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Werbung auf mobilen Geräten boomt.
© AFP

Zukunft der Online-Werbung: Im Bann der Banner

Erstmals haben Online-Portale mehr als eine Milliarde Euro mit Werbung verdient. Trotzdem tut sich die Branche noch immer schwer, die passende Form zu finden. Warum penetrante Pop-ups nicht die Zukunft sind.

Der Vergleich klingt makaber, doch trifft er die Sorge der Branche ziemlich gut: "Es ist wahrscheinlicher, dass ein Mensch mit dem Flugzeug abstürzt, als dass er bewusst und mit voller Absicht ein Werbebanner auf einem Smartphone anklickt." Rainer Burkhardt, Geschäftsführer der Werbeagentur KircherBurkhardt mit Sitz in Berlin, zitiert diesen selbstverständlich als Scherz gemeinten Satz von US-Werbespezialist Joe Pulizzi gerne. Er will damit die Herausforderung verbildlichen, vor der seine Branche steht: Nämlich Werbung in digitalen Medien so zu verpacken, dass sie nicht als störend empfunden wird. Sondern so gestaltet ist, dass der Nutzer gerne darauf klickt - und am Ende, logisch, das Produkt auch kauft. Doch wie das gelingen kann, darüber herrscht noch immer große Verunsicherung.

"Wir wissen, welche Wirkung eine Anzeige hat, was ein Fernsehspot bringt, aber im Bereich Online-Werbung gibt es weiterhin ein großes Forschungsdefizit. Die digitalen Kanäle sind diesbezüglich eine Blackbox", sagt Volker Nickel vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Allerdings eine Box, in die Milliarden gesteckt werden. Um genau zu sein: 1,08 Milliarden Euro. So groß war das Netto-Werbevolumen der Online-Dienste nach Angaben des ZAW 2012, so groß wie noch nie zuvor. Damit ist zwar erstmals die Milliardengrenze überschritten worden. Doch im Vergleich zum Vorjahr wurde nur ein einstelliges Wachstum von neun Prozent erzielt. 2011 waren es noch 15 Prozent. Ein Zeichen dafür, dass die Branche womöglich zurückhaltender mit Investitionen in digitale Werbung geworden ist? Dass die Inhalte nicht so funktionieren wie gewünscht? Dass die klassische Werbung in Fernsehen, Radio und Print wieder mehr gefragt ist?

Kritisch gesehen werden sogenannte Pop-Up-Banner

Die Entwicklung spiegelt zunächst den allgemeinen Trend wider. 2012 sind die Netto-Werbeeinnahmen im Vergleich zum Vorjahr insgesamt rückläufig gewesen mit einem Minus von 3,2 Prozent auf 18,4 Milliarden Euro. Bezogen auf die einzelnen Werbeträger ist Online weiterhin der am stärksten wachsende Markt - kein Wunder, bietet Online-Werbung doch den Vorteil, dass Unternehmen hier sehr genau steuern können, welche Zielgruppen sie ansprechen. Wer im Netz auf eine Sport-Seite klickt, ist sehr wahrscheinlich an Sport, vielleicht auch an Gesundheitsthemen interessiert. Entsprechende Produkte werden beworben. Streuverluste können so vermieden werden.Doch während die Gefäße für Werbeformate in Zeitungen und Zeitschriften mit Anzeigen und mit Spots im Fernsehen etabliert sind, probiert sich die Branche auf der digitalen Spielwiese noch aus - und trifft nicht immer den richtigen Nerv. Besonders kritisch gesehen werden die sogenannten Pop-up-Banner, Werbefenster, die plötzlich aufspringen, wenn eine Seite geöffnet wird, die sich teilweise komplett über den Text legen. Statt nun im Sinne der Erfinder gebannt auf die Werbe-Banner zu starren, werden sie meisten schnell weggeklickt.

Heftig ist in den vergangenen Monaten deshalb auch über sogenannte Adblocker diskutiert worden, mit denen unerwünschte Werbung komplett ausgeblendet werden kann. Nachrichtenportale wie Zeit Online, Sueddeutsche.de und Spiegel Online riefen ihre Leser dazu auf, solche Blocker nicht zu nutzen. Werbung ist für Nachrichtenportale die wichtigste Einnahmequelle, denn die Inhalte werden kostenfrei zur Verfügung gestellt. Erst wenige Verlage wie der Springer-Verlag mit Welt Online und Bild.de setzen als Ergänzung parallel auf ein Bezahlmodell, weil sie sonst Reichweitenverluste fürchten. Mit den Adblockern wird folglich die wichtigste Einnahmequelle für die Portale blockiert.Im Gegenzug für den Adblocker-Verzicht sicherten die Portale deshalb zu, aufdringliche Werbung wie beispielsweise solche, die sich über die komplette Seite legt, nicht mehr einzusetzen - umso geforderter ist jetzt freilich die Werbebranche, attraktivere Formate zu entwickeln. Solche, die vom Nutzer nicht als störend, sondern als bereichernd empfunden werden.

Der Trend geht in Richtung Markeninszenierung

"Pop-up-Banner werden dabei keine große Zukunft haben", sagt Werbeexperte Rainer Burkhardt voraus. "Sie sind keine gute Story. Sie werden nicht auf Facebook geteilt. Sie sind kein Thema, über das im Freundes- und Bekanntenkreis gerne diskutiert wird." Der Trend geht nach seiner Ansicht deshalb eher in Richtung Markeninszenierung. "Viele Unternehmen bauen Geschichten rund um ihr Produkt auf, die dann über soziale Netzwerke verbreitet und so zum Thema werden", sagt Burkhardt. Ergänzend dazu werde weiterhin auf klassische Werbung in Medien gesetzt. "Ohne sie wird es auch in Zukunft nicht gehen, wenn die Bekanntheit einer Marke gesteigert werden soll."Das zeigen auch die Zahlen: Fernsehen und Radio haben 2012 mit ihren Netto-Werbeeinnahmen im Plus gelegen. Tageszeitungen verbuchten zwar ein Minus, unter anderem bedingt durch die schlechte wirtschaftliche Entwicklung und Pleiten von wichtigen Kunden wie Schlecker, doch im Gegensatz zu mancher Online-Werbung werden Anzeigen von den Lesern geschätzt, wie eine Umfrage des Allensbachs-Intstituts von 2010 zeigt. Auf die Frage "Was interessiert die Menschen in der Tageszeitung am meisten?" belegten Anzeigen den fünften Platz nach dem Lokalteil, der Innen- und Außenpolitik und dem Leitartikel.

Werbung in klassischen Medien wie Print bleibt unverzichtbar

"Viele Werbetreibende glauben zu Unrecht, auf klassische Medien verzichten zu können. Aber so weit sind wir noch lange nicht", sagt Christof Baron, Hauptgeschäftsführer der Media- und Marketing-Agentur Mindshare. Weil sich der Online-Markt stärker fragmentiere, würden die Klickraten auf einzelne Seiten weniger. Dadurch würden die Kampagnen an Schärfe verlieren. "Belanglose Kommunikationsformen wie Banner haben dann keinen Wert mehr, weil sie schlichtweg nicht mehr wahrgenommen werden in der Masse an Kontakten, die auf die Nutzer einprasseln."

"Leuchtturm-Kommunikation" nennt Baron das, was nach seiner Ansicht in Zukunft wieder an Wert gewinnen wird. Die Inszenierung einer Marke in den Massenmedien mit großem Wumms. "So wird eine breite Zielgruppe angesprochen, wie sie im fragmentierten Netz nicht bedient werden kann", erklärt Baron und verweist auf Unternehmen wie Apple oder Microsoft. Wenn diese ein neues Produkt bewerben, würden sie sich auch nicht nur allein aufs Netz beschränken, sondern den großen Auftritt mit klassischer Werbung in den Medien suchen. Den Grund für solche Entscheidungen sieht Paul Mudter vom Bundesverband Digitale Wirtschaft nicht allein in der breiten Wirkung: "In welchem Umfeld Werbung geschaltet wird, ist mitentscheidend. Zeitungen werden als besonders glaubwürdiges Medium wahrgenommen. Das wirkt sich dann auch auf die Werbung aus." Umso mehr sei die Branche deshalb bei den digitalen Medien herausgefordert. "Mobil haben wir derzeit die größten Wachstumsraten. Werbekunden tun sich allerdings noch schwer damit, hier die richtige Form zu finden", sagt Mudter. Auch, weil das Thema Datensicherheit eine große Rolle spielt.

Big Data heißt nicht gleich Big Brother

Aktuell befeuert durch die Enthüllungen über das US-Spähprogramm Prism dürften Nutzer zurückhaltender mit der Weitergabe ihrer Daten werden - auf die ist die werbetreibende Industrie jedoch angewiesen. Big Data, also große Datensammlungen, ist für sie attraktiv, um Zielgruppen so gut wie möglich zu definieren. "Big Data heißt aber nicht gleich Big Brother", beschwichtigt Volker Nickel vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft. Die Konsumenten hätten es schließlich selbst in der Hand, ob und welche personenbezogenen Daten sie weitergeben würden. Für Mittelständler sei Big Data ohnehin kein Thema, sagt Nickel. Zu komplex. Sie würden vorerst weiter auf klassische Werbung wie Anzeigen setzen. Dennoch sind mobile Geräte wie Handys und Tablet-Computer im Fokus der Werbeindustrie. Wer als Nutzer seinen Standort angibt, wird in Zukunft Angebote von Geschäften aus der jeweiligen Umgebung direkt auf sein Display gesendet bekommen, sagt Werbeexperte Baron voraus: "Der Konsument wird allerdings sehr genau definieren können, was er will und was nicht." Ein Digital-Servent, eine Art digitaler Butler, werde Konsumenten dabei unterstützen, interessante Angebote herauszufiltern. "Denn wenn der Nutzer alle zwei Minuten eine Botschaft aufs Handy-Display gespielt bekommt, ist es für ihn unmöglich, das zu verarbeiten. Da ist er doch nur genervt. Und genau das soll Werbung ja nicht bewirken."Rainer Burkhardts Scherz, dass ein Flugzeugabstuz wahrscheinlicher ist als ein bewusster Klick aufs Werbebanner, könnte damit also bald von gestern sein.

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