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Re-Enactment: Für die History-Dokumentation über die größte Verbrechergang der Nachkriegsgeschichte wurden einige Szenen nachgedreht – wie im Bild mit zwei Schauspielern, die Bandenchef Werner Gladow (links) und seinen Freund Werner Papke darstellen.
© RBB

RBB-Film über die Gladowbande: Klein-Chicago an der Spree

Der RBB erinnert an Bandenchef Werner Gladow. Wie Al Capone in den USA wollte er nach dem Krieg die größte Verbrecherorganisation in Deutschland aufbauen.

Der junge Mann wohnte noch bei seinen Eltern in der Schreinerstraße in Friedrichshain. Dort wurde Werner Gladow 1949 festgenommen, nachdem er die Stadt mit seiner Verbrecherbande mehrere Jahre lang unsicher gemacht hatte. „Weiße Krawatte“ nannten die Berliner Gladow, der Berlins Al Capone sein wollte, und seine Anhänger: Ganz nach amerikanischem Vorbild trugen die Mitglieder Maßanzug, dunkles Hemd und hellen Schlips. Zunächst waren sie gefeierte Helden, „Gentleman-Gangster“. Nur wenig später eine „Mörderbande“.

Die RBB-Reihe „Tatort Berlin“ der Filmemacher Gabi Schlag und Benno Wenz findet mit dem Porträt zu Werner Gladow und seiner Bande ihren Abschluss. Zwar bleibt das Logo „Tatort Berlin“ bestehen und wird von einer senderinternen Redaktion weiter benutzt. Schlag und Wenz wenden sich aber neuen Projekten zu. Deshalb wollten sie mit dem Film zu Gladow ihrer Reihe einen beeindruckenden Schlusspunkt setzen.

Wie schon in früheren Produktionen setzen die Filmemacher auf einen Mix aus Re-Enactment, dokumentarischem Archivmaterial und Zeitzeugengesprächen. Besonderes Glück hatten sie im Fall Gladow mit Ansprechpartner Werner Papke, genannt „Sohni“. Er war Gladows bester Freund und bewegte sich im engsten Kreis einer Organisation, der zu ihren Hochzeiten mehr als 70 Kriminelle angehörten. Papke ist mittlerweile weit über 80. Für den Film erinnert er sich aber genau an die rauen Zeiten im Nachkriegsberlin, in der viele Bekanntschaften im Jugendgefängnis geschlossen wurden. Und daran, dass sein Freund Gladow immer sofort geschossen habe. „Die sollten sehen, dass wir es ernst meinen.“

Nach dem ersten Mord kippte die Stimmung in der Bevölkerung

Zu Beginn entwaffnete der gerade einmal 17-jährige Gladow Volkspolizisten. Das machte ihn bei der Bevölkerung beliebt: Die Polizisten hatten den Ruf, willkürlich zu handeln und opportunistisch zu sein. Doch die Bande wurde immer brutaler, folterte den Kassenwart eines Tauschgeschäftes. Bald darauf gab es den ersten Toten: Gladow hatte wieder einmal geschossen. Diesmal auch getroffen. Die Stimmung kippte, die Berliner waren empört. Mit sympathischen Jungsstreichen hatte das nichts mehr zu tun.

Schlag und Wenz gelingt das Kunststück, in 45 Minuten nicht nur die Geschichte der Gladow-Bande zu erzählen, sondern diese auch historisch und psychologisch treffsicher einzuordnen. Psychologen und Historiker erklären, weshalb eine derart draufgängerische Gang wohl nur im Berlin der Nachkriegszeit entstehen konnte.

Werner Gladow wurde 1950 zum Tode verurteilt – mithilfe eines Paragrafen, der noch aus der Nazizeit stammte. Über 350 Verbrechen wurden ihm zur Last gelegt, verhandelt wurden nur die schwersten: Mord, Mordversuch, Raub. Dreimal wurde die Todesstrafe gegen ihn verhängt. Die Reaktion des 19-Jährigen: „Einmal Rübe ab lass ich mir ja gefallen. Aber das zweite und dritte Mal, das ist Leichenschändung.“ Sein Freund Werner Papke kam glimpflicher davon – auch weil er früh aus der Bande ausgestiegen war. Er kam nach elf Jahren Gefängnis frei und startete eine Karriere als Boxtrainer.

„Tatort Berlin: Werner G. – Der Kopf der Gladowbande“, RBB-Fernsehen, Montag, 22 Uhr 15

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