Die Welt am Stream: Internet-TV als DVB-T2-Alternative
Nach dem DVB-T-Wechsel: Internetfernsehen bietet sich für Netflix/Amazon/Youtube-Fans als weitere Alternative zum Antennen-TV an.
In etwas mehr als drei Monaten beginnt eine der größten Umverteilungsaktionen der deutschen Fernsehgeschichte. Zur Zeit steht in rund vier Millionen Haushalten in Deutschland mindestens ein Fernseher, der seine Bilder über das sogenannte Überallfernsehen DVB-T empfängt. Am 29. März 2017 werden alle DVB-T-Sender abgeschaltet, um Platz für den Nachfolgestandard DVB-T2 HD zu schaffen. Praktisch heißt das: wer danach per Antenne fernsehen will, muss sich ein neues Empfangsteil kaufen, Kostenpunkt: ab 60 Euro. Und um neben den kostenlosen öffentlich-rechtlichen Sendern künftig auch noch die nur noch in HD-Qualität ausgestrahlten Privatsender zu empfangen, wird zusätzlich ein Jahresabo für Freenet TV in Höhe von 69 Euro fällig – und zwar für jeden einzelnen DVB-T2-Empfänger. In der Folge werden darum längst nicht alle Zuschauer, die bislang per Antenne ferngesehen haben, zum neuen System wechseln. Neben den seit Langem bekannten Alternativen TV-Kabel und Satellit gibt es eine weitere Empfangsform, die sich für einige Zuschauer besonders anbietet: Fernsehen aus dem Internet.
500 000 Wechselwillige erwartet
In der Anfangszeit wurde Internet-Fernsehen nur auf dem Computer geschaut. Inzwischen lassen sich aber Smartphones und Tablets ebenso als Fernseher nutzen wie der große Flachbildfernseher im Wohnzimmer. Das Unternehmen mit der längsten Erfahrung in diesem Bereich heißt Zattoo. Seit inzwischen zehn Jahren bietet die Firma, die in der Schweiz ansässig ist und in Berlin ein großes Büro unterhält, TV-Streaming an. „Besonders für Zuschauer, die vor allem Netflix, Amazon Prime, Maxdome oder YouTube schauen, ist es viel naheliegender, nun auch das Fernsehprogramm über das Internet zu empfangen“, meint Zattoo-Manager Jörg Meyer. Er erwartet, dass gut zehn Prozent der bisherigen DVB-T-Nutzer künftig ihr Programm aus dem Internet streamen, wie es in der Fachsprache heißt. Das wären dann zwischen 300 000 und 500 000 Menschen.
Die Qualität von TV-Streaming ist dem „normalen“ Fernsehempfang über Kabel und Satellit fast ebenbürtig, auch wenn die Senderauswahl stärker beschränkt ist. Die wichtigste Voraussetzung ist ein schneller Internetzugang und eine störungsfreie Netz- oder W-Lan-Verbindung innerhalb der Wohnung – vor allem, wenn zum Beispiel ein Familienmitglied auf Netflix die „Gilmore Girls“ schauen will und auf einem anderen Gerät das gewohnte TV-Programm – beispielsweise der „Tatort“ – gestreamt wird.
Ein Unterschied ist die Fernbedienung, die durch das Smartphone ersetzt wird. Der gewünschte Sender wird in der Smartphone-App auswählt und angeklickt, das TV-Signal wird dann über das heimische Netzwerk an den mit dem Internet verbundenen Fernseher geschickt. Benötigt wird dafür ein kleiner Stick (Chromecast von Google oder FireTV von Amazon, rund 35 Euro). Praktisch gesehen ist die Smartphone-Variante vermutlich eher für Single- als für Familienhaushalte geeignet.
In Berlin sind besonders viele Menschen von der DVB-T-Umstellung betroffen. In fast jedem dritten Haushalt steht mindestens ein TV-Gerät mit DVB-T. Vor allem für Zweit- oder Drittgeräte ist die bislang kostenlose Empfangsart sehr beliebt. Doch anders als im Kabelnetz wird es keinerlei Übergangszeit geben, in der beide Standards nebeneinander funktionieren. Das wissen auch die TV-Streaming-Firmen, die zum Teil schon damit begonnen haben, die Werbetrommel für ihre DVB-T2-Alternativen zur rühren. Für Anfang 2017 werden sie besondere Pakete – zum Beispiel drei Probemonate – schnüren. Zudem sollen die Produkte um interessante neue Funktionen erweitert werden.
