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Schluss mit Provokation? Ronja von Rönne, 25, polarisiert häufig. Im Schwarz-Weiß-Format „Streetphilosophie“ geht es aber um die Meinung ihrer Gäste.
© Michael Kutscher

Ronja von Rönne im Interview: "Ich habe ein massives Problem mit meiner Filterblase"

Ronja von Rönne über ihre neue Rolle als Arte-Moderatorin, verschiedene Formen der Macht und die Folgen von Wodka-Capri-Sonne.

Frau von Rönne, die Produzenten von „Streetphilosophy“, jubeln, „mit Ronja kommt eine neue Tonlage hinzu. Ein Flair von Weiblichkeit“. Was will das meinen?

Das ist wahrscheinlich so ein Werbespruch. Ich glaube, es geht nicht um Midiröcke, Regenbögen und Schminktipps oder was heute sonst mit Weiblichkeit assoziiert wird. Es geht um eine weibliche Stimme in der Sendung. Mit Jonas Bosslet und mir gibt es jetzt einen männlichen und einen weiblichen Moderator. Das ist für das Gleichgewicht schön. Es kann auch sein, dass Frauen anders Fragen stellen oder anders reagieren. Jonas kann sich zum Beispiel super mit Gästen betrinken, ich klapp’ da schnell zusammen.

In Ihrer ersten Folge trinken Sie aber auch Bier und Wodka mit Capri-Sonne. Wie anstrengend waren die Dreharbeiten?

Die waren sehr anstrengend. Nach Wodka-Capri-Sonne waren wir abends noch auf einer Soiree, wo es wahnsinnig viel Champagner gab. Und zu Champagner, das weiß jeder, darf man nie Nein sagen. Das Gemeine an Alkohol ist, man denkt, man werde besser. Ist auch schön das zu denken, bis halt eine Kamera mitläuft und man am nächsten Tag feststellt, dass man doch gar nicht so unfassbar genial war. Deswegen zukünftig nur noch Capri-Sonne ohne Wodka.

Bisher hat Bosslet solo moderiert. Gibt es jetzt zwei Arten von „Streetphilosophy“?

Genau, die Folgen sind komplett geteilt. Es ist ein Geschichtenformat, bei dem wir uns viele Fragen stellen und denen hinterhergehen, aber jeweils einzeln. In meinen Folgen wird es um Macht, Besitz und Identität gehen – Themen, die meine Redaktion offenbar mit mir verbindet.

Mit dem Förster auf dem Hochstand, zur Bürgermeisterin nach Brandenburg. Für "Streetphilosophy" kommt Rönne rum.
Mit dem Förster auf dem Hochstand, zur Bürgermeisterin nach Brandenburg. Für "Streetphilosophy" kommt Rönne rum.
© Michael Kutscher

Sie waren schon mal Protagonistin einer Ausgabe und fuhren verkatert Tretboot. Was ist das Besondere an dem Format?

Für mich ist der größte Reiz, dass ich Menschen treffe, die ich sonst nie treffen würde. Ich war mit einem Jäger auf einem Hochstand und bei einer Tarot-Kartenlegerin – würde ich sonst nie machen. In meinem privaten Leben habe ich wie die meisten ein massives Problem mit meiner Filterblase. Meine Freunde ähneln sich sehr in ihren politischen Einstellungen, in Alter und Berufen. Das wird bei „Streetphilosophy“ gebrochen.

Philosophie kann schnell zur Laberveranstaltung werden. Wie verhindern Sie das?

Immer mit Angst. Ich will niemanden langweilen. In Artikel knalle ich deshalb alle zwei Zeilen Pointen rein. Das ist etwas neurotisch, so ein bisschen mache ich das aber auch bei „Streetphilosophy“. Ich versuche Gesprächssituationen herzustellen, die auch für Zuschauer interessant sind, die mich nicht kennen.

Stichwort Macht: Sie waren in Kreuzberg bei einem Rap-Battle, im Neuköllner Bürgeramt und in Brandenburg bei einer Bürgermeisterin. Der Lerneffekt dabei?

