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Eine Fehlzündung nach der anderen. Olivia Jones und Bernd Stelter versuchten als "KarnevalsKracher" im Ersten
© ARD

Karnevals-Quatsch und Trump-Reality-TV: In der Fernsehhölle

Unvergleichlicher Fernsehabend: Die "KarnevalsKracher" im Ersten und parallel Donald Trump bei CNN und BBC World

Es war Zufall, gewiss. Ein schrecklicher Zufall. Das ARD sendete am Donnerstagabend ab 20 Uhr 15 die "KarnevalsKracher". Zugleich konnte der Zuschauer bei CNN und BBC World News die Übertragung der Donald-Trump-Pressekonferenz im Weißen Haus verfolgen. Wer sich diesem parallelen Wahnsinn aussetzte, der war gebannt, fasziniert, schockiert. Er war in der Fernseh-Hölle.

Das Erste war fest überzeugt, die traditionellen Karnevalssitzungen mit eigener Kraft und mit eigenem Können zu pimpen. Der Hessische Rundfunk also ließ die "KarnevalsKracher" los. Olivia Jones also aus der Pappmachè-Kulisse raus und erklärte ihrem Counterpart Bernd Stelter, warum sie ihren Rollator mitgebracht hatte: Eine Operation hindert die Drag Queen am Geradeaus-Laufen. Den Hessischen Rundfunk aber wolle sie nicht im Stich lassen (wahrscheinlich auch nicht ihr Bankkonto). Stelter ist ein Veteran des Lustig-Fernsehens, nur lustig, das ist er halt nicht. "Das schönste Fernsehpaar seit Marianne und Michel", scherzte die Olivia. In diesem Ha-ha-Rhythmus ging es unbarmherzig weiter. Matze Knop trat als Bundestrainer im "Aktuellen Spott-Studio" auf, ein Doof-Sänger hatte sich zum Grönemeyer-Sound die Textzeile "Sie macht Musik nur, wenn Sie Kraut isst, wenn sich nachts die Decke hebt". Natürlich wurden Witze über Intimrasuren gerissen und dann - gedacht wohl als finaler Höhepunkt - stolperte Bernd Stelter in Stöckelschuhen und Frauenklamotten in die Kamera. Unsagbar verschwiemelt, unsagbar verklemmt das alles. Die ARD, namentlich der Hessische Rundfunk muss sich für diese "KarnevalsKracher" und ihr Moderatoren-Duo und in Grund und Boden schämen. Die Quote war schon die erste Strafe: Nur 2,47 Millionen schalteten ein, ein Marktanteil von nur 7,4 Prozent. Dass dieser Wert beim Publikum der 14- bis 49-Jährigen nur 2,4 Prozent betrug, zeigt das Problem des Karnevals-TV in aller Schärfe. Das jüngere Publikum hat die Unterhaltung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen komplett abgeschrieben.

Wortzuteiler. US-Präsident Donald Trump ruft während esiner Pressekonferenz einen Reporter auf.
Wortzuteiler. US-Präsident Donald Trump ruft während esiner Pressekonferenz einen Reporter auf.
© dpa

Trump oder das Reality-TV

Ich gestehe, ich habe die sagenhafte Peinlichkeit im Ersten nicht über die vollen 90 Minuten gesehen. Ich musste permanent zwischen diesen "Krachern" und der Pressekonferenz von US-Präsident Donald Trump hin und her schalten. Was CNN und BBC World News übertrugen, war pures Reality-TV. Ein US-Präsident, der in seiner eigenen Wirklichkeit lebt und alle Reporterfragen nur danach akzeptiert, ob sie in sein Weltbild passen oder nicht. Die "ehrlichen" Medien, also jene, die Trump mag, und die "Fake News"-Medien, die er nicht mag, so unterscheidet er. Manchmal kassierte er Fragen, indem er dem Fragesteller das Wort abschnitt, manchmal überzog er den Fragesteller mit bösen Vorwürfen. Die Journalisten von CNN und BBC World, "another beauty", wie Trump süffisant anmerkte, standen aufrecht und machten dem Journalismus alle Ehre: Sie fragen, der Präsident soll antworten. Das will der schon, aber nur mit der Maßgabe, wie Donald Trump die Welt sieht. Wer das nicht gesehen und gehört hat, der wird es nicht glauben wollen. Ein großer, schrecklicher Moment des Live-Fernsehens.

Fox-Reporter verteidigt Kollegen

Meedia-Autor Nils Jacobsen erwähnt zu Recht, dass Trump selbst bei seinem Lieblingssender, Fox News, mittlerweile auf Widerstand stößt. „Es ist verrückt, was wir da jeden Tag zu sehen bekommen“, setzte Fox-Mitarbeiter Shepard Smith nach der kontroversen Pressekonferenz an. „Es ist komplett verrückt. Er wiederholt alberne Behauptungen, die sich nicht im Entferntesten als wahr erweisen und vermeidet Antworten zu Russland, als wären wir die Trottel, die die Fragen stellen“, ereiferte sich Smith über Trump nach der unerklärten Affäre um Kontakte zum russischen Geheimdienst.

Und Smith legte nach: „Nein, Sir, wir keine Trottel, diese Fragen zu stellen, und wir verlangen Antworten auf diese Frage. Sie schulden sie dem amerikanischen Volk“, machte Smith klar. „Sie nennen uns Fake News“, solidarisierte sich der Fox News-Nachrichtensprecher mit den Kollegen von CNN, „und behandeln uns wie Kinder, weil wir die Fragen stellen. (…)  Das Volk verdient eine Antwort!“ Smiths flammende Rede, schreibt Nils Jacobson, ging im Social Web viral und erhielt viel Zustimmung.

Karnevals-Wahnsinn im Ersten, Trump-Wahnsinn in den angloamerikanischen Sendern. Eine Fernsehhölle, wie gesagt. Hätte die ARD wenigstens die Trump-Show übertragen, wäre außer Wahnsinn noch ein Mehrwert drin gewesen. Aber die ARD bleibt die ARD.

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