zum Hauptinhalt
Die Macht ist mit ihnen. Der Politiker Francis Underwood (Kevin Spacey) und seine Frau Claire (Robin Wright) kennen nur einen Weg – den nach oben.
© Netflix

Neue Staffel von "House of Cards": „Kein Film kann Washington erfassen“

„House of Cards“-Erfinder Beau Willimon über die zweite Staffel der US-Serie, Macht, Sex und Komplizenschaft.

Auf Sky startet heute die zweite Staffel von „House of Cards“, es passiert Ungeheuerliches: Die Reporterin Zoe Barnes wird ermordet. Warum muss die wichtigste Gegenspielerin von Frank Underwood sterben?

Wir wussten von Anfang an, dass wir die Staffel damit beginnen werden. Das war immer unser Plan, noch bevor wir die Drehbücher für Staffel eins schrieben. Am Ende dieser Staffel ist das Verhältnis zwischen Zoe Barnes und Frank Underwood auf dem Höhepunkt, respektive dermaßen in der Krise, dass Underwood so handeln muss, wie er handelt. Kate Mara, die Zoe Barnes spielt, wusste vom ersten Drehtag, was sie erwartet. Je länger aber die Dreharbeiten dauerten und je mehr das Publikum Kate und ihre Figur Zoe Barnes schätzten, desto schwerer taten wir uns damit. Aber Plan ist Plan.

Aber mit Zoes Tod verliert der Politiker doch seine wichtigste Widersacherin.

Das wird jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Und in Staffel zwei wird es mit Raymond Tusk einen mit Zoe Barnes vergleichbaren Charakter geben.

Frank Underwood hat jetzt Blut an seinen Händen. Das trübt den Blick auf ihn, macht ihn unsympathisch.

Ich denke, das ist ein sehr vereinfachter Blick darauf, wie Geschichten erzählt werden. Es sollte immer Zeiten geben, in denen der Zuschauer es mit Frank hält, und Zeiten, in denen er auf Distanz zu ihm geht. Das müssen die Autoren befördern, damit der Charakter und die Geschichte dynamisch bleiben. Das Publikum sollte immer gemischte Gefühle haben, was Frank Underwood angeht, und über die Entscheidungen, die er trifft. Eine Menge Leute sagten mir, sie würden den Spuren dieses Mannes fasziniert folgen, auch wenn sie es nicht wollen. Genau an dieser Art von Spannung bin ich interessiert. Verbrecher, Antihelden, diese Art von Protagonisten zwingen uns die Frage auf, wie wir zu Vorgängen, Personen, Haltungen stehen. Wir befinden uns in einer unangenehmen Komplizenschaft, was weitaus interessanter ist als Figuren nur zu mögen. Zur Figur hin, weg von ihr, hin zu ihr, weg von ihr.

Gibt es Vorbilder?

Nehmen wir Richard III. aus dem Stück von William Shakespeare: Richard III. tut verachtenswerte Dinge und trotzdem können Sie nicht wegschauen, weil er eben so herausfordernd ist. Nicht physisch, nicht sexuell – obwohl das immer hilft – sondern eine Attraktion dadurch, als er einen immer wieder in seine eigene Geschichte hineinzwingt. Tony Soprano, Walter White, Dexter, Don Draper, das sind vergleichbare Helden im gegenwärtigen Fernsehen, die die Zuschauer frontal sehen und erleben – sehr gerne übrigens, weil es auch für das Publikum eine gewisse Befreiung ist, wenn sie Charakteren folgen können, die sich nicht nach irgendwelchen, sondern nur nach den eigenen Regeln richten.

Beau Willimon ist Erfinder, Autor und Executive Producer der US-Serie "House of Cards" für die Streaming-Plattform Netlix.
Beau Willimon ist Erfinder, Autor und Executive Producer der US-Serie "House of Cards" für die Streaming-Plattform Netlix.
© Patrick Harbron

In dieser Staffel wird Claire Underwood eine größere Rolle spielen. Warum geben Sie ihr mehr Gewicht?