Macht ist nicht echt, wenn man sie erzwingt. Wenn Macht freiwillig von denen angenommen wird, über die sie ausgeübt wird, dann ist sie aufrichtig und wahr und nicht schädlich. Das ist die Macht, nach der alle streben – aber die ist nur schwer zu erreichen. Ich habe das bei den Dreharbeiten gelernt, als ich eine italienische Mamma in ihrem Restaurant besucht habe. Sie ist 90 Jahre alt, aber sie war die Höchste im Clan und musste immer noch alles überwachen. Trotzdem wird sie dafür geliebt, weil sie nur das Beste für ihre Familie möchte. Da kann man unterscheiden zwischen gesundem und ungesundem Machtstreben.

Machtausübung ist aber kein Sympathiewettbewerb.

Kommt darauf an. Selbst aus niederen Gründen ist es eher erstrebenswert, dass Leute einem freiwillig Respekt zollen, als wenn sie gezwungen werden. Allein, weil es viel teurer ist, alle zu überwachen – siehe Diktaturen, ein fragiles System.

Wie ist Ihr Umgang mit Macht?
Ich habe nicht gerne Macht über andere, aber über mich selbst. Ich habe den Hang zur Kontrolle – da gehört Macht eben dazu. Geld ist für mich auch nicht so wichtig, aber wenn es mir Unabhängigkeit sichert, dann finde ich es super.

Sagen Sie schnell Ja und lange nicht Nein?

Ja! Angela Merkel hat mal gesagt, sie brauche für ihre Entscheidungen ewig, bereue die dann aber nie. Ein Ideal, das ich noch nicht erreicht habe.

Was bereuen Sie denn?

Im Nachhinein hätte ich den Feministen-Artikel nicht so abgeschickt, aber die Dinge sind passiert. Das Leben ist schon im Indikativ schwer genug, deswegen lasse ich den Konjunktiv. Ich weiß nicht, was mit mir passiert wäre, wenn es den Artikel nicht gegeben hätte. Ich würde ihn aber nicht noch mal so schreiben.

In dem Artikel schrieben Sie, dass Feminismus Sie „anekle“. Später distanzierten Sie sich. Wie stehen Sie zur #MeToo-Debatte?

Das Thema ist sehr unordentlich. Ich weiß nicht, was es zu debattieren gibt, dass Leute andere Leute nicht begrabschen sollen, egal welches Geschlecht. Ich denke so viel über dieses Thema nach – und bin noch nicht fertig damit.

Sie haben mal mit einem Blog angefangen. Jetzt sind Sie Kolumnistin, Buchautorin, haben einen Podcast und eine Sendung auf Arte. Ist das nicht ein bisschen viel?

Das sind viele Baustellen, aber die geben mir eine Art der Sicherheit. Nicht alle verfolgen mich auf allen Kanälen. Bei „Streetphilosophy“ kann ich ruhiger sein und muss nicht die ganze Zeit eine Meinung haben. Ich bin zwar Protagonistin, aber nicht die Hauptperson. In meinem Podcast, den ich mit meinem Freund Tilman Rammstedt aufzeichne, geht es um Unterhaltung, und auf Instagram trete ich wieder anders auf. Ich finde das ganz schön, dass ich verschiedene Rollen habe.

Kann sie Philosophie statt Provokation?
Kann sie Philosophie statt Provokation?
© Michael Kutscher

Viele Menschen in Ihrem Alter nutzen das Fernsehen nicht mehr. Was stört Sie an diesem Medium?

Gar nicht so viel, aber auch ich nutze viel Netflix und Amazon Prime. Ich möchte immer noch lieber eine Fernsehsendung machen als eine auf YouTube. Fernsehen hat den alten Glamour für mich nie verloren. „Streetphilosophy“ ist in Schwarz-Weiß gedreht und obwohl es ein junges Programm ist, wirkt es nostalgisch, nach vergangenen Zeiten und verrauchten Bahnabteilen. Ob sich Leute die Sendung dann im Internet oder auf Arte ansehen, ist mir eigentlich egal.

Ihre „Streetphilosophy“?

Immer weitermachen. Je schlimmer es wird, desto mehr. Das große Trotzdem ist meine Philosophie. Hilft ja nix.

„Streetphilosophy“, Arte, Samstag, 23 Uhr 40

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