Polit-Drama mit Armin Rohde und Katja Flint: Grundsatzprogramme sind wie Klopapier
Das ARD-Drama „Unverschämtes Glück“ beschäftigt sich mit den negativen Seiten des Politikbetriebs. Das Drehbuch beruht auf realen Vorlagen.
Der Amtssitz von Oberbürgermeister Johannes Größt kommt einem Zuschauer aus Berlin nicht von ungefähr bekannt vor. Das Drama „Unverschämtes Glück“ wurde zu großen Teilen im Rathaus Schöneberg gedreht, also dort, wo der West-Berliner Senat während der Jahre der Teilung seinen Sitz hatte. Um Lokalpolitik, allerdings aus der Provinz, geht es auch in dem ARD-Film, der am Mittwoch im Ersten ausgestrahlt wird. Insbesondere geht es um die negativen Seiten der Politik – und um die Menschen, die im Schatten des Politikbetriebes stehen und daran mitunter zerbrechen.
Johannes Größt ist ein Gemeindeoberhaupt, das sich aus einfachen Verhältnissen an die Spitze gearbeitet hat. Genau dafür schätzen ihn die Bürger. Doch die von Armin Rohde gespielte Figur ist ausgebrannt, seine Umfragewerte liegen kurz vor der Wahl im Keller. Bei einer Autofahrt zu einem Wahlkampfauftritt kommt es zur Katastrophe. Sein Sportwagen rammt einen Laster und fliegt in hohem Bogen gegen einen Baum. Größt überlebt schwer verletzt, doch ob er wieder gesundet, ist ebenso ungewiss wie die Frage, ob er in die Politik zurückkehrt.
Aufgeschrieben und verfilmt hat die Geschichte Grimme-Preisträger Hartmut Schoen. „Ist es nicht oft so – die tatkräftige, erfolgreiche Seite eines Politikers ist für die Öffentlichkeit, und das Übrige, die Depressionen, die Angst, das ist dann für die Angehörigen?“, fragt der Autor und Regisseur von „Unverschämtes Glück“. Als Beispiele führt er das tragische Ende von Kanzlergattin Hannelore Kohl und der Grünen-Politiker Petra Kelly und Gert Bastian an. Im Zentrum seiner Geschichte steht Erika Größt, die Gattin des Bürgermeisters. Die Rolle der blassen Frau im Schatten wird von Katja Flint verkörpert, sie spielt eine Politikerehefrau, die sich zu lange als Nebensache betrachtet und auf die Erfüllung ihrer Träume verzichtet hat.
"Mit Grundsatzprogrammen putzt sich der Wähler den Arsch ab."
Alexander Held verkörpert dagegen alle negativen Seiten, die die Menschen mit Politik verbinden. Für den von ihm gespielten Fraktionsvorsitzenden Harry Hindenach zählt nur der Machterhalt. Er kennt keine Freunde, sondern nur politische Weggefährten. Für ihn ist kein Trick zu schmutzig. Ein Foto des blutverschmierten OBs direkt nach dem Unfall an die Presse geben? Warum nicht. Mit genau solchen Bildern verschafft man dem Wahlvolk jene Emotionen, nach denen sie in den Medien suchen, weiß der Pragmatiker der Macht. „Grundsatzprogramme, Sachthemen? Vergiss es, damit putzt sich der Wähler den Arsch ab“, ist sein Credo. Ein wenig erinnert Hindenach an den früheren SPD-Zuchtmeister Herbert Wehner ohne Pfeife.
Der Unfall des Oberbürgermeisters weckt in seinem Umfeld – mit wenigen Ausnahmen – nur die schlechtesten Eigenschaften. Die einen machen sich bereits Gedanken über ihre Zukunft ohne das bisherige Alphatier, die anderen spekulieren auf die Nachfolge, und der politische Gegner reibt sich ohnehin genüsslich die Hände. Wie realistisch die bösartigen Dialoge des Films tatsächlich sind, lässt sich nicht beantworten. Normalerweise finden solchen Gespräche hinter verschlossenen Türen statt.
Tatsächlich stellt der Film aber eine ganz elementare Frage: Gibt es nicht auch bei mir Dinge, die ich dringend ändern sollte? Schauspielerin Katja Flint ist es jedenfalls so ergangen. „Und ich habe nicht auf einen Unfall oder eine schwere Krankheit gewartet, um das zu tun. Es wäre mir eine Freude, wenn es anderen auch so geht“, sagt sie.
„Unverschämtes Glück“, ARD, Mittwoch 20 Uhr 15
Kurt Sagatz
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