Video on demand - Teil 1: Hollywood statt Carmen Nebel
Vom Sofa aus bestellt, direkt auf den Fernsehbildschirm: Wohnzimmer-Videotheken sind eine neue Dimension des Filme-Ausleihens.
Samstagabend im deutschen Fernsehen: Fritz-Wepper-Krimi im Ersten, Carmen Nebel im Zweiten, „Adlershofer Wunschbriefkasten“ sowie „Tatort“-Wiederholungen im Dritten, Castingshow bei den Privaten – wohl dem, der da den richtig guten Film, die richtig gute Serien-Episode zur Hand hat. Sei es als DVD aus der guten, alten Videothek um die Ecke, oder, deutlich schneller, aus der Wohnzimmer-Videothek, aus einen der neuen Video-on-Demand-Shops direkt auf dem Fernsehbildschirm bestellt, zu sehen wie ein normales Fernsehprogramm. Immer mehr Anbieter drängen da auf den Markt und stellen Tausende von Filmen und Serien zum Abruf bereit. Manche Dienste sind mehr, manche weniger praktisch.
Jüngstes Beispiel: Kabel Deutschland mit seinem Video-on-Demand-Angebot „Select Video“, das in diesen Tagen gestartet ist. Rund 2500 Stunden Programm, davon circa 750 Filme, stehen dem Kabel-Deutschland-Kunden rund um die Uhr zur Verfügung: Hollywood-Blockbuster, aktuelle Filme wie üblich bei der DVD einige Monate nach der Kino-Premiere, Kinoklassiker und Serien. Vorerst allerdings nur für rund 2,3 Millionen Haushalte in Berlin, in München und in Hamburg. In den kommenden zwei Jahren solle das Angebot sukzessive für nahezu alle Haushalte in den für Kabel-Internet aufgerüsteten Kabelnetzen und Städten verfügbar gemacht werden, sagt Magdalena Palewicz, Sprecherin von Kabel Deutschland.
Weitere Kosten entstehen für die Kunden des größten deutschen Kabelnetzbetreibers – neben der monatlichen Gebühr von 22,90 Euro beim Tarif „Digitaler Kabelanschluss+“ – erst bei Bestellung der Sendungen. Der Hollywood-Film „Social Network“ beispielsweise kostet fünf Euro, ebenso „Eat Pray Love“ mit Julia Roberts in HD , „Konferenz der Tiere“ in 3D für sechs Euro. Die Filme stehen 48 Stunden als Streaming zum Anschauen bereit. Es kann jederzeit unterbrochen und später weiter geschaut werden, auch von vorne. Ein mitgelieferter, relativ einfach zu bedienender digitaler HD-Video-Recorder (mit einer 320 Gigabyte großen Festplatte für die Aufnahme des „normalen“ TV-Programms) ist Voraussetzung für diesen Abruf-Service, auch für den Bestell-Vorgang via Internet. Die Bilder kommen über die Kabelleitung auf den Fernsehbildschirm. Serien-Junkies finden bei „Select Video“ zurzeit allerdings eher ZDF-Serien wie „Bergdoktor“, die gratis zu haben sind. Echte Serien-Highlights wie „Dr. House“? Fehlanzeige. Man stehe, so Palewicz, mit allen relevanten TV-Sendern in Gesprächen, um über eine Zusammenarbeit zu sprechen.
Einen anderen Weg geht die Telekom mit ihrem TV-Angebot Entertain. Statt über Satellit oder Kabel werden sowohl das Programm als auch die Filme und Serien aus der Online-Videothek über die Telefonleitung übertragen. Bei Entertain handelt es sich um ein IP-TV-Angebot, also um Fernsehen übers Internet. Mit 1,6 Millionen Nutzern ist die Telekom Marktführer in diesem Bereich, zu den anderen Anbietern gehört beispielsweise Vodafone. Für Entertain wird in der einfachen Version ein DSL-16 000-Anschluss der Telekom benötigt. Zusammen mit der Doppelflatrate für Telefon und Internet kostet Entertain Comfort rund 45 Euro monatlich plus fünf Euro Miete für den Media Receiver. Die teurere Premium-Variante kostet mit dem schnellen VDSL 25 zehn Euro mehr, für VDSL 50 kommen 15 Euro dazu. Je höher die Bandbreite, desto mehr Filme können gleichzeitig gesehen und aufgenommen werden.
