"Germany's next Topmodel": Ich bin Teil von Heidi Klums Welt
"Germany's Next Topmodel" gilt vielen als Magersucht-Parade und Mobbing-Training, doch zum Finale am Donnerstagabend werden nicht nur die Fans vor dem Fernseher sitzen.
Zuallererst muss ich eines festhalten: Ich mag Maike nicht. So viel Ego, so wenig Gespür. Und hübsch? Maike? Aber Luise und ihre Zaudershow vor wirklich jedem Job-Shooting: „mein Bauch“, „meine Beine“, „ich hab halt nicht so ein Selbstbewußtsein“; das ist doch nichts als Masche. Am Ende gewinnt die heute Abend noch die Staffel. Und wären Jaqueline und Christine nicht irgendwann doch endlich noch rausgeflogen – dieses alberne Kleinmädchengekicher und -gejammer! –, ich hätte Heidi Klum den Rücken gekehrt. Endgültig.
Eigentlich darf man so etwas über die Mädchen ja nicht sagen. Das sind sicher alles mehr oder weniger harmlose, mehr oder weniger nette Jugendliche mit einem eben etwas weniger emanzipierten Teenietraum: „Germany’s Next Topmodel“ zu werden.
Also bitte, was erwarten Sie? Woche für Woche tauche ich am Donnerstag pünktlich nach der „Tagesschau“ ein in den Erfahrungsraum von Zickenkrieg und Mädchenängsten, von Neid, Magerwahn und Mobbing-Training für Fortgeschrittene. Ich bin Teil von Heidis Welt.
Als treue Zuschauerin fühle ich die „Sorgen“ von Juror Thomas Hayo, wenn eines der Jung-Models mal wieder nicht „alles gegeben hat“, wiege ich mit der Model-Mutti bedenklich den Kopf und schürze das feine Mündchen, ob die Performance auf dem Catwalk nicht doch gezeigt hat: „She’s not ready.“ Demnächst binde ich mir noch ein buntes Bandana um den Kopf und nicke vielnichtssagend mit dem Fotografen Enrique Badulescu zu allem, was Heidi von sich gibt.
Heidi. Wem gibt sie das Bild, das eine? Das Foto, das die Mädchen in die nächste Runde katapultiert.
Selbstverständlich ist es völlig egal, wem Heidi das Foto gibt. Es ist die x-te Staffel eines Castingformats, das verwechselbarer kaum sein könnte. Ob sie nun tanzen, singen oder gar mit Stefan Raab um die Wette an Sandsäcken hängen. Zudem ein Format, das jede Menge fragwürdige Qualitäten fördert und aufwendig promoviert. „Germany’s Next Topmodel“ bietet Fernsehen, wie das Leben nicht sein soll. Eine Kommandeuse kujoniert unfertige Menschen zu Ja-und-Amen-Sagern, Körper werden eisenhart optimiert, diese Model-Welt ist hohl und nichtig und so gar nicht kirchentagstauglich.
Und doch, heute Abend werde ich pünktlich zum Finale auf der Couch sitzen. Und das ganz bestimmt nicht allein. Ich will wissen, wer nach dem anschwellenden Beißen und Treten der vergangenen Monate am Schluss „auf den Titel der deutschen Cosmopolitan kommt“.
Heidi Klum zeigt mit der Modelshow, was mit kosmetischer Nachhilfe erreicht werden kann.
Als Heidi Klum und Thomas Hayo ihre Mädchen eingesammelt hatten – auf dem Bauernhof, in der Schule, in der Backstube oder in der Kirche –, zu Beginn der ersten Staffel, war ich vor allem von einem fasziniert: Wie wenig hübsch die meisten der Mädchen in dieser Staffel waren. Inzwischen bin ich sprachlos darüber, was mit kosmetischer Nachhilfe in beeindruckender Eingriffstiefe aus dem Rohmaterial Mensch herausgeholt werden kann. Am Schluss glaubt man fast an diese Zauberei. Das Werbeumfeld von „Germany’s Next Topmodel“ bietet genug Ansatzpunkte, selbst mit Chirurgie und Chemie das Beste aus sich zu machen.
Um uns im Bann zu halten, dürfen wir dabei sein, wenn diese schöner und schöner werdenden Mädchen weinen, wenn sie mit zu Hause telefonieren, wenn sie nach Monaten ihre Freunde wiedersehen. Und vor allem: wenn sie übereinander lästern, hetzen und herfallen. Mobbing ist das Gewürz, das die Sendung so schmackhaft macht – und mit diesem Geschmack die Quote verfeinert. Mobbing kommt schließlich in jeder Schulklasse vor, oder? Mag sein. Dennoch könnte man nicht ohne Grund Unwohlsein dabei empfinden, dass Fernsehen, wenn auch kein öffentlich-rechtliches, eine Magersuchts-Parade im „Survival of the Fittest“ als stilbildend für unsere Töchter serviert.
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