Fernsehempfang: Kabel Deutschland wirft weiter dritte Programme aus analogen Netzen
Disney Channel statt Bettina Böttinger im WDR: Was für Hunderttausende Zuschauer ein Ärgernis ist, hat einen handfesten medienpolitischen Hintergrund.
Ein Leser des Tagesspiegels in Berlin-Spandau versteht die Welt nicht mehr. Plötzlich kann er seine Lieblingstalksendung nicht mehr im Fernsehen sehen: den „Kölner Treff“, freitagabends im WDR. Grund: Kabelbetreiber Kabel Deutschland (KDG) hat die analoge Verbreitung des WDR in Berlin und Umgebung eingestellt. Und nicht nur die, NDR, SWR und MDR gibt es hier auch nur noch digital. Das bedeutet für den Zuschauer mit Fernseher ohne Digitalanschluss in der Hauptstadtregion, er kann nur noch RBB gucken oder muss sich einen Digitaldecoder zulegen und am besten gleich noch einen neuen Fernseher kaufen, damit sich die digitale Bilderpracht voll entfalten kann.
Was vielen Zuschauern ein Ärgernis ist, hat einen handfesten medienpolitischen Hintergrund. Kabel Deutschland führt seine Strategie, im Zuge des Kabelstreits Dritte Programme aus den analogen Netzen zu werfen, offenbar weiter fort. Anlass ist die Weigerung der öffentlich-rechtlichen Sender, dem Kabelbetreiber Einspeisungsentgelte zu entrichten. ARD und ZDF wollen kein Geld für die Verbreitung ihrer Kanäle zahlen, auch mit dem Verweis darauf, dass nirgendwo sonst in Europa öffentlich-rechtliche Sender dafür bezahlen.
60 Millionen Euro im Jahr
Noch bis Ende 2012 hatten die Öffentlich-Rechtlichen den Kabelkonzernen KDG und Unitymedia rund 60 Millionen Euro an Einspeiseentgelten pro Jahr überwiesen. Die Kabelkonzerne kündigten nach dem Zahlungsboykott an, die Maßnahme nicht kampflos hinzunehmen und drohten, nicht mehr alle Programme von ARD und ZDF in ihren Kabelnetzen weiterzuvertreiben. Vor dem Landgericht Köln setzten sich die Kabelbetreiber mit ihrem Begehren nicht durch. Da wurde eine Klage der KDG gegen den WDR im Frühjahr 2013 schon mal abgewiesen.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Abschaltung diverser analoger Dritter Programme nicht von ungefähr kommt, auch wenn die „Änderung der analogen Senderbelegung“ von den Betreibern in einer Pressemitteilung anders erklärt wird. „Kabel Deutschland wertet das analoge Senderangebot über den Kabelanschluss in Berlin und Umgebung mit beliebten privaten Sendern auf: Ab 5. Juni werden die Sender Disney Channel, RTL Nitro und Servus TV in das analoge Angebot aufgenommen. Die bisher analog verbreiteten Sender NDR, WDR und MDR sind weiterhin digital und seit 3. April auch in HD zu empfangen.“ Das Unternehmen überprüfe regelmäßig das analoge Programmangebot im Kabelanschluss und möchte seinen Kabelkunden stets attraktive Inhalte bieten, die eine hohe Beliebtheit bei Zuschauern haben.
So kann man es natürlich auch sehen. Fakt ist: Statt aktuellen Themen aus Hamburg, Leipzig oder Köln stehen den analogen Nutzern aus Berlin und Umgebung nun Spartensender wie Disney Channel zur Verfügung. Viele Zuschauer fühlen sich nicht „aufgewertet“, sondern versetzt, zudem auch noch regionale Sendefenster geblockt werden. So hatte sich der NDR darüber beklagt, dass das „Hamburg Journal“ nicht mehr im Umland der Hansestadt zu empfangen ist und Kabel Deutschland zum Einlenken aufgefordert. Weitere Beispiele dieser Art ziehen sich durch die Republik.
Der Netzbetreiber sieht sich auf rechtlich sicherer Ebene. In den sogenannten Must-Carry-Regelungen ist festgeschrieben, dass analog nur die Hauptsender von ARD/ZDF sowie das regionale Dritte verbreitet werden müssen. Alles darüber hinaus ist als freiwilliger Zusatz von Kabel Deutschland zu verstehen. Privatveranstalter, die bereit sind, für knappe analoge Kabelplätze zu bezahlen, dürften attraktiver für den Netzbetreiber sein. Ob das für die ARD ein Problem darstellt, wenn – als Folge des Kabelstreits – Hunderttausende Dritte Programme nicht mehr sehen können, war am Donnerstag nicht zu erfahren.
„Die Zukunft des Fernsehens ist digital beziehungsweise HD“, sagt eine Sprecherin von Kabel Deutschland. Insofern wurden einige analoge öffentlich-rechtliche Programme durch deren HD-Versionen ersetzt. „Parallel dazu werden wir weiterhin viele analoge Programme mit hohem Publikumsinteresse in unserem TV-Angebot belassen. Wir wissen, dass noch rund 40 Prozent unserer Kunden das analoge TV-Angebot nutzen und sehr schätzen.“
Das überzeugt den Leser in Spandau nicht. Der fürchtet, dass noch Phoenix, Arte und 3sat aus dem analogen Kabel verschwinden und sieht sich zum Kauf eines Digitalfernsehers gezwungen.
Markus Ehrenberg
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