Informationsfreiheit: Innenministerium will Veröffentlichung interner Dokumente verhindern
Wenn Behörden Information freigeben, heißt das nicht, dass jeder sie sehen darf. Das Innenministerium will klagen, weil das Informationsfreiheitsportal FragdenStaat.de ein Gutachten veröffentlichte.
Die Seite FragdenStaat.de hat sich der Aufgabe verschrieben, dem sogenannten Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Geltung zu verschaffen. Das Gesetz regelt, wann Bürger von Behörden welche Informationen verlangen können. Denn die Wähler haben ein Recht darauf zu erfahren, was ihre Beamten so treiben und planen. Doch viele Behörden haben ihre Mühe mit dem IFG und mit der Transparenz. Immer wieder versuchen sie, sich dagegen zu wehren.
Mit welchen Mitteln sie das versuchen und wie transparent der Staat wirklich ist, hat ZEIT ONLINE bereits genauer untersucht. Das Bundesinnenministerium (BMI) liefert derzeit einen neuen Beleg für solche Schwierigkeiten. Guido Strack, der unter anderem das Whistleblower-Netzwerk gegründet hat, fragte via FragdenStaat.de das BMI nach einem Gutachten zur Europawahl. Darin vertritt das Ministerium die Auffassung, jede Sperrklausel bei einer Europawahl verstoße gegen die Verfassung.
Strack forderte nach dem Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in dieses Gutachten und bekam sie auch. Allerdings wollte ihm das BMI untersagen, den Text öffentlich zugänglich zu machen. Die Begründung: Das Gutachten wurde vom BMI verfasst, man habe also ein Urheberrecht und verbiete eine Veröffentlichung.
FragdenStaat.de ignorierte die Forderung und stellte den Text zum Download zur Verfügung. Dafür wurden die Betreiber nun vom Ministerium abgemahnt. Die Nutzungsrechte an dem Dokument würden sich auf eine "private Kenntnisnahme beschränken", heißt es in der Abmahnung. Eine Veröffentlichung sei verboten. Die Betreiber von FragdenStaat.de sollen eine Unterlassungserklärung abgeben und 887 Euro Anwaltsgebühren zahlen.
Mit Urheberrecht Meinungsfreiheit einschränken
Es ist nicht das erste Mal, dass Behörden versuchen, die Veröffentlichung interner Dokumente mit dem Argument Urheberrecht zu verhindern. Der Bundestag versuchte es genauso, als er Gutachten seines wissenschaftlichen Dienstes sperren wollte. Darin ging es um Abgeordnetenkorruption. Die Seite netzpolitik.org, die es veröffentlicht hatte, bekam einen Drohbrief. Auch prozessiert wurde um diese Frage schon.
Der damalige Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, kritisierte das Vorgehen. Er fand, das IFG kenne zu viele Ausnahmen, der Grundsatz der Regierenden solle Transparenz sein, nicht Verschwiegenheit.
Nun wird es also wieder versucht. Stefan Wehrmeyer, einer der Betreiber von FragdenStaat.de, erklärt dazu: "Der Bundesregierung geht es nicht um Autorenrechte. Sie nutzt das Urheberrecht willkürlich, um die Veröffentlichung von bestimmten, staatlichen Dokumenten zu verhindern. Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung die Nachvollziehbarkeit politischen Handeln vor den Bürgern verbergen will." Urheberrecht werde hier missbraucht, um die Meinungsfreiheit zu beschränken.
Das Argument derjenigen, die für mehr Informationsfreiheit sind, ist simpel: Von Steuern bezahlte Beamte haben mit Steuern finanzierte Gutachten erstellt und es ist nicht erkennbar, warum diese Informationen geheim bleiben sollten. Dass die Informationen für die Behörden unbequem sind, dürfe kein Grund sein, sie zu verstecken.
FragdenStaat.de sieht in der Abmahnung gar eine Strategie, die ganze Website, über die jeder einfach Informationsanfragen an Behörden schicken kann, zu behindern. Man scheint daher geradezu darauf zu warten, vom BMI verklagt zu werden – um den Fall eindeutig zu klären.
Dieser Text erschien zuerst auf Zeit Online.
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