Im Interview: Serdar Somuncu: „Ich kenne diesen Welke nicht“
Kabarettist und Autor Serdar Somuncu über kleine Sender, neue Medien, Anarchie, Brexit und die „heute-show“.
Die wichtigste Frage zuerst, Herr Somuncu: Ist Fernsehen wirklich Kunst? Das behaupten Sie in Ihrer „Tevolution“.
Fernsehen ist auch Kunst. Aber leider nur selten wirklich gute. Wenn man beispielsweise die Möglichkeiten nutzt, die einem heute das veränderte Sehverhalten der Zuschauer bietet, sehe ich die Chance einer Erneuerung. Allerdings nur, wenn man sich von traditionellen Denkmustern löst und mutiger wird. Dazu gehört auch, dass man die Funktionsweise der neuen Medien versteht, ohne sie zu kopieren. Mehr Gleichgewicht zwischen On-Demand und Anarchie wäre zum Beispiel ein Ansatz. Der Zuschauer darf gefordert werden, er muss aber auch mitbestimmen dürfen.
Interessanter Ansatz. Sie versuchen es nun auch bei Tele 5. Serdar Somuncu und Tele5-Chef Kai Blasberg – haben sich da zwei Brüder im Geiste getroffen?
Kai Blasberg ist ein mutiger Mann mit Ecken und Kanten. Das ist etwas, was uns verbindet. Aber die Grundlage unserer Zusammenarbeit ist eher die Verschiedenheit unserer Ansichten. Das befruchtet nicht nur unser Denken, sondern es erweitert auch unsere Ansprüche. Wir wollen mehr als nur den zählbaren Erfolg. Es geht um eine Selbstverwirklichung aus unterschiedlichen Gründen. Wir sind eher Nachbarn als Geschwister.
Kannten Sie Tele5? Hatten Sie vorher Filme der Marke „Steiner, das Eiserne Kreuz“ oder „Android Apocalypse“ gesehen?
Ich habe seit „Ruck Zuck“ nicht mehr Tele5 geguckt. Ich bin sowieso kein typischer Fernsehzuschauer. Am liebsten sehe ich „Vermisst“ und „RTL Exklusiv“. „Late Night Berlin“ schaue ich manchmal auf YouTube, weil ich Klaas mag, aber nicht seine Quote fördern möchte. Er hat mir ja diesmal fast den Fernsehpreis geklaut, wenn sich nicht Ina Müller im letzten Moment dazwischen geworfen hätte.
Fühlen Sie sich denn bei n-tv mit dem Talk „So! Muncu!“ und RadioEins mit der „Blauen Stunde“ sowie gelegentlichen Auftritten in der „heute-show“ nicht ausgelastet?
Ich bin gerade mal am Anfang meiner Leistungsfähigkeit. Ich bin Langstreckenläufer. Wer hätte gedacht, dass ich nach mehr als 30 Jahren im Geschäft plötzlich wahrgenommen werde. Das ist eine einmalige Chance, die meinen Glauben an ein ewiges Leben im Mediendschungel nährt. Ich werde erst aufhören, wenn ich den Integrations-Bambi polieren darf.
Diesen Mediendschungel füttern Sie jetzt für Tele5 mit „Serdar5“-Videos, zu Themen wie Trump, Nazis oder der Brexit. Was soll da noch kommen?
Etwas, was Sie nicht erwarten. Ihre Zeitung schreibt schließlich auch oft dasselbe und trotzdem gebe ich Ihnen ein Interview.
Ist der Brexit noch satiretauglich? Welkes „heute-show“ zuletzt sagte: Nein.
Ich kenne diesen Welke nicht. Aber ich glaube auch nicht, dass seine Zitate als Handlungsinstanz taugen. Abgesehen davon ist der Brexit lustig.
Apropos lustig. Die Grundtonart in diesen Videos, Ihr langer Disput mit Kai Blasberg, das ist schon auch deutlich Ironie. Andererseits sprechen Sie davon, mit dieser Art Fernsehen die Welt verändern zu wollen. Passt das überhaupt zusammen?
Ich weiß es nicht. Und es ist mir auch egal. Ich verändere die Welt nicht durch latente Überzeugung, sondern durch konkrete Absichten. Ich glaube, wenn wir nicht an Veränderung glauben, werden andere es für uns tun. Das zu ignorieren ist naiv. Schon die nächste Veränderung kann dann Sie betreffen, und dann wünschen Sie sich jemanden, der Ihnen zur Seite steht.
Das mit dem Experimentalfernsehen, dem die Quote egal ist, nehme ich Ihnen trotzdem nicht ab.Tele 5 hat ein Prozent Marktanteil. Streben Sie, bei aller Quotenverachtung, in Ihrem Sendungsbewusstsein nicht nach Höherem, nach mehr Aufmerksamkeit? Da ist Welke und seine „heute-show“ doch ein ganz anderes Pflaster...
Die Frage ist zu lang, sie ist hochgradig suggestiv, und ich habe keine Zeit darauf einzugehen. Sie haben wahrscheinlich mit allem recht, aber das macht mir nichts aus.
Wenn Sie noch mehr Zeit hätten: Gebe es eben irgendetwas im großen Fernsehen, was Sie auch selber gerne machen würden?
Ja. „Vermisst“!
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