Neue Art von Fernsehzeitschrift: HBO statt „Tatort“
Noch ein TV-Magazin: „Spiegel Fernsehen“ soll dem wachsenden Streamingmarkt gerecht werden - mit Kulturjournalismus. Dafür wurde ein anderes Projekt schnell wieder eingestellt.
Zu den unverbrüchlichen Regeln eines in den 1970er und 1980er Jahren sozialisierten Medienkonsumenten gehörte die Regel: Kein Fernsehen ohne Fernsehzeitschrift. Jeden Freitag ein neues Heft am Kiosk, alle Sender, alle Highlights, alle linearen Fernsehangebote auf einen Blick: „Hörzu“, „Funkuhr“ oder wie sie alle hießen – eine Goldgrube für die Verleger. Spätestens mit dem Erfolg von Online-Portalen wie Netflix, Amazon oder Maxdome und dem Angebot der Online-Mediatheken der Sender müssen die Macher von TV-Magazinen aber umdenken.
Wozu noch nach dem nächsten „Tatort“ suchen, wenn die neue HBO-Serie viel spannender ist? Der Surfer im Netz als eigener Programmplaner. Das denkt sich auch der Spiegel-Verlag, der am Freitag mit dem 14-tägliche Magazin „Spiegel Fernsehen - Das Beste aus TV und Streaming“ einen vierwöchiger Testlauf in Hessen startet. Das Heft soll, sagte ein Verlagssprecher, das Beste aus 14 Tagen linearem Programm mit Empfehlungen aus dem Streamingbereich vereinen.
Und die Lebenswirklichkeit der Generation 50 plus?
Es umfasst 180 Seiten und kostet 2,60 Euro. Das Magazin besteht aus einem 60-seitigen Mantelteil, in dem es immer ein größeres Interview mit einem TV-Star geben soll, zudem ganz klassisch pro Tag drei Doppelseiten mit TV-Listings und zwei Seiten mit Empfehlungen. Mit Nora Tschirner beispielsweise hat „Spiegel“-Redakteur Alexander Kühn im ersten Heft ein Gespräch über Schönheit im Fernsehen geführt.
Redaktionell verantwortlich sind Markus Brauck (Spiegel-Wirtschaftsredaktion) und Kulturkritiker Christian Buß (Spiegel online). Von den anderen Programmzeitschriften will sich das Heft durch kulturjournalistische Inhalte im Mantel-Teil abheben.
Der Markt befindet sich im Umbruch. Gerade auch TV-Zeitschriften haben wieder Einbußen bei der verkauften Auflage hinnehmen müssen. Der Klassiker, die gute, alte „Hörzu – quasi deutsches Kulturgut – kommt laut IVW-Zahlen in 1/2017 mit minus 2,2 Prozent gegenüber dem Vergleichsquartal auf 354 196 verkaufte Exemplare. „TV Hören und Sehen“ verliert 6,3 Prozent (218 882 Exemplare) , „TV Movie“ gar 9,6 Prozent (531 926 Exemplare).
Immerhin, sieben der zehn meistgekauften Zeitschriften sind TV-Magazine. Dem Deutschen Medienverband zufolge nutzen noch etwa 40 Millionen Deutsche Fernsehzeitschriften. Die steigende Streaming-Nachfrage könnte darin mit neuen Leser-Angeboten durchaus aufgehen. Anders als das Projekt „Spiegel Classic“, das sich der Lebenswirklichkeit der Generation 50 plus widmen sollte. Das Magazin hat der Spiegel-Verlag nach nur einer Ausgabe wieder aufgegeben. Es konnte, so ein Sprecher, die Auflagenziele des Verlags nicht erreichen. Jetzt soll es ein neuer TV-Kulturjournalismus richten.