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Kampf und Kultur: Kinder, Soldaten, Mörder

Krieg im Krimiformat: Das ZDF zeigt mit „Kongo“ einen fiktiven Film über die Belastung der Bundeswehr im Auslandseinsatz. Der Chef des Bundeswehrverbandes ist darüber nicht begeistert.

Der Schrecken des Krieges sieht ein bisschen lächerlich aus. Eine Gruppe bewaffneter Kinder versperrt den beiden Fahrzeugen der Bundeswehr den Weg, sie haben Frauenkleider an, schrille Perücke und komische Mützen. Die Kindersoldaten tragen die Kleider ihrer Opfer wie eine Trophäe, erläutert Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf) dem gerade eingetroffenen Oberleutnant der Feldjäger, Nicole Ziegler (Maria Simon). In einer anderen Szene fahren die deutschen Soldaten durch ein Dorf. Viele Kinder bedrängen das Fahrzeug und betteln, auch das wirkt bedrohlich. Sie sind mordende Feinde und hilfsbedürftige Opfer – für die Soldaten sind Gut und Böse in diesem Krieg schwer auseinanderzuhalten.

Der Film „Kongo“ der Grimme-Preisträger Peter Keglevic (Regie) und Alexander Adolph (Buch), den das ZDF am Montag zeigt, ist nicht der erste Versuch, die Bundeswehreinsätze im Ausland als fiktionalen Fernsehstoff zu nutzen. Doch während die SWR-Filme „Willkommen zu Hause“ und „Nacht vor Augen“ von traumatisierten Heimkehrern erzählten, siedeln das ZDF und die Produktionsfirma Teamworx mit „Kongo“ das Geschehen am Einsatzort an – die Perspektive bleibt die gleiche: Die der deutschen Soldaten, die um ihr Leben fürchten, aber nicht erkennen können, dass sie in diesem Krieg etwas ausrichten. Im Camp-Alltag, zwischen Dreck, Ungeziefer und Langeweile, keimen Angst und Ohnmachtsgefühle.

Einer von ihnen hat sich offenbar eine Kugel in den Kopf gejagt. Die Umstände des mutmaßlichen Selbstmords soll nun Oberleutnant Ziegler aufklären. Das Publikum ist der jungen Ermittlerin einen Schritt voraus: Gleich in der ersten Szene erschießt ein Soldat einen wehrlosen Jungen, richtet ihn aus nächster Nähe geradezu hin. Der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, hat den in Südafrika gedrehten Film deshalb kritisiert. „Kongo“ unterstelle, dass es einen solchen Fall auch in der Realität geben könne. Das sei abwegig.

Autor Adolph, der zur Recherche Interviews mit Soldaten führte, behauptet nicht, sich auf ein reales Vorkommnis zu beziehen. „Kongo“ will auf die enorme Belastung bei Auslandseinsätzen aufmerksam machen, greift allerdings auch auf die klassische These des Anti-Kriegsfilms zurück, die lautet: Der Krieg kehrt die schlimmsten Seiten des Menschen hervor. Im Extremfall werden selbst aus Kindern und aus gutwilligen Soldaten einer Schutztruppe Mörder.

Keine der Soldatenfiguren bleibt hier auf gängige Klischees beschränkt. Macho-Hauptmann Kosak fährt der unbeirrbaren Ziegler zwar fortwährend in die Parade, doch seine Motive sind keineswegs bösartig und sogar nachvollziehbar. Götz Schubert gibt den sanften Kommandeur. Hinzu kommen David Rott als vermeintlich schießwütiger Feldwebel und Maximilian Brückner als Zieglers Assistent, der großspurig daherredet und dabei schnell an seine Grenzen gerät. Die tragende Säule des Films ist aber Maria Simon („Goodbye Lenin“, „Lichter“), die ihrer Figur viele Facetten verleiht, auch genau das richtige Maß an dezenter Weiblichkeit im schweißtreibenden Dschungel.

Man könnte fragen, warum man einen solchen Stoff unbedingt als Krimi erzählen muss, in einem Genre also, bei dem in Deutschland beinahe jedes gesellschaftlich relevante Thema landet, jedenfalls in der Primetime. Doch „Kongo“ hat zu Recht Vorschusslorbeeren erhalten und wurde auf dem Münchner Filmfest ausgezeichnet. Der Film ist spannend, verzichtet auf hölzerne Statements in den Dialogen und explizite Gewaltdarstellungen. Und obwohl die wenigen Rollen der Einheimischen ziemlich blass bleiben, gibt „Kongo“ eine Ahnung von den unerträglichen Zuständen in dem für westliche Medien weitgehend unzugänglichen zentralafrikanischen Land. Thomas Gehringer

„Kongo“, 20 Uhr 15, ZDF

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