Das Angebot an Filmen und Serien unter dem Namen Videoload umfasst alle großen Anbieter aus Hollywood und unabhängige Lieferanten. Viele Kinofilme stehen zeitgleich mit den Videotheken zur Verfügung. 2000 der insgesamt 10 000 Filme und Serien gibt es in High Definition, die Auswahl an 3-D-Titeln ist ausbaufähig. Aktuelle Filme kosten zwischen vier und fünf Euro. Ältere Movies werden für einen Euro angeboten und können nach der Bestellung für 48 Stunden so oft wie gewünscht angesehen werden. Zusätzlich kann der Entertain-Nutzer auf ein kostenloses TV-Archiv mit rund 2000 Serien und Eigenproduktionen der Senderfamilien ProSiebenSat 1 und RTL zugreifen. Oder er schaut nach, ob er unter den selbst aufgezeichneten Sendungen auf der 500-Gigabyte –Festplatte etwas Passendes findet. Um Entertain und die Online-Videothek in weiteren Zimmern zu sehen, lassen sich bis zu drei Receiver anschließen, die jeweils drei Euro monatliche Miete kosten.
Die bequeme Alternative zum Gang zur Videothek ohne monatliche Fixkosten bietet AppleTV. Dabei handelt es sich um einen kleine schwarze Dose, die mit einem Fernseher mit HDMI-Anschluss verbunden werden kann und ihre Inhalte aus dem Internet bezieht. Der eingebaute Wireless-Lan-Empfänger reicht für die Verbindung ins Web und zur Wiedergabe des HD-Filmangebots aus. Es kann auch ein Netzwerkkabel angestöpselt werden, bei dem der Film schneller zur Verfügung steht. Ob das TV-Programm über Antenne, Satellit oder Kabel kommt, spielt keine Rolle. AppleTV kostet einmalig rund 120 Euro bei der Anschaffung, Ausleihe für Filme von „Goethe“ bis „Resident Evil“ kostet zwischen vier und sechs Euro.
Der Umgang mit AppleTV und der Videothek ist unkompliziert, die kleine Fernbedienung kommt mit drei Bedienelementen aus. Neben der Spielfilm-Videothek lassen sich diverse Videopodcasts aus iTunes oder Youtube-Filme auf dem Fernseher ansehen. Ein großes Manko ist, dass zur Zeit keine Serien in iTunes geliehen, sondern nur gekauft werden können und damit auf dem reinen Abspielgerät AppleTV nicht wiedergegeben werden. Zudem ist die Auswahl an älteren Filmen recht eingeschränkt. Wer iTunes auf seinem Computer installiert, erhält einen Überblick über das Angebot.
Auf den Trend Online-Videotheken wollen aber auch noch ganz andere Anbieter aufspringen. Der Elektronik-Hersteller Sony hat seine Bravia-Fernseher mit voller Internet-Fähigkeit aufgerüstet und ihnen einen Online-Zugang zur Sony-Videothek „Qriocity“ verpasst, wobei es schon ein DSL-6000-Anschluss sein sollte. Der Name wurde vom englischen „Curiosity“ für Neugier oder Schaulust abgeleitet. Sony hatte den Dienst im vergangenen November in Deutschland gestartet. Über die Netzwerkverbindung des Fernsehers kann so, zumindest mit der neuesten Generation der Sony-Fernseher, über die Fernbedienung in den virtuellen Regalen der Online-Videothek gestöbert werden. Wie bei den anderen Lösungen werden die Filme nicht lokal gespeichert, sondern als Video-Stream auf den Fernseher übertragen. Je nach Film und Qualität (Standard-Auflösung oder High Definition) werden zwischen drei und sechs Euro je Movie fällig. Derzeit sind über „Qriocity“ einige hundert Filme verfügbar.
Wem dieses Video-on-Demand (VoD) noch zu kompliziert ist, der kann in die gute, alte Videothek gehen. Die Überschneidung der Kundengruppen ist laut Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland nicht so groß, wie man annehmen könnte. Weniger als die Hälfte der VoD-Kunden waren im Vorjahr Videothekenkunden. Es gebe immer noch 2 795 Videotheken mit durchschnittlich je 5000 Filmen in Deutschland. Da muss man halt vom Sofa aufstehen, bevor Carmen Nebel kommt.
Über das Thema „Videotheken im Internet“ berichtet die Computer-Seite am kommenden Freitag.