Nicht zum Nulltarif
Kostenlos ist allerdings auch diese TV-Variante nicht. Jedenfalls wenn man mehr sehen möchte als die öffentlich-rechtlichen Sender. Für deren Verbreitung dürfen keine Gebühren von den Nutzern verlangt werden. Im Free-Paket von Zattoo machen so auch die öffentlich-rechtlichen Programmfamilien von ARD und ZDF mitsamt Arte, Phoenix, 3sat und den diversen Dritten Programmen, Digitalkanälen und Kulturablegern den Großteil des Angebots aus. Wer mehr will, muss 9,99 Euro im Monat für das HiQ-Paket zahlen und hat dann zusätzlich Zugang zu den Privatsenderangeboten und einem On-Demand-Abrufangebot aus rund 1000 Sendungen. Die meisten Sender werden in HD gestreamt.
Das schwedische Unternehmen Magine ist noch nicht ganz so lange auf dem Markt. Es startete 2013 in Schweden und ist in Deutschland seit 2014 aktiv. Marketing-Chef Christoph Urban rechnet mit 400 000 neuen Nutzern, die nach dem DVB-T-Wechsel auf Streaming umsteigen. Magine bietet mit seinem Basis-Paket den derzeit preiswertesten DVB-T2- Ersatz via Internet an. Für rund fünf Euro im Monat enthält es 39 Programme, darunter die Privatsender-Kanäle von RTL und ProSiebenSat1. Magine ist der einzige Anbieter, bei dem mit einem Abo zeitgleich auf zwei Geräten gestreamt werden kann. Ab 2017 steigt der Preis allerdings auf sieben Euro. Das Premium- Paket von Magine kostet rund zwölf Euro, es enthält zusätzliche Film- und Seriensender wie TNT, AXN und Sony.
Die Programmzeitschrift „TV Spielfilm“ aus dem Hause Burda begreift das TV-Streaming als lukratives Zusatzgeschäft. Um das traditionelle journalistische Geschäft werden neue Geschäftsmodelle gruppiert, erläutert Sebastian Spang, Leiter Digital bei BurdaNews: „Das tun wir mit Freude und Optimismus, ohne dabei das nach wie vor hochprofitable Geschäft mit Zeitschriften zu vernachlässigen.“ Das kostenlose Basispaket von TV Spielfilm Live umfasst rund 50 Sender, allerdings sind darin gleich zehn Mal verschiedene WDR-Landesstudios enthalten. Wählt der Nutzer das Premium-Bouquet für rund zehn Euro, entfällt die zusätzliche TV-Spielfilm-Werbung. Im Premium-Paket sind dann auch die Privatsender enthalten. Als neue Funktion soll demnächst zeitversetztes Fernsehen hinzukommen.
Immer wichtiger werden Programmtipps und Orientierungshilfen. TV Spielfilm Live kann sich dabei auf die Kompetenz der eigenen Programmredaktion verlassen, deren Tipps in das Streaming-Portal einfließen. Dort wird zusätzlich auf besondere Highlights in den Mediatheken von ARD, ZDF und Arte hingewiesen, inklusive Link zu den entsprechenden Angeboten. Ein ausgeklügeltes Empfehlungssystem, das auch Verweise auf spätere Sendungen enthält, bietet aber auch Zattoo an. Und Magine wird Anfang 2017 ebenfalls Mediatheken einbinden.
Nicht billiger, aber möglicherweise bequemer
Zusammengefasst sind die TV-Streamer zwar nicht grundsätzlich billiger als DVB-T2, aber möglicherweise für jene Zuschauer, die schon jetzt fast ausschließlich per YouTube oder Video-on-Demand schauen, deutlich bequemer. So wird weder eine Antenne noch eine Satellitenschüssel gebraucht. Und da die Sticks mit W-Lan-Funk arbeiten, kann sogar auf ein Netzwerkkabel verzichtet werden.
zattoo.com, magine.com, live.tvspielfilm.de
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