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Silvia Seidel als Tänzerin im Kinofilm „Anna“ 1988.
© dpa

Kinderstars: Früher Ruhm, lange Schatten

Silvia Seidel war „Anna“, der Kinderstar. Das hat sie nicht verkraftet. Dieses Schicksal teilen auch Andere, die zu früh prominent wurden. Aber es gibt auch positive Beispiele.

Millionen Mädchen wollten werden wie sie. Wie Anna, das Mädchen, das sich in der gleichnamigen ZDF-Serie 1987 von der Schulbühne bis nach Paris und New York tanzte, die eine zarte Liebe mit Rollstuhlfahrer Rainer entwickelte und alle Hürden ihres Lebens meisterte. Während ihre Fans an den Ballettstangen Plié und Glissé übten, versuchte „Anna“-Darstellerin Silvia Seidel nur eines: nicht länger „Anna“ sein zu müssen. Mit nur 42 Jahren ist die Schauspielerin jetzt gestorben. Ein Fremdverschulden wird ausgeschlossen, teilte die Staatsanwaltschaft München mit. Es gibt einen Abschiedsbrief.

„Nach ,Anna‘ stand ich unter Schock, wie nach einem Unfall. 15 Jahre hat es gedauert, bis ich aufgewacht bin. Es passierte damals einfach zu viel in zu kurzer Zeit. Seitdem habe ich einen Großteil meines Lebens damit verbracht, ,unberühmt‘ zu werden“, sagte Seidel noch vor fünf Jahren dem Magazin „Bunte“ und 2011 der „Freizeit Revue“: „Die Rolle der Anna hat mir mein Leben versaut“.

Silvia Seidel als Nicole Hensel in der Komödie "Nie wieder arbeiten" 2009.
Silvia Seidel als Nicole Hensel in der Komödie "Nie wieder arbeiten" 2009.
© dpa

Wie Silvia Seidel kämpfen viele ehemalige Kinderstars mit Leben und Karriere. Gerade veröffentlichte das US-Magazin „National Enquirer“ Bilder vom abgemagerten Macaulay Culkin, der 1990 mit „Kevin – Allein zu Haus“ einen Kinohit gelandet hatte, und spekulierte über eine Heroin-Abhängigkeit. Drew Barrymore, die bereits als Baby in einem Werbespot zu sehen war und 1982 als Siebenjährige die Freundin des Außerirdischen „E.T.“ spielte, schnupfte mit zwölf Kokain.

Ist früher Ruhm für Kinder schädlich? „Wahrscheinlich schon“, sagt Borwin Bandelow, der als Psychologe an der Universität Göttingen arbeitet und unter anderem das Buch „Celebrities – vom schwierigen Glück, berühmt zu werden“ veröffentlicht hat. „Es ist aber nicht nur das Berühmtsein in der Kindheit, das später möglicherweise Depressionen oder Drogenabhängigkeit auslösen kann. Oft sind solche Probleme schon in der Persönlichkeit veranlagt und deshalb kann spekuliert werden, dass sie auch dann ausgebrochen wären, wenn die Person nicht als Kind berühmt geworden wäre“, sagt Bandelow.

Eine wichtige Rolle würden zudem die Eltern spielen. „Viele finden es toll, wenn ihr Kind berühmt wird, denn dadurch werden sie plötzlich selbst berühmt. Deshalb treiben sie das Kind weiter an, auch, wenn es nicht unbedingt zu seinem Wohle ist“, sagt Bandelow.

Nach der Serie kam der Kinofilm „Anna“, doch in den Folgejahren konnte Silvia Seidel nicht mehr an diesen großen Erfolg anknüpfen. Der Film „Ballerina“ oder auch die Sat-1-Serie „Quer durch die Galaxie und dann links“ floppten. Sie war nur noch in kleineren Rollen zu sehen, etwa in Serien wie „Forsthaus Falkenau“ oder „Die Rosenheim Cops“. Dass sich ihre depressive Mutter 1992 das Leben nahm, traf die Schauspielerin hart. In diesem Herbst hätte eine Theatertournee beginnen sollen.

Auch anderen Kinderstars gelang nicht der Sprung. Die 37-jährige Radost Bokel, 1986 als „Momo“ in der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Michael Ende berühmt geworden, versuchte sich als Sängerin, übernahm kleinere Rollen und tauchte im Januar im RTL-„Dschungelcamp“ auf. Thomas „Thommi“ Ohrner, Star des ZDF-Mehrteilers „Timm Thaler“, war zwar in einigen Filmen und Serien wie „Verbotene Liebe“ zu sehen und trat als Show-Moderator auf, ein großer Fernsehstar wurde der heute 47-Jährige aber nie wieder. Der vierfache Familienvater arbeitet als Radio-Moderator.

Wie dieser frühere Kinderstar kommt auch Patrick Bach unaufgeregt durch den Alltag. Seidels Filmpartner, der in „Anna“ den Rollstuhlfahrer Rainer gab, trat bereits mit drei Jahren im Fernsehen auf und übernahm Hauptrollen in Serien wie „Silas“ und „Jack Holborn“. Heute beschäftigen ihn Auftritte in TV-Serien und im Theater.

Michael Ande, 1956 als Zwölfjähriger in den Filmen der „Trapp-Familie“ zum Kinderstar aufgestiegen, wurde für viele Jungen das, was Silvia Seidel später für Mädchen werden sollte. Jeder Junge wollte so sein wie er und dessen Abenteuer erleben, vor allem, nachdem Ande 1966 in dem ZDF-Vierteiler „Die Schatzinsel“ nach dem Roman von Robert Louis Stevenson den Jim Hawkins gespielt hatte. Nach dieser Traumrolle folgte für Ande eine Lebensrolle: Gerd Heymann in „Der Alte“. Seit 1977, seit dem Start der Krimiserie, ist der Schauspieler Ande Teil des Ermittlerteams – aber immer nur als Assistent. Was zu Beginn mit Siegfried Lowitz als Hauptkommissar noch sinnfällig war – Lowitz 63 Jahre alt, Ande 32 – ist 35 Jahre später merkwürdig.

Michael Ande ist heute mit 67 im besten „Alten“-Alter – und trotzdem darf nun ein anderer die Hauptrolle übernehmen, wie das ZDF am Mittwoch bekannt gab. Jan-Gregor Kemp soll künftig den „Alten“ spielen.

Allerdings kommen manche Kinderstars als Erwachsene noch größer heraus, als sie es in jungen Jahren schon waren. Die 37-jährige Drew Barrymore arbeitet heute erfolgreich als Schauspielerin, 2010 gewann sie den „Golden Globe“. Jodie Foster begann dreijährig mit einer Werbung für die Sonnencreme „Coppertone“. Mit 13 wurde sie 1976 von Martin Scorsese als minderjährige Prostituierte in „Taxi Driver“ besetzt und in aller Welt berühmt. Sie entwickelte über Jahre und Jahrzehnte eine der interessantesten und vielschichtigsten Hollywood-Karrieren: Schauspielerin, Filmregisseurin, Produzentin, „Oscar“-Preisträgerin 1991 für „Das Schweigen der Lämmer“, die 49-jährige Künstlerin ist fest verankert im anspruchsvollen Kino.

Eine Rückschau auf geglückte und missglückte Karrieren ehemaliger Kinderstars ist möglich. Aber der Blick in die Zukunft? Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson sind mit den acht „Harry Potter“-Verfilmungen zu Popularität und Reichtum gekommen. Radcliffe ist 22, Grint 23, Watson 22.

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