Kreuzberg-Krimi: Kraft, Korruption & Lügen
Arte startet die dritte und letzte Staffel von Deutschlands bestem TV-Krimi: „KDD“
Warum kann es im deutschen FernsehKrimi nicht immer so sein? Eine Handvoll Ermittler, allesamt Menschen aus Fleisch und Blut, keine Abziehbilder, Geschichten, im wahrsten Sinne des Wortes von der Straße gegriffen und Dialoge, die man von Schweden-Krimis à la Sjöwall/Wahlöö kennt. Die preisgekrönte Serie „KDD – Kriminaldauerdienst“, die am Dienstag mit acht Folgen zunächst auf Arte, ab April auch im ZDF, in ihre dritte und letzte Staffel geht, ist eine Perle im Genre.Wahrscheinlich hat sie es deswegen schwer. Die Geschichten seien auserzählt, begründen die Senderverantwortlichen das Aus der erfrischend innovativen Serie um die sieben Ermittler und ihren bewegten Alltag im Kriminaldauerdienst 5 in Berlin-Kreuzberg. Insgeheim dürfte man froh sein, das nicht ganz billige Experiment – es wird mit Steadycam ein großer Aufwand betrieben – los zu sein, weil es der Zuschauer einfach nicht will oder es ihn überfordert.
2,5 Millionen Zuschauer sahen den Schluss der zweiten Staffel. Dabei wird es diesen eigentlich leicht gemacht. Ein knapper Vorspann setzt auch Nicht-„KDD“-Eingeweihte über das komplizierte Personengeflecht in Kenntnis. Die Handlung setzt elf Monate nach dem schweren Unfall ein, bei dem die schwangere Streifenbeamtin Maria (Jördis Triebel) von einem Lkw erfasst wurde. Da ist wieder Schichtleiter Enders (Götz Schubert), der „Chef“ im Berliner Referat Verbrechensbekämpfung, der seine Ehe retten will. Veteran Haroske (Manfred Zapatka), der der Vater von Marias Kind sein könnte, es aber nicht genau weiß. Kommissar Falckenstein (Barnaby Metschurat), schillernder Moralapostel, der wegen einer Verlagsübernahme im Streit mit seinem kranken Vater liegt und eine Affäre mit der Kollegin Henke (Melika Foroutan) laufen lässt. Die lesbische Wachdienstführerin Henke (Saskia Vester), die nach ihrem unfreiwilligen Outing mit ihrem aus dem Kosovo zurückgekehrten Ziehsohn konfrontiert wird und es mit der Wahrheit in ihrem Job nicht so genau nimmt. Und der koksende Kollege Kilic (Billey Demirtas), der im fulminanten Auftakt der dritten Staffel zum Thema Waffenhandel und Geldwäsche einen V-Mann verrät – einen alten, offenbar korrupten Freund von Enders …
Alles hängt mit allem zusammen. Es bleibt das Verdienst der exzellenten Schauspieler, des kraftvollen Buchs von Orkun Ertener und der souveränen Regie von Christian Zülbert, diese Binse nicht an eine allzu gefällige Inszenierung verkauft zu haben. Ertener sagte in einem Interview, es gebe in Deutschland zu wenig gute Reihen im Fernsehen. „Was an deutschen Qualitätsserien nachkommen könnte, weiß ich nicht. Wir werden die USA und Großbritannien, die da die Maßstäbe setzen, wohl nicht mehr einholen. Ich fürchte, da ist der Zug abgefahren.“ Man stelle sich folgende Szene nur mal in einer der zig „Soko“-Formate vor, die das ZDF unterhält: Irgendwann kommt ein verstörter Mann ins total hektische „KDD“-Revier und zeigt sich selber als vermisst an, weil er nicht mehr weiß, wer er ist. Markus Ehrenberg
„KDD - Kriminaldauerdienst“, acht neue Folgen, jeweils Dienstag, Arte, 22 Uhr 15