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Fernsehnutzung: Interessant vor relevant

Für die „Tagesschau“ haben sie wenig übrig. Die Jugend will Shows und Serien. Vor allem ProSieben und RTL treffen den Geschmack des Publikums.

Und das ist die Wahrheit? Deutschlands Jugend sieht nicht mehr fern, es sei denn, sie schaltet Trash-TV ein. Neueste Belege für letztere These lieferte das „Dschungelcamp“. Nach den Zahlen von Media Control brachten das größte Interesse an der RTL-Show erneut junge Frauen zwischen 14 und 19 Jahren auf. Der Marktanteil in dieser Gruppe lag bei fast 71 Prozent. In der männlichen Zielgruppe der 20- bis 29-Jährigen verdoppelten sich sowohl Reichweite – von 240 000 auf 490 000 Zuschauer – als auch Marktanteil von 27,2 auf 53,7 Prozent.

Wer so intensiv die Entwicklung von Joey Heindle vom Dschungelfrosch zum Dschungelkönig miterlebt hat, der kann sich vom Fernsehen so fern nicht bewegen. Was immer gestimmt hat und noch heute stimmt: Junge Menschen schalten kürzer ein als ältere. Dabei blieb, wie ARD-Medienforscher Stefan Geese festgestellt hat, „in den vergangenen Jahren die klassische Fernsehnutzung dieser Altersgruppe annähernd stabil“. 107 Minuten täglich waren es 1992, 2008 schon 135 Minuten, der Höhepunkt wurde 2010 mit 142 Minuten gemessen; seitdem bröckelt die Nachfrage, im vergangenen Jahr waren 136 Minuten täglich. Im Gesamtpublikum waren es 2012 stolze 222 Minuten. Was beim jungen Publikum auffällt: Das sanfte Abfallen der Fernsehkurve korreliert mit einem deutlicheren Anstieg der Online-Nutzung, 152 Minuten (2005) auf 168 Minuten (212).

Verwundern kann nicht, dass die Privaten mit ihrer Jugend-Fokussierung Erfolg haben. Nach Marktanteilen gerechnet liegt ProSieben mit 19,9 Prozent vor RTL (17,5 Prozent), Sat 1 (8,5 Prozent) und RTL 2 (8,3 Prozent), Vox (6,8 Prozent) und Kabel 1 (4,9 Prozent). Auf Platz sieben folgt mit der ARD der erste öffentlich-rechtliche Sender (4,7 Prozent) vor dem ZDF (4,0 Prozent). Die übrigen Programme unter den Top Ten sind Super RTL (2,7 Prozent) und Dritte ARD-Programme (2,5 Prozent).

Auf diese zehn präferierten Sender entfallen 80 Prozent des Fernsehkonsums. Dieses Ergebnis ist identisch mit dem Verhalten des Gesamtpublikums, ebenfalls deckungsgleich sind die Top Ten der eingeschalteten Programme. Nur ist dort die Reihenfolge eine andere: 2012 lagen ZDF (12,6 Prozent Marktanteil) und Dritte (12,6 Prozent) vorne, es folgten ARD und RTL (beide 12,3 Prozent), dahinter reihten sich Sat 1, ProSieben, Vox, RTL 2, Kabel 1 und Super RTL ein.

Bei den präferierten Inhalten und Formaten schält sich ein klares Übergewicht für die Unterhaltung heraus. Fiktion (Show und Serie) beansprucht 39 Prozent der Fernsehzeit, andere Unterhaltungssendungen (Shows mit Stefan Raab zum Beispiel) kommt auf 21 Prozent. Information füllt 24 Prozent, Sport fünf Prozent, dass die Werbung elf Prozent reklamieren kann, hat viel mit den bevorzugten Privatprogrammen zu tun.

Welche Sendungen dieses Fernsehverhalten formen? Die älteren Zuschauer (und Jugendpessimisten) werden vielleicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die „Tagesschau“ um 20 Uhr, im Gesamtpublikum mit 8,79 Millionen Zuschauer die alles überstrahlende Nachrichtensendung, fällt bei den jungen Zuschauern schier durch: Gerade mal 280 000 der 14- bis 29-Jährigen schalten die „Tagesschau“ ein, das sind im Schnitt genauso viele, wie die RTL 2 News Zuschauer erreichen. Die Zahlen reflektieren einerseits die präferierte Programm-Nutzung dieser Zuschauergruppe und sie reflektieren andererseits ein anderes Verständnis von Information: Interessant geht vor relevant. Unter den 200 meistgesehenen Informationssendungen 2012 kommen das Erste, das ZDF und auch der Senior unter den Privatsendern, Sat 1, nur ein paar Mal mit Nachrichten im Umfeld von Fußballübertragungen vor. ProSieben regiert mit mehr als 100 Nennungen das Konkurrenzfeld, zuvorderst liegen „Galileo“ samt Ableger und die Magazine „Red“ und „Taff“. RTL reüssierst mit Formaten wie „Rach“, „Undercover Boss“ und einigen Ausgaben von „RTL aktuell“.

Bei der Unterhaltung können ARD und ZDF nur dann in die private Phalanx einbrechen, wenn sie den „Eurovision Song Contest“ und „Wetten, dass..?“ im Angebot haben. Bei der Fiktion dominiert ProSieben mit Filmen und ganz besonders mit US-Serien („Two and a half men“, „Big Bang Theory“).

Unterm Strich: Jugend sieht fern und ganz anders fern als das Gesamtpublikum und die älteren Zuschauer. Um diesen Generationenabriss zu heilen und den riesigen Abstand zu den Privatsendern zu „verkürzen, grübeln ARD und ZDF über einen Jugendkanal nach. Prima, wird der Optimist sagen und der Realist wird kontern: Das wird nichts mehr. Eher verabschiedet sich die Jugend vom Medium als dass sie sich der öffentlich-rechtlichen Spielart zuwendet.

Joachim Huber

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