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Karin Leukefeld.
© Privat

Mit Assads Duldung: „Ich kann weitgehend frei berichten“

Karin Leukefeld arbeitet als offizielle Korrespondentin in Syrien. Das irritiert nicht nur die Exilanten.

Von Medienblockade ist die Rede, und davon, dass die Regierung von Baschar al Assad die internationale Medienberichterstattung über den Gewaltkonflikt in Syrien eingeschränkt habe. So begründen die Nachrichtenagenturen, dass sie in dem arabischen Land nicht mit Reportern vertreten sind. „Journalisten können nach wie vor nicht frei aus Syrien berichten“, schreibt zum Beispiel Reuters, die Authentizität der Bilder von Demonstrationen lasse sich „kaum überprüfen“. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet: „Die wenigen Journalisten, die im Land arbeiten, müssen mit Überwachung, aber auch mit Übergriffen rechnen.“

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass sich zwei deutsche Tageszeitungen aus dem linken Spektrum, das „Neue Deutschland“ (ND) und die „Junge Welt“, mit Karin Leukefeld eine Korrespondentin leisten, die seit etwa zwei Jahren in Damaskus akkreditiert ist und auch in jüngster Zeit immer wieder nach Syrien reiste und von dort berichtete. Vergleichbar viel erlaubt das Regime derzeit keinem anderen deutschen Journalisten. Leukefeld, Jahrgang 1954, studierte Islamwissenschaftlerin, arbeitet seit 1997 als freie Journalistin, sie war zuvor unter anderem Mitarbeiterin eines PDS-Bundestagsabgeordneten und machte Öffentlichkeitsarbeit für die Grünen. In der Nahost-Region ist sie seit Jahren unterwegs, sie schrieb etwa über die Entwicklungen im Irak und in Ägypten.

Umstritten ist, wie unabhängig die Journalistin in Syrien arbeiten kann – und ob sie sich womöglich zuweilen zum Handlanger des Regimes macht. Im Sommer warfen Exil-Syrer ihr vor, sie rühre für Assad und seine Regierung „die Werbetrommel“, unterstütze ein „blutiges, die Menschenwürde mit Füßen tretendes Regime“. Kurz zuvor hatte sie sich von der Deutsch-Syrischen Gesellschaft, einem Verein mit guten Kontakten zur Regierung in Damaskus, für einen Vortrag in der ehemaligen syrischen Botschaft in Bonn verpflichten lassen, Thema: „der sogenannte Arabische Frühling“.

Die Redaktionen von ND und „Junger Welt“, zuletzt die Hauptabnehmer von Leukefeld-Texten, verteidigen die Zusammenarbeit. Detlef Pries aus der ND-Auslandsredaktion meint, seine Zeitung nehme die Angebote gerne an, „um nicht allein auf die Berichterstattung von Agenturen angewiesen zu sein, die selbst keinen unmittelbaren Einblick in das Geschehen haben“. Es gehe darum, dass Leukefeld die „Meinungen und Stimmungen aus der Zivilbevölkerung, von Oppositionellen wie von Regierungsvertretern einfängt“. Pries gibt zu, dass die Journalistin Gefahr laufe, von diesen Vertretern – „den einen wie den anderen“ – als Sprachrohr benutzt zu werden. Doch seien ihre Reportagen nicht die einzigen Elemente der ND-Berichterstattung.

Noch weniger distanziert argumentiert Arnold Schölzel, Chefredakteur der „Jungen Welt“, die wegen ihrer extremistischen Ausrichtung seit Jahren im Visier des Verfassungsschutzes ist. Leukefeld sei eine „erfahrene Journalistin“, in der Region „zu Hause“. Das Risiko, sie könnte aus Damaskus Propagandaarbeit für Assad leisten, sei „sehr gering“, versichert er. Im Gegenteil empfinde seine Redaktion die Berichterstattung der Nachrichtenagenturen aus Syrien als „sehr unbefriedigend“, Schölzel nennt diese „dubios, mit unklaren Quellenangaben und von Propaganda durchtränkt“.

"Bestimmte Brennpunkte" dürfe sie wegen der bewaffneten Auseinandersetzungen „nicht allein besuchen“

In ihren Texten bemüht sich Karin Leukefeld zwar um gewissen Abstand zu Assad. Nie aber erscheint der syrische Staatschef als Diktator, der die Opposition im Land brutal unterdrückt. Für sie ist er eher eine „tragische“, an eigenen Reformvorhaben gescheiterte Figur. Kürzlich erschien in der „Jungen Welt“ ein von ihr in Damaskus geführtes Interview mit dem oppositionellen Schriftsteller Louay Hussein. Dieser kritisierte Assad als unehrlich und unglaubwürdig, nannte es andererseits aber inakzeptabel, wie der Westen dem Land seinen Willen aufzwinge. „Syrien ist zum Schlachtfeld der Großmächte geworden“, titelte die Zeitung. Leukefeld sieht das offenbar ähnlich. Im Januar reiste sie für das ND mit bei einer vom Informationsministerium organisierten Fahrt in die umkämpfte Stadt Homs. Sie zitierte Einwohner mit Kritik an den USA, Frankreich und Katar, die bewaffnete Gruppen in Syrien finanziell unterstützen und und von einer Verhandlungslösung ablenken würden.

Andere Blätter bemühen sich auf andere Art: Die „Zeit“ druckte in ihrer jüngsten Ausgabe den Bericht des Schriftstellers Jonathan Littell, der heimlich nach Homs gereist war. Auch der „Spiegel“ entsandte Reporter ins Land, die Texte erschienen ohne Autorennamen. Leukefeld selbst weiß von Kollegen, die als Touristen einreisten oder mit bewaffneten Kämpfern aus der Türkei oder dem Libanon. Sie selbst behauptet, sie könne sich mit ihrer Akkreditierung in Syrien „unabhängig bewegen“ und „weitgehend frei berichten“. Nur „bestimmte Brennpunkte“ dürfe sie wegen der bewaffneten Auseinandersetzungen „nicht allein besuchen“. Dankbar ist sie, dass das Informationsministerium immer wieder zu offiziellen Fahrten einlädt. Die Mitarbeiter der Behörde würden die Journalisten dabei – „anders als früher“ – eigenständig arbeiten lassen, erklärt sie dem Tagesspiegel. Was sie wiederum in anderen deutschen Medien über Syrien lese, halte sie teilweise für „beschämend einseitig und einer professionellen Berichterstattung unwürdig“.

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