad erhitzen und anschließend wieder Molekül für Molekül zusammensetzen kann. Nicht im Rahmen einer ARD-Themenwoche "Kochen". Als aufregendstes Radioprogramm dieser Region muss uns jederzeit alles zuzutrauen sein.
Ken Jebsen war mal ein geschätzter Mitarbeiter vom RBB-Radio Fritz. Dann wurde er verhaltensauffällig, seine Israelkritik trug mehr und mehr antisemitische Züge. Der RBB trennte sich von Ken Jebsen. Wann wird er Ihr Gast sein?
Gegenfrage: Wenn wir nie wieder eine Frage an Ken Jebsen haben, verpassen Sie dann Unerhörtes?
Das Gespräch führte Joachim Huber.
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