Sebastian Pufpaff im Interview: „Ich bin nicht der Beichtvater“
Am Donnerstag startet die ARD mit "Dritter Stock links" ein neues Satire-Format. Sebastian Pufpaff über Sinn und Unsinn guten Kabaretts, Bigotterie, WGs und Grenzen des guten Geschmacks.
Herr Pufpaff, wo waren Sie am Mittwoch, dem 7. Januar, als „Charlie Hebdo“ in Paris angegriffen wurde?
Auf Bühnentour. Morgens nach dem Frühstück sagte ein Kollege: Hast du schon gehört? Dann fing man an, online zu suchen. Ich fühlte mich medial an den 11. September 2001 erinnert. Das war damals mein erster Arbeitstag bei RTL, als Aushilfskraft bei Peter Kloeppel und den RTL-News. Wir mussten Bilder besorgen, Flugzeug, Hochhaus, andauernd die Frage, haben wir ’ne neue Einstellung? Man stumpft dabei erstaunlich schnell ab, mag sich hinterher auch selber nicht.
Mögen Sie Ihren Job überhaupt noch, Ihre Zunft? Es wird jetzt viel über Grenzen der Satire, des guten Geschmacks diskutiert, Stichwort Mohammed-Karikaturen, dazu die Reaktionen mancher Satiriker auf diesen Anschlag in Paris.
Respekt ist mit Sicherheit ein Schlüsselwort, was in dem Zusammenhang fallen darf. Es ist so schwierig, im Moment dazu etwas zu sagen und eine Qualifizierung zu vermeiden. Man darf ja als Satiriker schon fast gar nichts mehr sagen. In irgendeiner Art und Weise wird man schubladisiert.
Versuchen Sie’s trotzdem.
Satire ist definitiv ein Mittel, was sehr viel darf, an die Grenze gehen und diese teilweise überschreiten muss. Auch um Diskussionen überhaupt loszutreten. Für mich ist Streit positiv belegt. Der aber zu Kompromissen führt. Respekt, Kompromissfähigkeit, diese Wörter sollten fallen, wenn man über Satire spricht. Provozieren nur um des Provozierens willen, da halt’ ich nichts von. Genauso wenig wie von den Trittbrettfahrern, die jetzt anfangen, irgendwelche Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen.
Warum nicht?
Ich muss mich jetzt nicht vor einen Moslem stellen und Mohammed-Witze machen. Nach dem Motto: Seht her! Nur, um auf sich aufmerksam zu machen. Satire muss eine Sinnhaftigkeit haben. Bei jedem meiner Gags auf der Bühne frage ich mich: Was will ich damit sagen? Manchmal kann man ruhig mal die Klappe halten. Fakt ist aber auch: Ein Wort kann niemals so verletzend sein wie Gewalt, wie ein Mord. Ich bin ein strenger Verfechter des säkularisierten Staates. Trennung von Staat und Religion. Es ist im Grunde wie beim Masturbieren: Macht’s zu Hause und redet nicht drüber.
Haben Sie den Themenkomplex Religion/Staat/Satire-Freiheit nach den Anschlägen von Paris in Ihr Programm eingearbeitet?
Ja, bei der Aufzeichnung der TV-Show „Pufpaffs Happy Hour“ für 3sat. Das darf man jetzt nicht aus dem Kontext loslösen, aber alles bringt auch etwas Gutes mit sich. Wenn man die Toten von Paris mal außen vorlässt: Wir erleben gerade eine Re-Politisierung der Gesellschaft. Selten wurde so viel diskutiert, auch über die Säkularisierung eines Staates. Auch die katholische Kirche muss sich gerade wieder rechtfertigen. Das finde ich sehr gut, wir werden extrem eingelullt durch Papst Franziskus, dem Mario Barth des Katholizismus.
Keine größere Unsicherheit, wenn Sie jetzt auf die Bühne treten und derlei Witze machen?
Nicht mehr als sonst auch im Leben. Wenn ich auf die Bühne gehe, mache ich immer einen Seelenstriptease.
Wird es nun im Fernsehen in der „Kabarett-WG“ Gags in der Richtung geben?
