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Top Gun. Hauptkommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) lässt sich weder einschüchtern noch aufhalten.
© SWR/Ziegler-Film

"Tatort" mit Heike Makatsch: „Hallo, Hauptkommissarin Berlinger!“

Das Girlie von einst als "Tatort"-Kommissarin: Heike Makatsch glänzt zwar nicht als Ausnahme-Kriminalistin, aber das spricht eher für als gegen sie.

Die Zahl der Selbstmörder, die sich kurz vor der eigenmächtigen finalen Entleibung noch einen sexuellen Höhepunkt verschaffen, dürfte vergleichsweise gering sein. Die seelische Grundstimmung ist einfach zu verschieden. Im Fall des Freiburger Jobcenter-Mitarbeiters Holger Kunath, „Leistungsabteilung“, dürften der letzte Orgasmus und der letzte Atemzug jedoch in der Tat beinahe zusammengefallen sein. Hier stimmt etwas nicht!, argwöhnt die neueste "Tatort"-Hauptkommissarin des deutschen Fernsehens. Ihr Name ist Ellen Berlinger alias Heike Makatsch.

Auch, du Brutus, auch du?, fragte einst Cäsar.

Auch du, Heike ...?

Die einstige Viva-Moderatorin, das Girlie der Neunziger, die in Detlev Bucks „Männerpension“ ihre Visitenkarte als Schauspielerin abgab, kommt also in das Alter, in dem Frauen im deutschen Fernsehen fast nur noch zur Polizei gehen können. Und dabei sollen sie vollkommen einmalig, aber möglichst so wie alle sein. Und, geben wir es ruhig zu, mit einer gewissen Schadenfreude wartet man schon auf den ersten Satz der Neuen.

Sie sagt: „Hallo, Hauptkomissarin Berlinger!“ Was, mehr nicht?

Kann Makatsch "Tatort"?

„Hallo, Hauptkommissarin Berlinger!“ Es wäre schon ein wenig gemein zu sagen, dass dieser „Tatort“ ungefähr die Einmaligkeit und die Prägnanz dieser Selbsteinführung besitzt. Formulieren wir es so: Man merkt „Fünf Minuten Himmel“ schon an, wie unendlich mühsam es ist, den Fernsehkrimi täglich drei Mal neu zu erfinden. Andererseits darf, wer die kriminalistische Eignung von Heike Makatsch überprüfen will, diesen „Tatort“ keinesfalls verpassen, denn es bleibt vorerst der einzige. Ein „Tatort-Special“ gewissermaßen, mit einer Kommissarin für einen Fall, so zumindest ist es angekündigt. Allerdings sind die zukunftsweisenden Konfliktlinien für bloß einen kriminalistischen One-Night-Stand geradezu erdrückend weit ausgezogen.

Ellen Berlinger ist ein Kind Freiburgs, der wärmsten und sonnigsten Stadt des Landes, aber sie war sehr lange weg, wo, errät man einfach angesichts ihres Autos, das die Steuerung auf der falschen Seite hat. Außerdem ist die Rückkehrerin ziemlich schwanger, einen Mann hat sie allerdings nicht aus London mitgebracht, und als sie zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder ihrer Mutter (böse wie nie: Angela Winkler) gegenübersteht, hat die Begegnung gar kein gutes Karma: „Wenn du Hilfe brauchst, mich musst du nicht fragen!“ Bald erfahren wir, dass Ellen Berlinger einst ihr Kind bei ihrer Mutter zurückgelassen hat. Die Frage lautet also: Wie begegne ich meinem Kind?

Die Antwort: Vorerst eher gar nicht, auch wegen des toten Jobcentermitarbeiters, der schon am ersten Arbeitstag Ellen Berlingers ganze Aufmerksamkeit beansprucht.

Sozialkritik inbegriffen

Suizid? Der Abschiedsbrief legt es nahe. Aber ein Blick auf die natürlichen Feinde der Jobcentermitarbeiter, auch „Kunden“ genannt, empfiehlt sich durchaus. Es liegt schon entweder eine große Dummheit oder ein großer Zynismus darin, die Menschen am unteren Rand dieser Gesellschaft als „Kunden“ anzusprechen, als hätten sie hier die freie Auswahl, als könnten sie auch wieder gehen, wenn ihnen das Angebot nicht gefällt. Und ist der launige Name „Jobcenter“ nicht ein Hohn für sich?

Schon richtig, dies ist kein Beitrag zur Kultur- und Sozialkritik, oder nur insofern, als auch dieser „Tatort“ einer ist. Und Heike Makatsch selbst sich für eine „Steuer gegen Armut“, für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer einsetzt.

Die heißeste Spur führt bald in ein Mietshaus, dessen Hartz-IV-Mietern die Räumung droht, weil sie keine Miete gezahlt haben. Der Jobcentermann hätte es tun müssen. Heike Makatsch fragt sich durch, sie ist eine wunderbare Schauspielerin, das kann sie nicht einmal als Kommissarin verleugnen. Und bald trifft sie auf eine Gruppe von Mädchen, die ein wenig an die Heike Makatsch der ersten Jahre erinnern, als sie das Girlie der Nation war. Aber zu den Töchtern von Hartz-IV-Empfängern passt dieses Wort wohl doch nicht, ihnen fehlt diese gewisse Leichtigkeit des Seins; dass die Welt ihnen zu Füßen liegt, konnten sie nie annehmen. Vielleicht neigen sie darum zu etwas bedenklichen Mutproben.

Regisseurin Katrin Gebbe gibt ihr Bestes, aber der Eindruck einer dramaturgischen Überanstrengung bleibt. Und sollte diesem „Tatort-Special“ keine Fortsetzung folgen: Dem deutschen Fernsehen geht gewiss keine Ausnahme-Kriminalistin verloren. Und das spricht nicht gegen, eher für Heike Makatsch.

„Tatort: Fünf Minuten Himmel“, ARD, Ostermontag, 20 Uhr 15

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