Interview: „Ich muss keine erotische Seite ausleben“
Birgit Minichmayr hat die Buhlschaft gespielt und Lady Macbeth, im neuen "Bloch"-Film ist sie die psychotische Andrea. Ein Gespräch über Schauspielerei und Therapie, Weibsteufel und Bruce Willis.
Frau Minichmayr, haben Sie eine Ahnung, wie viel die Seele wiegt?
21 Gramm.
Wie in diesem gleichnamigen Film mit Sean Penn. Das ist aber zu wenig. Im Vorspann zu „Bloch“ heißt es: „Die Seele wiegt ein und ’nen halbes Kilo.“ Glauben Sie an so etwas oder gar an die Unsterblichkeit der Seele?
Ich glaube schon, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit uns glauben lässt.
Wie es um die Seele der Andrea, dieser komplizierten Figur aus dem neuen „Bloch“ bestellt ist, bleibt bis zuletzt unklar. Als das Paar Andrea und Jens am Ende des Films aus der Praxis des Psychologen kommt, geht Andrea kommentarlos in eine andere Richtung, der Freund blickt hinterher. Kommen die beiden wieder zusammen?
Schwer zu sagen. Was meinen Sie?
Ich glaube nicht.
Ich auch nicht. Ich finde es schwer, mit so vielen Problemen in einer Beziehung zu bleiben.
Aber manchmal lohnt sich die Mühe.
Hier denke ich nicht. Die Musterreaktionen zwischen den beiden sind zu stark ausgeprägt. Ursprünglich gab es ein Happy Ende im „Bloch“. Wir fanden es jedoch zu delikat, dass man da nach ein paar Sitzungen Paartherapie beim Psychiater wieder heil rauskommen soll. Das ist mir zu einfach. Es ist besser, das offen zu erzählen.
Diese Andrea mit ihrer dunklen Vergangenheit ist der reinste Klammeraffe. Sie lügt, manipuliert, wütet. Konnten Sie bei der Arbeit aus dem eigenen Leben schöpfen?
Ich untersuche Drehbücher nicht auf autobiografische Parallelen hin, nie. Ich muss nicht irgendetwas selbst erlebt haben, um es nachvollziehen zu können. Schauen Sie sich Bruce Willis an. Der ballert ja auch nicht ständig rum in seiner Freizeit. Man sucht beim Schauspieler immer so gerne autobiografische Züge.
Was ist daran verkehrt?
Ich war gerade auf einem Gastspiel in Frankreich. Eine Verbindungsmöglichkeit zwischen Schauspieler-Arbeit und Privatperson, das kennt man dort gar nicht. Hierzulande wurde ich nach „Alle Anderen“ zur Beziehungsexpertin. Damit schmälert man fast die Arbeit des Schauspielers.
Nichts liegt mir ferner.
Ich weiß. Wissen Sie, es geht in unserem Job schlicht und ergreifend darum, Geschichten zu erzählen.
Dennoch, als ich Sie jetzt im Film mit dem Therapeuten Bloch sah, fiel mir ein, dass Sie in einem früheren Interview gesagt haben, Sie seien als Jugendliche beim Therapeuten gewesen, wegen Essstörungen …
Das stimmt. Aber das Thema ist durch. Alles gut. Verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist natürlich nicht ungesund, in der Form über Probleme, Missstände, Befindlichkeiten zu sprechen.
Viele Schauspieler, Kreative wie zum Beispiel Woody Allen, haben zeit ihres Lebens Analyse oder Therapie gemacht.
Ich habe auch gewisse Momente. Wenn ich glaube, dass ich in meinem Leben eine Kurskorrektur brauche, rufe ich diesen Menschen meines Vertrauens an.
Sie haben den Weibsteufel gespielt, Lady Macbeth, die Buhlschaft, Hedda Gabler, nun im TV-Film diese psychotische Andrea. Kann man da nicht vieles ausleben, Persönlichkeitsanteile rauslassen?
Ich habe das nie als selbsttherapeutischen Ansatz gesehen. Meine Arbeit ist eigentlich eine Sekundärarbeit, wo ich mir geschriebene Wörter leihe. Gerade auch im Theater, wo es primär eine Autorenschaft zu untersuchen gilt, die Relevanz der Stücke. Nicht das Psychogramm einer Birgit Minichmayr.
Die von Journalisten gerne mal die Schlagzeile „Extremschauspielerin“ oder „Weibsteufel“ bekommt.
Ich muss mit der Rolle des Weibsteufels nicht meine erotische Seite ausleben. Die Sachen finden mich, oder ich finde die Sachen. Schauspielen ist ein Mannschaftssport. Das ist immer gekoppelt an den Regisseur oder den Partner, wie beim „Bloch“ mit Devid Striesow.
Ihre Rollen haben einen auffällig tragischen Einschlag, diese unglückliche Liebesbeziehung in „Alle Anderen“, wofür Sie den Silbernen Bären bekommen haben. Das Paar im „Bloch“. „Gnade“ von Matthias Glasner war auch nicht Comedy.
Stimmt. Aber den „Knochenmann“, den ich gemacht habe, kann man durchaus im Komödiantischen ansiedeln. Ich gucke mir schon gern humorvolle Sachen an, würde sie auch spielen. Aber es gibt in dieser Hinsicht in Deutschland wenig, was mir gefallen würde.
Worüber haben Sie zuletzt im Kino oder Fernsehen gelacht?
Über „The King of Comedy“, mit Robert de Niro, auf DVD.
Sie haben keinen Fernseher?
Nein. Zurzeit schaue ich all diese US-Serien auf DVD an, bin ganz fanatisch bei „Enlightened“ mit Laura Dern. Ein Comedy-Drama. Kennen Sie das?
Noch nicht. Was ist mit „Mad Men“, „Breaking Bad“, „In Treatment“?
Ja, auch alles großartig. Diese Produktionskultur haben wir eben leider nicht im deutschen Fernsehen.
Aber den deutschen Krimi. Reizt Sie die Rolle des „Tatort“-Kommissars? Devid Striesow, Eva Mattes oder Martin Wuttke, das sind ja keine ganz Schlechten.
Alles großartige Kollegen. Das Format hat Bestand. Und man sollte nie nie sagen. Aber wie viele „Tatort“-Kommissare haben wir jetzt in Deutschland?
21 Ermittler-Gespanne.
Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, im 22. Team die Kommissarin zu geben.
Man sieht Sie eh nicht so oft im Fernsehen. Wie wählerisch sind Sie? Viele Schauspieler klagen über die Angebotslage.
Ich kann ganz gut „Nein“ sagen, habe ja auch ein festes Engagement am Residenztheater. Zurzeit sind einige Kinoproduktionen im Vorlauf. Da hoffe ich, dass wir die Finanzierungen hinbekommen.
Markus Ehrenberg
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