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Medien: Im Münchner Ghetto

Film mit Barbara Rudnik über die Problemkinder von Hasenbergl

Ihre Heimat ist anderswo. Weit weg, in einem fernen Land, das sie von früher kennen, aus Erzählungen oder aus einer der beiden Sprachen, die sie sprechen: türkisch, griechisch. Hier heißt ihre Heimat Münchner Hauptbahnhof, Karlsplatz und Hasenbergl. In den Hasenbergl, draußen an der Peripherie, wohnen Ausländer und soziale Randgruppen. Keiner in München will da hinziehen.

In dem Stadtteil wohnen der zwölfjährige Christos (Ioannis Tsialas) und sein 16-jähriger Bruder Maikis (Toni Osmani) mit ihrem älteren Bruder und der Mutter gemeinsam in einer kleinen, einfachen Wohnung, wo es auch in der Küche noch eine Schlafstätte gibt. Es ist ein Leben neben dem Leben. Selbst die 48 Euro, die die jüngeren Brüder jährlich in der Förderschule für das Essen zahlen sollen, hat die Mutter nicht. Christos und Maikis sind in ein Milieu geschlittert, in dem schnelle Finger angesagt sind, mit Drogen gedealt wird und man sich auch schon mal als Strichjunge etwas dazu verdient. Unten, am Karlsplatz, in den Toiletten, gleich neben U-Bahn und unterirdischem Einkaufszentrum. Auch die anderen Jugendlichen an der Förderschule sind „schwierig“. Als Hanna Solinger (Barbara Rudnik) ihren neuen Job antritt, zeigen sie der Neuen, was sie von ihr halten und wie sie mit Lehrern halt so umgehen. Von ihr, von der „Lehrerfotze“, lassen sie sich nichts sagen. Hanna ergreift die Flucht. Just einen Abend zuvor hatte Christos ihr bei der Ankunft am Bahnhof das Portemonnaie geklaut. Ausgerechnet er will sie nun wieder zurückholen – weil er sie gut findet, vielleicht auch, weil er merkt, sie könnte ihm und den anderen helfen. Xaver (Günther Maria Halmer), der Freund von Hannas Mutter, der Sozialarbeiter ist und auch mit den Jungs der Förderschule zu tun hat, ermutigt Hanna, es noch einmal zu probieren. Nur diesmal eben anders, mit Ghettoblaster und etwas mehr Offenheit …

Für „Ghettokids“ (Arte, 20 Uhr 45) hat Regisseur Christian Wagner („Transatlantis“) Laiendarsteller, auch aus eben jenem Stadtteil Hasenbergl gecastet. Menschen also, die genau wissen, was sie hier spielen. Christos, Maikis und all die anderen spielen sozusagen sich selbst. Sie erzählen von ihrem Leben, von ihrer kruden Realität. So authentisch das sein mag, so tragisch ist es auch. Zumal Wagners Sozialdrama auf realen Tatsachen basiert: auf den Erfahrungen der Münchner Sonderschullehrerin Susanne Korbmacher-Schulz, die daraufhin seinerzeit den „Ghettokids-Verein“ gründete und das Projekt „Lichttaler“ initiierte.

Nicht zuletzt die Bilder des renommierten Kameramannes Jürgen Jürges („Funny Games“, „In weiter Ferne so nah“) zeigen eine Welt, zu der der Normalbürger keinen Bezug hat. Es sind Bilder aus einer Unterwelt, die es auch im leuchtenden München gibt. Christian Wagners angenehm unprätentiöser Film erregte bereits auf den Festivals von München, Montréal und Paris viel Aufmerksamkeit. Thilo Wydra

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