Als ich mit Regisseur David Fincher vor viereinhalb Jahren über die wesentlichen Essentials von „House of Cards“ telefonierte, sagte ich ihm, ich wolle eine Story über eine Ehe. Nun ist die Serie über Politik und über Macht, aber für Claire und Francis Underwood ist entscheidend, wie sehr sie sich aufeinander, die jeweiligen Fähigkeiten und Stärken verlassen können. Einer ohne den anderen hieße, dass keiner von beiden eines der gemeinsamen Ziele erreichen könnte. Staffel zwei schaut sich diese Ehe sehr viel genauer an – was die Rolle von Claire stärker macht.

Das Paar hat keinen Sex. Ungewöhnlich, oder?

Wissen wir’s denn? Nur weil es nicht auf dem Bildschirm passiert, kann es trotzdem passieren. Am Ende der neuen Staffel wird das Thema.

Was macht die Horrorspiele in Washington so interessant für ein internationales Fernsehpublikum?

Wir wollten keine Story erzählen, die sich nur an Amerikaner wendet. Ich sage es wieder und wieder: „House of Cards“ ist keine Serie über die Politik in Washington, sondern eine Serie über Macht. Und Macht ist etwas, das weltweit gültig ist. Wir alle erfahren Macht. Und es gibt Umstände und Aspekte in der Politik, die sich in den USA, in Großbritannien, in Deutschland oder in China überlappen. Wann immer wir Ehrgeiz wahrnehmen, sehen wir Gier, die Lust auf Macht. Immer und überall, zu Hause, auf der Straße, bei der Arbeit. Deswegen ist „House of Cards“ in den USA so erfolgreich wie jetzt in China, wo die Ausstrahlung übrigens ohne Zensur abging.

„House of Cards“ ist also kein televisionärer Kommentar zur Zeit?

Wichtig ist: Wir ziehen unsere Geschichte und Geschichten nicht aus irgendwelchen Schlagzeilen. Wir kommentieren nicht, wir dramatisieren nicht die wirkliche Welt. Wir haben eine Parallelwelt erschaffen. Manchmal überlappen sich beide Welten, was aber keine Absicht ist, sondern Zufall. Wir haben einen dunklen, extremen Blick auf Washington nur in dem Sinne, dass im Zentrum ein nicht auf eine Ideologie festgelegter Protagonist steht. Frank ist nur an seinem Aufstieg zur Macht interessiert. Er ist nur für sich total engagiert, ein Selfie-Shooter. Kein Film, keine Serie kann Washington oder Paris oder Berlin voll erfassen, sondern stets aus einem bestimmten Blickwinkel. Was wir nicht wollten: das Misstrauen an Politik schüren. Das macht der Zuschauer gegebenenfalls selber, wir machen es nicht.

Sie sagen immer wieder, Frank Underwood sei nicht zynisch …

… er ist nicht zynisch. Frank Underwood steht für eine bestimmte Form von Optimismus. Er sagt, es sei möglich, den Stillstand zu beenden, die politische Paralyse zu durchbrechen und „get things done“. Wenn er das aus Eigennutz will, was soll’s? Diese Frage will die Serie unbedingt stellen: Heiligt der Zweck nicht die Mittel? Außerdem wird es zum Vergnügen des Zuschauers, wenn er jemanden innerhalb und außerhalb des Systems agieren sieht – wie ein Messer durch die Butter. Das ist Unterhaltung.

Wie viele Staffeln soll es von „House of Cards“ noch geben?

Wir werden in sechs Wochen mit den Drehbüchern für Staffel drei beginnen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass die Serie danach weitergeht. Aber wie, darüber will ich jetzt nicht nachdenken. 800 Seiten Drehbuch für Staffel drei warten auf uns.

Das Gespräch wurde als Gruppeninterview geführt. Joachim Huber fragte mit.

Beau Willimon ist Erfinder, Autor und Executive Producer der US-Serie „House of Cards“ für die Streaming-Plattform Netflix. Sky zeigt die zweite Staffel vom heutigen Montag (21 Uhr) an.

Joachim Huber

Zur Startseite