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"Hart aber Fair"- Moderator Frank Plasberg.
© dpa

"Hart aber Fair" auf ARD: Glattgebügelter Mainstream und ein Tsunami aus Blödsinn

Unter dem Titel "Vereint aber fremd – zwei Deutschlands unter einem Dach?" wird über vermeintlich immer noch existierende Mauern in deutschen Köpfen und Seelen diskutiert - anekdotisch, staatsbürgerlich, erwartbar. Bis ein skurriler Auftritt das Ganze ins Absurde führt.

25 Jahre Mauerfall. Zeitenwende. Wiedervereinigung. Menschen aus BRD und DDR, die sich in gesamtdeutschen Armen liegen. Salbungsvolle Geschichtspoesie. Musikalisch garniert mit WIND OF CHANGE, der „Hymne der Wende“. Aber bevor der Bildschirm vor Rührseligkeit in einem Tränenmeer versinkt, gibt’s knallharte Fakten von Moderator Frank Plasberg. Schockierendes. 90 % der Ostdeutschen und 86 % der Westdeutschen sehen immer noch grundsätzliche Mentalitätsunterschiede. Dass diese Unterschiede zwischen Bayern und Ostfriesen, Schwaben und Berlinern, Hamburgern und Saarländern auch nicht viel geringer sind - geschenkt. Irgendeine halbwegs journalistische Begründung muss es ja geben, damit man 75 Minuten über den provokanten Titel "Vereint aber fremd – zwei Deutschlands unter einem Dach?" philosophieren kann.

Die Gästeliste: Matthias Platzeck, Julia Klöckner, Klaus Meine, Uwe Steimle und Ines Geipel. Ausgewogen. Typisch Öffentlich-Rechtlich. Zwei Politiker. Zwei Künstler. Eine Sportlerin. Keine Überraschung. Keine Ausreißer. Drei Ostdeutsche und zwei Westdeutsche. Da der Moderator zu den Westdeutschen zählt, ist es zahlenmäßig auch wieder ausgeglichen. Was kann man da als Zuschauer schon groß erwarten? Ausgewogenes Talk-Geschäft. Anekdotisches. Staatsbürgerliches. Gepflegter Austausch von glattgebügelter Mainstream-Meinung.

Mit Uwe Steimle wird's skurril

Aber dann kommt Kabarettist Uwe Steimle zu Wort. Und jetzt wird’s interessant. Und skurril. Der verbale Wasserfall aus persönlichen Gefühlen, Vorurteilen und Halbwissen, er schwillt an zu einem Tsunami an Blödsinn. Mit der Aussage, das man in der DDR zum Miteinander und nicht zum Gegeneinander sozialisiert wurde, kann man sich ja sicher noch anfreunden. Die dazu passende Geschichte – Steimle verpasst als Lehrling den Bus und wird vom Betriebsdirektor zur Arbeit mitgenommen. Biedere Sozialfolklore.

Zweite Stufe. Steimle erkennt Wessis und Ossis am Denken, Sprechen oder Fühlen. Die ostdeutsche ZDF-Moderatorin Maybritt Illner hat in einer Sendung den unverzeihlichen Fehler begangen, „Wir Westdeutsche“ zu sagen. Damit ist sie - Steimle Originalton „ Keine mehr von uns“. Auf die Frage, warum nach der Wiedervereinigung so viel mehr Frauen aus Ost- nach Westdeutschland gegangen sind, hat der Schauspieler eine eher kreative Antwort: „Frauen wollen beschützt werden“. Da platzt selbst der konservativen CDU-Dame Julia Klöckner der Kragen.

Lehrstunde in Sachen "intellektuelle Ost-West-Unterschiede"

Aber jetzt kommt Steimle in Fahrt: „Ich habe immer gewollt, dass wir ein demokratisches Deutschland werden. Bis heute hält die Wunde an, dass ich immer noch denke, warum hat das nicht geklappt“. Der Moderator winkt diese Steimle-Ergüsse ungefiltert und unkommentiert durch. Fehler? Gut überlegte Provokation? Als Julia Klöckner über die vielen Republik-Flüchtlinge spricht, hat Steimle nur Verachtung übrig: „Wie viele Menschen, die auch gegangen sind in die Freiheit, in die vermeintliche Freiheit, haben ihre Kinder im Stich gelassen und haben gedacht, na ja das wird schon irgendwie laufen“.

Zum Schluss gibt’s von Steimle noch die Erkenntnis, dass die DDR 1989 keine wirtschaftlichen Probleme hatte und auf gar keinen Fall Bankrott war. Fazit: eine eher vorhersehbare Argumentationshitparade wurde zu einer Lehrstunde in Sachen „Intellektuelle Ost-West-Unterschiede". Die gefühlte Mauer in den Seelen – eher ein dickes Brett vorm Kopf.

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