Absolut. Das ist ja der Riesenvorteil dieses WG-Formats. Wir können eine Privatheit darstellen, im Bermuda-Dreieck der drei Darsteller: die Politikerin, der Kabarettist, der Arbeitslose. Die können sich mit dem Thema anders auseinandersetzen als ein Kabarettist, der sich vorne auf die Bühne stellt, mit erhobenem Zeigefinger. In so einer Kabarettisten-WG kann man viel härtere Thesen vertreten.
Zum Beispiel?
Pegida. Wir besetzen einen Kabarettisten, der als Pegidist zu Gast in die WG kommt. Das hinterlässt beim Zuschauer ein ganz anderes Identifikations- oder eben auch Abgrenzungspotenzial.
Mit der „Kabarett-WG“ versucht die ARD, es mit den jungen Satire-Formaten „Die Anstalt“ und „heute-show“ im ZDF aufzunehmen. Eine ganz schöne Bürde.
Das Wort Quoten-Angst fällt, klar. Aber die ARD muss jetzt was abliefern. Wenn ich dort vor zwei Jahren für diesen Satire-Platz das Konzept einer Sitcom abgeliefert hätte, ich weiß nicht. Jetzt guckt man: Wo positionieren wir uns neben der ZDF-Satire? Thomas Lienenlüke und ich hatten eine Idee und freuen uns, dass der BR mit uns geht: eine Kabarett-Sitcom, eine geskriptete Story mit Darstellern. Wir versuchen, das Politische mit Schauspielern abzubilden, vor Live-Publikum.
Haben Sie keine Sorge, dass Ihnen der Bayerische Rundfunk ins Handwerk pfuscht? 1986 blendete sich der BR für die gesamte Dauer der Ausstrahlung von Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“ aus dem gemeinsamen Fernsehprogramm der ARD aus.
Mein Co-Autor und ich schreiben lieber ein bisschen zu wenig als zu viel. Da kann man nichts mehr rausschneiden.
Apropos Hildebrandt. Gibt es da einen Generationenkonflikt: eine Abgrenzung altes Kabarett versus neues Kabarett, wozu wohl auch viele Comedians gehören?
Bewusst anders würde ich es nie machen wollen. Dann schreibe ich nur, um mich abzugrenzen. Dann geht der Inhalt flöten. Das Wichtigste eines Bühnendarstellers ist: Authentizität. Ein Hildebrandt ist von den Texten her, die er geschrieben hat, jünger als mancher junge Kabarettist eben. Im Moment gibt es junge Kabarettisten, die sind so alt, so möchte ich nie werden. Einen Vorwurf mache ich dem Alt-Kabarett allerdings: dass es so eine Art Ablasshandel für eine satte Gesellschaft darstellt.
Inwiefern?
Es gibt manchen Kabarettisten, der rausgeht, einen auf Pseudo-Alt-68er macht, und in der ersten Reihe vor ihm sitzen die Zuschauer mit den Perlenohrringen und dem Mercedes. Der Kapitalist, der im Publikum sitzt, einen auf Fair Trade und Nachdenklichkeit macht und hinterher mit seinem Range Rover nach Hause fährt – das kann es nicht sein. Das ist bigott. Ich als Kabarettist bin nicht der Beichtvater. Dann doch lieber Dean Martin, mein großes Vorbild.
Dean Martin?
Ja. Rausgehen, unterhalten. Egal ob Kabarett oder Comedy, witzig muss es sein. Ich will keinen Abend bestreiten, wo 40 Minuten nicht gelacht wird. Bei „3. Stock links“ wird auch gelacht. Hoffentlich.
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Am Donnerstag um 22 Uhr 45 startet die ARD das Kabarett-Format „Dritter Stock links“. Eine ambitionierte Politikerin, ein gescheiterter Musiker, ein Kabarettist in der WG - mit Maike Kühl vom Düsseldorfer Kommödchen und dem Münchner Hannes Ringlstetter nimmt Sebastian Pufpaff, 38 (v. l.), aktuelle Themen wie Pegida aufs Korn. Der Bonner Kabarettist heißt übrigens wirklich so.