Computersucht: Friedhof der Avatare
Auf herolymp.de können Computerspieler ihre Avatare digital beerdigen - mit Bild und Abschiedstext. Viele der Spieler nehmen die Stätte des Erinnerung ernst, die Erfinder haben den richtigen Nerv getroffen.
Sie verbringen mehrere Stunden täglich zusammen, über Monate, manchmal gar Jahre hinweg. Sie erleben gemeinsam Erfolge und Niederlage. Träume und Hoffnungen verbinden sie. Und irgendwann soll Schluss sein? Computerspieler führen oft eine innige Beziehung mit ihren Avataren – ihren Spielfiguren der virtuellen Welt. Wenn sie sich dazu entschließen, mit World of Warcraft, Counterstrike oder anderen Spielen aufzuhören, müssen sie auch ihre Avatare aufgeben. Einmal auf "Account löschen" gedrückt, ist die Spielfigur für immer verschwunden. Für manche ist es, als ob ein guter Freund stirbt. Und genau das ist ein Grund, weswegen es vielen schwer fällt, einen Schlussstrich zu ziehen.
Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt hat für diese Fälle eine Lösung geschaffen: herolymp.de, eine digitaler Friedhof für Avatare. Zusammen mit Studenten der Academy of Visual Arts in Frankfurt haben sie an einem Projekt zur Prävention von Spiel- und Computersucht gebastelt. Heraus kam der Friedhof, auf dem Computerspieler ihren digitalen Freunden die letzte Ehre erweisen – mit einem Bild ihres Avatars und einem Abschiedstext, den Besucher der Webseite lesen können.
"Wir haben unsere eigenen Erfahrungen mit Onlinespielen genutzt und sind darauf gekommen, dass es eine Stätte der Erinnerung braucht", erklärt Johannes Böckers, der Dozent der Meisterklasse im Fach Werbung der Akademie. Die Studenten wollten nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Gefahren von Spiel- und Computersucht aufmerksam machen, sondern die Leistungen der Spieler in erster Linie würdigen. "Offensichtlich nehmen es viele Spieler auch ganz ernst, wenn man ihre Memorials liest", sagt Böckers. Die Erfinder haben den richtigen Nerv getroffen.
Worte der Erinnerung an eine gemeinsame Zeit
"Hier ruht Darkwar, Held der Allianz. Paladin der Silbernen Hand und treuer Gefährte. Lange waren wir unterwegs, bekämpften Drachen, Dämonen und andere Monster. Doch nun ist diese Reise zu Ende. Ruhe in Frieden mein alter Freund", schreibt einer der Computerspieler. Meist sind es Worte der Erinnerung an die gemeinsame Zeit.
Oft schreiben sie auch, weswegen sie aufhören. Manche bereuen es, so tief in die digitale Welt abgedriftet zu sein und das reale Leben vernachlässigt zu haben: "Xirok mein Junge, wir hatte schöne Zeit. […] Nun brauche ich dich als Priester nicht mehr, sondern Familie und Freunde. Fünf Jahre World of Warcraft, und du hast kein normales Leben mehr. Das einzige woran ich denken, wovon ich träumen und sprechen konnte war World of Warcraft. Nun ist das Kapitel vorbei. Und alle die da draußen sind und noch nicht losgekommen sind... holt euch Hilfe von außen. Alleine schafft man das nicht mehr."
250 Avatare haben auf herolymp.de in den ersten zwei Monaten des Bestehens der Seite ihre letzte Ruhestätte gefunden. "Bisher hat das Projekt unsere Erwartungen bei weitem übertroffen", sagt Renate Lind-Krämer, Referentin für Suchtprävention im Drogenreferat der Stadt Frankfurt. Es seien Spieler im Alter von 14 bis 50 Jahren, die meisten seien zwischen 18 und 25. Lind-Krämer kann nachvollziehen, weshalb es vielen Spielern schwer fällt, aufzuhören. "Im Schnitt sitzen Computerspieler 22 Stunden pro Woche vor dem PC. Mit der Zeit entwickelt sich eine Faszination, das Spiel wird das wichtigste im Leben, reale Bedürfnisse sind daran geknüpft."
Für die Zukunft hat sie schon die nächsten Schritte geplant. "Wir wollen die Memorials auswerten. Danach werden wir uns noch mal mit den Studenten der Akademie of Visual Arts zusammensetzen und überlegen, was dann zu tun ist."
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität