Der Ball ist eckig: Jubelrentner am ZDF-Fußballstrand
In Heringsdorf auf Usedom hat das ZDF sein EM-Studio aufgebaut. Wie Kathrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn dort versuchen, das Schunkelstündchen im Küstennebel zur Fußballparty hochzujazzen.
Ganz kurz bin ich irritiert. Es ergibt einfach keinen Sinn. Es ist gerade Sonntagmorgen 11 Uhr, aber im ZDF schon wieder „Fußballstrand“ in Heringsdorf auf Usedom. Und ganz offensichtlich sind Kathrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn durch Andrea Kiewel und Waldemar Hartmann ersetzt worden. Auch nicht weiter schlimm, denke ich. Aber weil ich weíß, dass das ZDF nicht der Sender ist, der auf die eigenen Fehler so radikal reagiert, schaue ich noch ein zweites Mal hin. Und erkenne schnell: Es ist „Fernsehgarten“-Zeit. Andrea Kiewel hat zum Frühschoppen mit Meerblick geladen. Kim Wilde ist da, Ross Antony und eben Waldemar Hartmann. Sonst alles wie immer. Weil es gar keinen Unterschied macht, ob da am „Fußballstrand“ jetzt „Fernsehgarten“ ist oder EM-Studio.
Auf der Bühne eine Performance im Vollplayback, klassische Eurovisionsgesten. Im Publikum, minimalschwofend, zwangseuphorisierte Mitsechziger in Mitsechziger-Windjacken zwischen langen Stuhlreihen. Und ja, es darf geklatscht werden. Zwischendurch gibt es, als Legitimation des Ganzen, ein paar Sketcheinlagen von Kathrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn. Dem Jubelrentner ist das gleich. Dem ZDF sowieso. Schließlich ermöglicht die Demografie des Ortes den Vollkontakt mit der Zielgruppe, die von der Promenade direkt auf die Teakholz-Bestuhlung fallen kann. Das Stimmungs-EKG bewegt sich zwischen Tanztee im Café Keese und Open-Air-Klassikabend im Luftkurort. Was Gastgeberin Kathrin Müller-Hohenstein im abendlichen EM-Studio nicht davon abhält, das Schunkelstündchen im Küstennebel zur Fußballparty hochzujazzen. Neben ihr steht Ko-Moderator Oliver Kahn und sagt einen dieser Kahn-Sätze, die mit zumeist mit „Ich“ beginnen. Die Jubelrentner jubeln. Und vielleicht singt gleich auch noch Kim Wilde. Lucas Vogelsang