Internet-Kult Katzenvideos: „In Uganda gibt es lustige Filme mit Ziegen“
Buzzfeed, Facebook, überall: Katzenvideos regieren das Internet. Könnte man meinen. Dabei gibt es kulturelle Unterschiede. Ein Gespräch mit Jason Eppink, Kurator im Museum of the Moving Image.
Mister Eppink, im Museum of the Moving Image erwartet man Hollywoodstars und Experimentalfilmemacher – keine Katzen, die sich auf Computertastaturen legen, Klopapierrollen auf- und wieder zurückrollen oder Yoga machen. Wie kamen Sie denn auf die Idee für die Ausstellung „How Cats took over the Internet“?
Das ging mir plötzlich durch den Kopf, als ich über mögliche Themen nachdachte – und sofort empfand ich einen fast physischen Widerwillen dagegen. Katzenvideos sind ja der Inbegriff von hirnlos und dämlich. Aber als ich anfing zu recherchieren, merkte ich, dass das Thema größer, spannender sein könnte als befürchtet.
Und Ihr Chef hat Sie für verrückt erklärt?
Als ich unserem Direktor davon erzählte, hat er ein paar Sekunden überlegt und dann gesagt: Okay – wenn wir eine echte Katze bei der Eröffnung haben.
Und, kamen welche zur Vernissage?
Nein, das haben wir zeitlich nicht hingekriegt. Aber im Januar tritt Lil BUB auf, die ist ein richtiger Star. Katzenvideos haben teilweise Einschaltquoten von Hunderttausenden, Millionen. Auch viele meiner Freunde sitzen davor und teilen die Filme. Ich wollte verstehen, warum.
Das Publikum scheint seinen Spaß zu haben, die Leute sitzen selig im Museum, die Schau wurde bis Ende Februar verlängert.
Was noch wichtiger ist: Sie kapieren, worum es geht. Einmal bekam ich mit, wie ein Vater seiner zehnjährigen Tochter den Anthropomorphismus der Videos erklärte: Was Du glaubst, was das Tier fühlt, sind deine eigenen Gefühle, das ist eine Projektion. Es geht in den Videos ja nicht einfach darum, ein Katzenleben widerzugeben. Katzen schlafen zwei Drittel ihres Lebens, aber wir sehen kaum Videos von schlafenden Katzen. Nein, wir richten unsere Kameras in ganz bestimmten Momenten auf sie, dann schneiden wir das und teilen es. Das heißt, wir konstruieren eine bestimmte mediale Darstellung der Katze, um unsere eigenen Bedürfnisse und Sehnsüchte zu befriedigen.
Und was sind das für Momente, in denen wir die Kamera zücken?
Da gibt es im Wesentlichen zwei. Zum einen, wenn sie wie Aliens wirken und wir sie nicht verstehen. Oft werden sie lächerlich gemacht, als Deppen dargestellt – offenbar finden die Menschen das lustig, eine Katze zu betrachten, die ihre Umwelt nicht versteht, keine Kontrolle hat. Auch Filme, in denen Katzen ohne ersichtlichen Grund ausflippen, sind sehr beliebt. Ein Video, das gerade extrem erfolgreich ist, zeigt, wie jemand eine Gurke hinter seine Katze legt, während die frisst, und als sie sich umdreht und die Gurke entdeckt, flippt sie aus.
Und der andere Moment?
Wir filmen auch, wenn sie etwas auszudrücken scheinen, womit wir uns identifizieren können: Guck mal, was meine Katze Niedliches oder Komisches macht. Das finden wir süß, weil sie ein Gefühl darzustellen scheint, das man kennt und versteht. Es gefällt uns, wenn Katzen handeln wie wir.
Haben Sie Beispiele?
Wir zeigen einen Film, in dem eine Katze zärtlich zu einer anderen zu sein scheint. Und einen anderen, in dem das Tier deprimiert wirkt. Katzen haben Gefühle, aber nicht so komplexe wie wir.
Und warum Katzen und nicht Hunde?
Es gibt sogar noch mehr Filme von Hunden im Internet. Aber sie erfüllen eine andere Funktion, weil sie ganz unterschiedliche Tiere sind. Hunde sind sehr soziale Wesen. Katzen dagegen sind sehr unabhängig. Im Moment zum Beispiel gibt es einen beliebten Typus Hundevideo – allein in dieser Woche habe ich ein paar gesehen –, da kehrt ein Soldat nach langer Zeit nach Hause zurück und sein Hund, der ihn ein, zwei Jahre nicht gesehen hat, flippt aus vor Freude. So was würden Sie nie mit einer Katze sehen.
Es gibt noch einen Unterschied: Mit Hunden geht man draußen spazieren, mit Katzen nicht.
Ja, man hat keinen physischen Ort, wo man über seine Katze reden, von ihr schwärmen, sich mit anderen austauschen kann. Also macht man es im Netz. Jack Shepherd von BuzzFeed meinte mal, das Internet diene im Prinzip als riesiger Katzenpark. Das wäre ein Grund, warum sie im Internet populärer sind – auch wenn es mehr Hundevideos gibt, Katzenfilme werden häufiger geteilt.
Inzwischen gibt es ein ganzes Katzenvideo-Festival, in Minneapolis.
Ja, dessen Leiter, Will Braden, hat die Filme für unsere Ausstellung ausgesucht. Der guckt Tausende von Katzenvideos im Jahr.
So wie viele Leute, wenn sie sich bei der Arbeit gerade langweilen?
Ich glaube, Jonah Peretti, der Gründer von Buzzfeed, hat den Ausdruck „snackable content“ geprägt: eine digitale Geschichte, die man wie einen Snack konsumieren kann. Von ihm stammt auch der Ausdruck „Bored-at-Work Network“. Es gibt bestimmte Filme, Bilder oder Artikel, die man sich für eine schnelle Ablenkung raussucht. Da unterbricht jemand, was immer er gerade tut, guckt sich was an – Katzenvideos scheinen besonders gut geeignet zu sein – und geht nach ein paar Minuten zurück an die Arbeit.
Mit mehr Elan?
Es gibt ja jede Menge Studien dazu, dass Kontakt zu Tieren gesundheitsfördernd ist. Allein sie anzugucken, tut einem gut. Es gibt übrigens auch viele Studien zum Phänomen des Niedlichen. Wir können etwas nur süß finden, wenn wir mächtiger sind. Und schon der Akt des Filmens oder Fotografierens von Katzen und des anschließenden Teilens beweist, dass wir die Kontrolle haben.
Guckt sich denn die ganze Welt Katzenvideos an?
Es ist ein großer Irrtum, zu denken, unser Internet sei das Internet. Man muss den Blick weiten. In Japan, Nordamerika, Westeuropa oder Russland sind Katzenvideos besonders populär. Das liegt auch daran, dass dort so viele Leute sie als Haustiere halten. Also sind sie einem vertraut, man hegt eine große Zuneigung. In anderen Teilen der Welt werden Katzen eher mit Misstrauen betrachtet, da kommen sie nicht ins Haus. Dort nehmen andere Tiere ihre Rolle ein. In Uganda zum Beispiel leben und arbeiten die meisten auf dem Land, in engem Kontakt mit Hühnern und Ziegen. Also gibt es dort lustige Filme von Ziegen und Hühnern. Oder das Lama: Das ist in Südamerika sehr beliebt.
Haben Sie selber eine Katze?
Nein. Ich bin allergisch. Außerdem mag ich sie nicht besonders.
Susanne Kippenberger
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